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Obamas leiser Krieg

Die USA setzen bei der Bekämpfung von Krisen und der Durchsetzung von Sanktionen zunehmend auf eine bisher wenig bekannte Abteilung des US-Finanzministeriums. Nach eigener Aussage ein Instrument "einzigartiger" Machtdemonstration in der Welt "Amerika muss immer führen", sagte Obama in seiner West-Point Rede Ende März ("Amerika muss immer führen". Das Militär wäre dafür weiterhin zentral, gleichwohl machte Obama aber deutlich, dass sein Land militärisch nur noch selektiv eingreifen werde, das heißt, wenn es die US-Kerninteressen erfordern wie gegenwärtig bei der Offensive der ISIS im Irak.

Obamas neuer Weg, den Einfluss der USA weltweit ohne große Truppenbewegungen auszudehnen, wird über die Mittel der Diplomatie, über Entwicklungshilfe und natürlich über Sanktionen führen, so der US-Präsident. Ein Werkzeug dieser neuen Strategie ist das Optimieren von Sanktionen: Statt antiquierter Handelsembargos, die vor allem die Bevölkerung eines Landes treffen, setzt Obama zunehmend auf einen gezielten Strafkatalog, der die politische und wirtschaftliche Elite eines Landes trifft. Bei dieser Aufgabe hilft ihm ein Spezialteam aus Anwälten, Analysten und Finanzexperten, das im US-Finanzministerium untergebracht ist: Das Office of Terrorism and Financial Intelligence (TFI).

Das TFI wurde als Folge auf die Anschläge vom 11. September 2001 aufgebaut und diente vor allem dazu, unerlaubte Geldtransaktionen im Dollar-geprägten globalen Finanzsystem aufzuspüren, um Terroranschlägen auf die Schliche zu kommen. Mittlerweile hat die Einheit in Krisen Hot-Spots wie Korea, Iran, Afghanistan, dem Nahen Osten und Russland, eine ausschlaggebende Rolle bei der US-amerikanischen Außenpolitik eingenommen.

Warum diese Ausweitung des Auftrages? Weil nahezu jede Bedrohung für die nationale Sicherheit eine wichtige finanzielle Komponente innehat, erklärt David Cohen, der Leiter der Behörde.

TFI - "The War on Financial Terror"

Als das US-Finanzministerium zusammen mit dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) Anfang diesen Monats zu einem Symposium mit den Titel "The Evolution of Treasury's National Security Role lud, lobte Finanzminister Jacob Lew sein Unterabteilung in den höchsten Tönen: "TFI hat ein neues Schlachtfeld für die Vereinigten Staaten eröffnet, das es uns ermöglicht, gegen jene vorzugehen, die uns schaden wollen, ohne unsere Truppen in Gefahr zu bringen oder tödliche Gewalt anzuwenden. Ohne Zweifel haben (TFIs) Errungenschaften unser Land und die Welt sicherer gemacht." Die Obama-Administration wäre dabei besonders kreativ und innovativ gewesen bei der Anwendung finanzieller Sanktionen, so Lew weiter.

Das Office of Terrorism and Financial Intelligence ist in fünf Abteilungen gegliedert und unterhält 730 Mitarbeiter, berichtet das Magazins Newsweek ("The Art of Financial Warfare")

Das Besondere an dieser Abteilung im US-Finanzministerium ist, dass es auf einen ganz eigenen Geheimdienst für Finanzfragen zurückgreifen kann. Dieser durchkämmt bei seinem "War on Financial Terror" (unter "Key Topics") Bankberichte, teilt Informationen mit dem FBI und der CIA, bekämpft Geldwäsche und hat ein Auge auf digitale Währungen wie Bitcoin. Vor allem aber analysiert und vollstreckt das TFI Sanktionen gegen ausländische Staatsbürger und Instanzen. So geschehen als Reaktion auf Putins Annexion der Krim.

Russland

Gennady Timchenko, Milliardär, russischer Geschäftsmann und Gründungsmitglied der viertgrößten Ölhandelsgesellschaft Gunvor Group Ltd., fand sich auf diesem Weg Ende März auf einer "Schwarzen Liste" der US-Regierung wieder, schreibt Newsweek. Zusammen mit weiteren 31 Personen und Geschäftsmännern, die angeblich in Verbindung standen mit Wladimir Putin. Die TFI-Strategie: Putins inneren Kreis vom globalen Finanzkarussell fern halten und sie dort treffen, wo es am meisten weh tut: am Geldbeutel.

Unter den Namen auf der Liste war auch Rossiya, eine Bank in St. Peterburg, die sich mit einem Vermögenswert von rund 10 Milliarden US-Dollar vor allem um hochrangige russische Regierungsvertreter kümmert. TFI sorgte dafür, dass das wichtige Visa- und MasterCard-System der Bank unterbrochen wurde, dann stufte Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit erst der Bank, danach des ganzes Landes auf Ramschniveau BBB- herunter.

Insgesamt stehen auf der Schwarzen Liste der TFI-Untereinheit, dem "Amt für Kontrolle von Auslandsvermögen" ("Ten Facts About TFI"), heute knapp 6000 internationale Namen von Personen und Firmen. Wer einmal draufsteht, kann seine Geschäfte nicht mehr mit US-Dollar abwickeln, der global dominierenden Transaktions- und Vehikelwährung. Der Dollar bildet eine Seite in 87 Prozent aller Devisengeschäfte, so eine Analyse der Bank of International Settlements vom April 2013. Die Vorgehensweise in der Russlandsituation gliedert sich demnach in drei Schritte mit zunehmender wirtschaftlicher Konsequenz: Level eins ist rein symbolisch, Level zwei zielt auf Individuen ab, während Level drei mit der Bestrafung ganzer Industriezweige der russischen Wirtschaft droht.

Iran

Ähnlich verliefen auch die US-Sanktionen der vergangenen vier Jahre gegen den Iran ab. Um das Regime von einer nuklearen Weiterentwicklung abzuhalten, isolierte TFI mit internationaler Hilfe über 20 iranische Finanzinstitute vom internationalen Bankensystem Im Zuge dessen fiel die iranische Landeswährung Rial Ende 2011 um rund 30 Prozent. Über das "Goldene Schlupfloch" tauschte der Iran kurzzeitig Gaslieferungen an die Türkei gegen Gold ( Gas-for-Gold), bis Obama auch diesen Umweg im Sommer vergangen Jahres schließen ließ.

TFI setzte zudem ein Dutzend Firmen auf eine Schwarze Liste, die weiterhin Geschäfte mit dem Iran betrieben. Seit Beginn der optimierten Sanktionen 2010 verlor der Iran so circa 120 Milliarden US-Dollar an Einnahmen, so das US-Finanzministerium. Die New York Times stufte die TFI-Maßnahmen entsprechend als das "bislang erfolgreichste Druckmittel" gegen den Iran ein.

"Wir haben in den vergangenen zehn Jahren eine neue Methode geschaffen, um US-Macht auszuüben", sagt David Cohen gegenüber dem Wall Street Journal. "Wir tun das auf eine weltweit einzigartige Weise." Man hätte einen neuen Satz potenter Werkzeuge entwickelt, der dem Präsident nun zur Verfügung stehe, schwärmt auch der stellvertretende Sekretär für Terrorismus-Finanzierung im US-Finanzministeriums, Daniel Glaser.

Vom Anti-Terror-Instrument zum leisen Dompteur internationaler Konflikte. So einleuchtend die Entwicklung des Finanzministerium hin zum Mittelpunkt der US-amerikanischen Sicherheit heute scheint, so habe es doch einige Überzeugungsarbeit erfordert, erinnert sich gegenüber Newsweek Juan Zarate, führender Kopf beim Aufbau des Finanz-Geheimdienstes, Chefberater bei der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies und Buchautor ("Treasury's War: The Unleashing of a New Era of Financial Warfare"). Das FBI und Justizministerium hätten sich zunächst dagegen gewehrt, dass das Finanzministerium sich in die Strafverfolgung einmischt, so Zarate: "Wir mussten beweisen, dass die größte Macht des Finanzministeriums...nichts mit Waffen und Abzeichen zu tun hat, sondern vor allem mit Absatzmärkten und unseren finanziellen Druckmitteln".

Probleme mit Alliierten und Wettrüsten im Finanzsektor

Die Arbeit vom TFI als "die Kriegsführung des 21. Jahrhunderts" (Newsweek) mag günstiger sein als ein Militärschlag, einfacher ist sie freilich nicht geworden. Während die USA und EU-Staaten wie Polen in den vergangenen Wochen eine Anhebung der Sanktionen gegen Russland auf Level 3 forderten, stemmte sich die deutsche Industrie entschieden dagegen, weil sie Umsatzeinbußen auf dem östlichen Zukunftsmarkt fürchtete. Erst vor wenigen Tagen und "mit schwerem" Herzen ließ der Industrieverband BDI verlauten, man würde mögliche Sanktionen unterstützen.

Aber die Zusammenarbeit der Alliierten ist nicht das einzige Problem. Die ausgeklügelten Maßnahmen vom TFI funktionieren nur, solange der Dollar Leitwährung bleibt und Visa- und MasterCard keine erstzunehmende Konkurrenz bekommen; China und Japan haben bereits eigene Kartenbezahlsysteme, und Russland tüftelt angeblich schon daran Bis es soweit ist, kann das US-Finanzministerium zumindest weiterhin kräftig Geld einsammeln: In den vergangenen Jahren verhängte das TFI-Büro für Kontrolle von Auslandsvermögen (OFAC) Strafzahlungen in Milliardenhöhe an Banken wegen umgangener und gebrochener Sanktionen. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres betrugen die Einnahmen über 220 Millionen US-Dollar.

http://www.heise.de/tp/artikel/42/42057/

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