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Johan Cruijff Arena in Amsterdam: Die Bayern spielen öko

Die Johan Cruijff Arena ist mit 55.000 Plätzen das größte Stadion der Niederlande

Wenn Frenkie de Jong heute Abend zum Konter gegen den FC Bayern ansetzt, wird es die Ajax-Fans in der Johan Cruijff Arena wohl nicht auf ihren Sitzen halten. In einem gesicherten Raum unterhalb des Spielfelds, auf Tiefgaragenebene, wird von dem Jubel allerdings nichts zu hören sein. Die Lüfter rauschen zu laut.

Was aussieht wie ein Rechenzentrum, ist in Wahrheit Europas größter Batteriespeicher in einem öffentlichen Gebäude. In den unterirdischen Schränken des Stadions lagern 590 Batterien aus Elektroautos. 250 von ihnen steckten zuvor in Nissan-Elektroautos des Typs Leaf und kommen hier erneut zum Einsatz.

Zusammen schaffen die Batterien drei Megawatt Leistung und liefern damit genügend Strom für die Beleuchtung des Top-Spiels. Auch die benötigte Energie für die TV-Übertragung wird direkt aus dem Keller gezapft. Der Stadion-Strom ist selbst produziert.

Den Tag über haben 4200 Photovoltaikmodule rund um das auffahrbare Dach aus Sonnenlicht Strom erzeugt und in die Elektroauto-Batterien geleitet. Zum Anpfiff um 21 Uhr ist das größte Stadion der Niederlande hell erleuchtet. Die Batterien helfen dabei, Lastspitzen während der Spielzeit abzudecken. Umgerechnet liefern sie ausreichend Energie, um 7000 Amsterdamer Haushalte für eine Stunde mit Strom zu versorgen.

Sonnenstrom für Ed Sheeran

"Die Johan Cruijff Arena ist eines der nachhaltigsten Stadien weltweit", sagt Henk van Raan, Innovations-Direktor der Arena. Die Solarzellen wurden bereits 2014 installiert. Seit 2015 erfolgt der Betrieb des Stadions mit rund 54.000 Plätzen ziemlich CO2-neutral. Der Sonnenstrom konnte bisher nur direkt verbraucht oder ans Stromnetz abgegeben werden. Mit dem Batteriespeicher schließt man in Amsterdam die Lücke. Mittelfristig werden auch Elektroautos, die in der Tiefgarage parken, in die Speicherlösung eingebunden. Das im Sommer eingeweihte Projekt wurde kürzlich in London mit dem Green Apple Award als Environmental Best Practice ausgezeichnet.

Aus Megawatt Euros machen

Nicht überall in der Hightech-Tiefgarage geht es laut zu. Im Raum mit den Wechselrichtern, die den Strom aus den Photovoltaikmodulen in nutzbaren Wechselstrom umwandeln, herrscht Ruhe. Hinter einer Glastür verbirgt sich das Herzstück: ein Server, der sämtliche Energieflüsse zwischen Solarzellen, Batterien, Wechselrichtern, Stadiontechnik und Elektroautos steuert.

Die Software dazu kommt - wie die Gastmannschaft - aus München. The Mobility House hat sie entwickelt und übernimmt in Amsterdam weitere Aufgaben. "Wir sind hier als Technologieanbieter und als Vermarkter tätig. Das Ziel lautet, aus Megawatt Euros zu machen", sagt Thomas Raffeiner CEO und Gründer von The Mobility House. Mit den Schwankungen im Stromnetz verdient die Johan Cruijff Arena nun Geld.

Tagsüber, wenn das Stadion leer ist, nutzt Stromnetzbetreiber Tennet den Batteriespeicher. Angebot und Nachfrage müssen im Netz stets ausgeglichen sein. Doch die Erträge aus Wind und Sonne sind nicht genau vorhersehbar. Überschüsse speichern die Elektroauto-Batterien. Bei Windstille und Bewölkung versorgen die Stadion-Batterien die umliegenden Geschäfte und Büros mit Strom.

Atmende Ersatzteillager

Dass sich mit gebrauchten Elektroauto-Batterien noch Geld verdienen lässt, haben inzwischen auch Autohersteller entdeckt. BMW nennt im Werk Leipzig und im Hamburger Hafen jeweils einen Stromspeicher mit gebrauchten Batterien sein Eigen. Daimler betreibt mit Partnern gleich drei Speicher. Mit Tausend Batterien und 13 Megawattstunden Kapazität steht der Größte im westfälischen Lünen. Die gleichmäßigen Be- und Entladungszyklen sind nicht nur für gebrauchte Elektroauto-Batterien perfekt, sondern auch für Ersatz-Batterien. Würde man neue Lithium-Ionen-Akkus ungenutzt ins Regal legen, verkürzt das ihre Lebensdauer. Die Batteriespeicher werden somit zu "atmenden" Ersatzteillagern.

Mit der Aufnahme von Überschüssen aus dem Stromnetz, halten die Batteriespeicher die Netzfrequenz stabil bei 50 Hertz. Daimler liefert sogar sogenannte Primärregelleistung für den deutschen Strommarkt: Droht ein Ungleichgewicht im Netz, müssen Energielieferanten innerhalb von 30 Sekunden reagieren. Entweder fahren sie kurzfristig Kraftwerke hoch oder nehmen Anlagen vom Netz. Genau diese lukrative Dienstleistung erbringen immer mehr Batteriespeicher.

Elektroautos liefern Stadionlicht

Der Stadionbetreiber in Amsterdam möchte seine Speicherkapazität zukünftig erweitern. Neben fest installierten Batterien aus Elektroautos möchte er rollende Energiespeicher nutzen. "Der nächste logische Schritt ist die Einbindung von Elektroautos", sagt van Raan. Aktuell gibt es 18 Ladeanschlüsse in der Stadiontiefgarage.

Sie sollen mittelfristig auf 200 erweitert werden. Mit dieser Zahl würde sich die bestehende Speicherkapazität verdoppeln, kalkuliert der Innovations-Chef. Der Amsterdam Klima und Energie Fonds hat in seiner Rolle als Co-Investor errechnet, dass sich die Investition nicht nur über eine Laufzeit von zehn Jahren bezahlt macht, sondern auch 117.000 Tonnen CO2 einspart.

"Wenn der Halter eines E-Autos uns seine Batterie nutzen lässt, darf er vergünstigt oder kostenlos bei uns parken", schwebt van Raan vor. Tagsüber nehmen die Batterien in den Fahrzeugen Energie auf und geben sie am Abend für die Stadionbeleuchtung ab. Rechtzeitig vor Veranstaltungsende schaltet das System um. Mindestens 50 Prozent der Kapazität aus den stationären Batterien fließt zurück in die E-Autos. So kommen die Besitzer sicher wieder nach Hause.

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