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BMW verspielt den Vorsprung bei Elektroautos

BMW i8 Coupé

Fast lautlos rauscht der BMW i8 Roadster über die Landstraße zwischen Mais- und Getreidefeldern. Auf den Waldstrecken höre ich statt Motorenbrummen Vogelgezwitscher. Jeder Radfahrer, den ich überhole, erschrickt. Sie hören mich nicht kommen. In den Dörfern schauen mir - vor allem Männer - nach. Dabei sollte man in der Region nördlich von München an die sportlichen BMW-Modelle gewöhnt sein.

Die Testfahrzeuge werden in Garching an die Fahrer übergeben. In der restlichen Republik sieht man den BMW i8 nur selten. Er ist das Safety-Car bei der Formel-E und wird von der Polizei in Dubai genutzt. In Deutschland sind die Ausstellungsflächen auf Flughäfen sein bevorzugter Lebensraum. Addiert man die Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes, erstes Halbjahr 2018 inklusive, kommt man auf 1.300 Fahrzeuge und das bei 3,2 Millionen zugelassenen BMWs. Das liegt in erster Linie am Preis: Der BMW i8 Coupé startet bei 138.000 Euro, der i8 Roadster bei 155.000 Euro. Die Version meines zweisitzigen Testfahrzeugs kostet 175.000 Euro. In zweiter Linie liegt es an BMWs Innovationskraft. Ein Hybrid-Sportwagen begeistert nur wenige, wenn bereits sechs Jahre zuvor Tesla mit seinem elektrischen Roadster den Grundstein für den automobilen Wandel gelegt hat.

Hier hat BMW leichtfertig seinen Vorsprung verspielt. Die Gründe dafür sind unklar. Sie mögen in internen Strukturen und Streitigkeiten liegen. Die vertane Chance fällt nur aus einem Grund öffentlich nicht sofort ins Auge: Die übrigen deutschen Autohersteller sind auch noch nicht weiter.

Dabei hat alles so gut angefangen: 2013 kommt der batterie-elektrische BMW i3 auf den Markt. Ein Jahr später folgt der i8. Mein erster Gedanke: Was für ein großartig aussehender elektrischer Sportwagen! Da der i3 ein Elektroauto ist, lag die Vermutung nahe, dass das auch für den i8 gilt. Doch der Sportwagen ist ein Plugin-Hybrid mit einem 105-kW-Elektromotor an der Vorderachse und einem 1,5-Liter-Drei-Zylinder-Benzinmotor mit 170 kW im Heck. Im Kanal zwischen Fahrer und Beifahrer stecken Lithium-Polymer-Akku-Zellen mit einem nutzbaren Energiespeichervermögen von 9,4 kWh. Der Bruttowert liegt bei 11,6 kWh. Das sind immerhin 63 Prozent mehr als in der ersten Version.

Der Akku sitzt vor, neben und hinter dem Fahrer

ORBIT Gesellschaft für Applikations- und Informationssysteme mbH, Bonn Mediengruppe RTL Deutschland GmbH, Köln

Eine rein batterie-elektrische Variante bekäme die gewünschten Leistungsdaten eines Sportwagens nicht hin, heißt es im Gespräch mit BMW-Experten. Im Sportwagen muss man tief sitzen, somit bleibt für Batterien der Raum vor, neben und hinter dem Fahrer. Aber: Bei Teslas Roadster oder dem Rimac Concept Two geht das. Mit Reichweiten zwischen 650 und 1.000 Kilometer und Beschleunigungswerten von knapp über zwei Sekunden auf 100 km/h. Der i8 Coupé benötigt dafür 4,4 Sekunden.

Aber dieser Wert ist mir herzlich egal. Im Alltag beschleunige ich selten von null auf hundert. Mir ist wichtig, dass der Wagen bei 140 km/h noch ausreichend Reserven hat, um auf 180 km/h für einen Überholvorgang zu kommen. Aber das kann ich an einem Freitag während der bayerischen Sommerferien nicht ausprobieren. Hier sind auf der Autobahn überall maximal 120 km/h erlaubt. Somit kann ich auch die Höchstgeschwindigkeit nicht austesten. Der i8 wird bei 250 km/h von der Software gedeckelt.

Das Head-up-Display zeigt an, wo abgebogen wird

Die Landstraßen sind für den offenen Roadster sowieso die bessere Alternative. Viele Kurven und dank Head-up-Display (HUD) muss ich die Augen nie von der Straße nehmen. Sowohl meine aktuelle als auch die erlaubte Geschwindigkeit sowie die Navi-Richtungsanzeigen schweben gestochen scharf vor dem Wagen. Nutze ich die Schaltwippen am Lenkrad, schaltet das HUD auf eine Gang- und Drehzahlanzeige um. Drücke ich den eDrive-Knopf, fahre ich rein elektrisch. Das funktioniert maximal für 53 Kilometer und nur bis Tempo 120 km/h.

Im Normalfall entscheidet die Software über die kombinierte Leistung beider Motoren mit zusammen 275 kW oder 374 PS. Mit 2,1 Litern Benzin und 14,5 kWh Energie bewältigt man laut Broschüre 100 Kilometer. Ordentlich hörbarer wird der Benzinmotor erst im Sport-Modus. Das Display wechselt von Blau auf Rot. Nun reagiert das Beschleunigungspedal so, wie man es von einem Sportwagen kennt. In diesem Modus geht aber nicht die komplette Leistung des Heckmotors auf die Räder, sondern lädt auch die Batterie auf. So kann ich am Zielort wieder lautlos durch die Straßen rollen.

Stauraum ist rar

Als ich vom BMW Testgelände fahre, habe ich die vollen 53 Kilometer elektrische Reichweite. An einer Schuko-Steckdose dauert eine vollständige Ladung viereinhalb Stunden. Mit der Wallbox verkürzt sich das auf drei Stunden (3,6 kW). Zuallererst öffne ich das Faltdach. Das funktioniert bis Tempo 50 und ist innerhalb von 15 Sekunden erledigt. Da das Verdeck im Heck verschwindet, bleiben nur 88 Liter Stauraum im Heck. Den meisten Platz nimmt hier bereits der Beutel mit dem Ladekabel ein. Aber hinter den beiden Sitzen gibt es ein Ablagefach mit 92 Litern Volumen. Für Supermarkteinkäufe oder einen längeren Familienurlaub ist der Wagen nichts. Es ist ein Spaß-Mobil fürs Wochenende. Damit am Montag der Nacken nicht schmerzt, gibt es eine versenkbare Heckscheibe. Auf Stufe eins hält sie die Luftverwirbelung außerhalb der Fahrerkabine.

Somit ist meine bayerische Landpartie eine komfortable Angelegenheit. Am Fahrerlebnis im Roadster als auch im Coupé gibt es nichts auszusetzen. Doch warum BMW im Sommer 2018 zu Testfahrten aller i-Modelle einlädt, bleibt mir ein Rätsel.

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