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Ein Selfie mit der Kanzlerin bringt Facebook in Bedrängnis

Im September 2015 posiert Anas Modamani für ein Selfie mit Angela Merkel. Auf Facebook wird das Foto später für rechte Hetze missbraucht. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Anas Modamanis hat Kanzlerin Angela Merkel 2015 in Spandau getroffen. Ein Foto von dem Treffen wird seither von rechten Gruppen in sozialen Netzwerken verbreitet - vorangig auf Facebook. Gegen die Falschmeldungen wehrt sich Modamanis nun vor Gericht. Er will erreichen, dass Facebook für seine Nutzer haftet.


Eigentlich war Anas Modamanis Geschichte ja eine schöne Geschichte, am Anfang. Der 19-jährige Syrer war gerade einen Monat in Deutschland, als Angela Merkel im Sommer 2015 sein Flüchtlingsheim in Spandau besuchte. Modamani wollte ein Foto mit der Bundeskanzlerin und am Ende hat er sogar zwei Bilder bekommen: E in Selfie schoss er selbst, das andere Bild machte ein Agenturfotograf.

Jetzt, eineinhalb Jahre später, steht er im Würzburger Landgericht, gleich wird hier sein Fall verhandelt und Modamani sagt: "Ich habe Angst, ich kann nicht mehr alleine auf die Straße gehen." Modamanis Geschichte hat eine Wendung genommen, im März 2016.

Nach dem Anschlag auf den Brüsseler Flughafen wurde er auf rechten Webseiten als einer der Attentäter bezeichnet. Seitdem werden seine Bilder immer wieder für Hetze und Verleumdungen missbraucht, vor allem auf Facebook. Mal wird er als Terrorist diffamiert, mal soll er einen Obdachlosen in Berlin angezündet haben. Beides entspricht nicht der Wahrheit.

Bilder gelöscht, aber trotzdem noch sichtbar

Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun möchte nun mit Anas Modamanis Fall ein Grundsatzurteil gegen Facebook erreichen. Er hält Facebooks Verhalten für fragwürdig und fordert schärfere Gesetze. Zwar hat Facebook die URLs geblockt, die Jun dem Unternehmen gemeldet hatte, doch die Bilder können jederzeit wieder hochgeladen und für weitere Verleumdungen missbraucht werden.

Das bestreiten die beiden Facebook-Anwälte, sie sagen, das Unternehmen habe die besagten Bilder aus Facebook gelöscht. Jun legt ihnen darauf Bilder vor, die noch immer auf Facebook aufrufbar sind. Er betont, dass Facebook allgemein Bilder lediglich blockiere. Damit seien sie in anderen Ländern noch abrufbar, man könne sie durch einige Tricks auch hierzulande noch sehen.

Welche Verantwortung trägt Facebook?

Jun möchte, dass Facebook gemeldete Fake News eigenständig von der Plattform löscht und dafür sorgt, dass auch das Wiederhochladen untersagt wird. Rechtsanwalt Martin Munz verteidigt den US-Konzern, er behauptet, so eine "Wunderwaffe an Bilderkennungsprogramm" gebe es noch gar nicht. Facebook werde jeden Tag mit einer Milliarde neuen Inhalten überschwemmt, da könne die Suche nach einzelnen Inhalten nicht gewährleistet werden.

Jun ist anderer Meinung, eine Software gebe es schon seit Jahren, sagt er. Nach der Verhandlung legt er nach: "Facebook hat die Unkenntnis der Kammer in diesem Kontext ausgenutzt." Man könne von einem Internetriesen erwarten, dass er nicht jede einzelne URL von seinen Mandaten benötige, sondern selbständig danach suche. Modamanis Foto sei noch immer in den Timelines von mehr als 100 Facebook-Nutzern zu finden. Facebook findet dagegen, die Bildcollagen verstießen nicht in jedem Fall gegen die Gemeinschaftsstandards.

In dem Verfahren geht es auch um die Grundsatzfrage, ob und von welchem Zeitpunkt an Facebook für strafbare fremde Inhalte haftet. Erstmals könnte in Würzburg also in einem Verfahren festgestellt werden, ob Facebook für die Portalinhalte nicht erst bei positiver Kenntnis, sondern schon bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten haftet.

Massive Kritik an Facebooks Datengier Der "Friends Day" von Facebook war eine Charme-Offensive zum passenden Zeitpunkt: Denn das Netzwerk hat einmal mehr mit Gegenwind zu kämpfen. Diesmal stammt er von der Datenwissenschaftlerin Vicki Boykis. Von Michael Moorstedt mehr...
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