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Er saß monatelang am Flughafen fest. Bis jetzt

(Foto: Ben Nelms/AP)

Der Syrer Hassan al-Kontar lernte aus Langeweile stricken, pflegte Pflanzen und trieb Sport, um einigermaßen fit zu bleiben. Jetzt durfte er den Transitbereich verlassen - und flog nach Kanada.

Hassan al-Kontars Geschichte erinnert an Tom Hanks' Film "Terminal", die ebenfalls auf einer wahren Geschichte beruht.


Flughäfen können Schauplätze des Aufbruchs, des Wiedersehens oder des Abschieds sein - in etlichen Hollywoodstreifen dienen sie als Orte für ein Happy End in letzter Minute, bei dem Menschen über Sicherheitsabsperrungen springen und Flughafenmitarbeiter großzügig ein Auge zudrücken. Doch nur selten sind Flughäfen Orte des Stillstands.

Der Syrer Hassan al-Kontar saß monatelang im Transitbereich des Flughafens in Kuala Lumpur fest. Die Vereinigten Arabischen Emirate, wohin al-Kontar 2006 ausgewandert war, um dem syrischen Militärdienst zu entfliehen, schoben ihn im Januar 2017 nach Malaysia ab. Da sein Pass abgelaufen war, durfte er jedoch weder nach Malaysia ein- noch weiterreisen.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeitete al-Kontar im Marketingbereich. 2011 lief seine Arbeitserlaubnis aus, genau in dem Jahr, in dem der syrische Bürgerkrieg begann. Er hatte Angst in seine Heimat ausgeliefert zu werden, also blieb er illegal im Land. In einem Telefongespräch vor einigen Monaten sagte al-Kontar: "Dieser Krieg ist nicht mein Kampf. Ich bin keine Tötungsmaschine. Ich will nicht meine eigenen Brüder hinrichten und mein Land zerstören."

Überraschend kam Bewegung in die Sache

Als er im Januar 2017 in Malaysia landete, versuchte er, weiter nach Ecuador zu reisen, doch man ließ ihn nicht an Bord. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ließ der 37-jährige Syrer Menschen weltweit an seinem Leben im Transitbereich teilhaben. Da es in der Transitzone weder Geschäfte noch Restaurants gibt, war er auf Menschen angewiesen, die ihm Mahlzeiten vorbeibrachten. Er lernte aus Langeweile stricken, pflegte ein paar Pflanzen und trieb Sport, um fit zu bleiben. Auch an der "Kiki-Challenge", in der Autofahrer oder Beifahrer tanzend aus einem langsam fahrenden Auto springen, nahm er teil - er sprang von einem Gepäckwagen.

Doch al-Kontar teilte auch seinen Kampf mit der Ungewissheit mit der Öffentlichkeit. Er postete Bilder von der Hochzeit seines jüngeren Bruders, bei der er nicht dabei sein konnte. Oder er fotografierte den Schriftzug einer Air-Asia-Maschine, der in seinen Ohren zynisch klingen musste: "Now everyone can fly." ("Jetzt kann jeder fliegen.")

Anfang Oktober wurde al-Kontar überraschend festgenommen. Seitdem hatte es kein Lebenszeichen mehr von ihm gegeben. Doch nun kam Bewegung in die Sache. Am frühen Dienstagmorgen landete der Syrer in Vancouver, Kanada. Eine Gruppe Kanadier hatte sich für ihn eingesetzt und einen Asylantrag gestellt, der jetzt gebilligt wurde. Seine Twitter-Followerin Laurie Cooper hatte einen großen Anteil an diesem Erfolg. Sie nahm den 37-Jährigen in Vancouver in Empfang. Die guten Neuigkeiten verkündete al-Kontar bereits am Montagabend in einem Video. Darin berichtet er von seiner neu gewonnenen Freiheit: "Im Moment ist nicht wichtig, wo ich die letzten zwei Monate war oder was mit mir passiert ist. Die Vergangenheit ist nicht mehr da, was zählt, ist heute und morgen. Heute bin ich in Taiwan am internationalen Flughafen. Morgen werde ich mein Ziel erreichen: Vancouver."

Auch die Familie von Mohamed Khalid war am Flughafen von Kuala Lumpur gestrandet, allerdings in einem anderen Bereich als al-Kontar. Da die syrische Familie ihre Videos und Tweets auf Arabisch verfasste, erreichte sie weniger Menschen als ihr Landsmann. Bereits seit Mai ist die Süddeutsche Zeitung mit der Familie in Kontakt. Seit September sind sie im Libanon, der libanesische Botschafter in Malaysia hatte ihnen geholfen. Der 28-jährige Khalid berichtet von Dutzenden Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben.

Beide Geschichten erinnern an Tom Hanks' Film "Terminal", der auf einer wahren Geschichte beruht: Der iranische Flüchtling Merhan Karimi Nassiri lebte 18 Jahre am Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Wegen fehlender Papiere durfte er französisches Staatsgebiet nicht betreten.

Am Dienstagmorgen landete Hassan al-Kontar in Vancouver, Kanada. Dort begrüßte ihn eine Twitter-Followerin und Freundin.

(Foto: Ben Nelms/AP) Original