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Robert Redford: Schauspieler, Regisseur, Entdecker Amerikas - DER SPIEGEL - Geschichte

Es wäre auch eine wunderbare Filmszene: Mitte der Siebzigerjahre sitzen Robert Redford und Dustin Hoffman monatelang in den Räumen der "Washington Post", um für ihre Rollen in "Die Unbestechlichen" zu recherchieren. Die Journalisten um Bob Woodward und Carl Bernstein hatten mit ihren Enthüllungen den Watergate-Skandal aufgedeckt. Eines Tages wird eine Gruppe High-School-Schüler herumgeführt. Sie stürzen sich direkt auf Redford, einige zücken ihre Kameras. "Wartet doch", sagt ein Reporter, "da drüben sitzt der echte Bob Woodward, wollt ihr von dem nicht ein Foto machen?"

"Nein danke", sagt einer der Schüler, dreht sich um und trottet den anderen hinterher.

Das ist eine der schönen Geschichten, die Peter Hay in seinem Buch "Movie Anecdotes" gesammelt hat. Zu dieser Zeit erreichte Redford den Höhepunkt seines Ruhms als Schauspieler, mit Erfolgen wie "Der Clou", "So wie wir waren", "Der große Gatsby" oder "Die drei Tage des Condor". So überstrahlte er sogar die Leute, die letztlich Präsident Richard Nixon zu Fall brachten. Dabei spielte er nicht nur Bob Woodward, sondern hatte auch die Idee zum Film und entwickelte den Stoff. Er wollte dem damaligen Journalismus ein Denkmal setzen.

Die Kontaktaufnahme mit Woodward gestaltete sich allerdings schwierig. Erst ging der nie ans Telefon, und als Redford ihn doch erreichte, sagte er nur: "Ist gerade keine gute Zeit." Als sie sich Monate später trafen, erklärte Woodward: "Sorry, ich habe nicht geglaubt, dass das wirklich Robert Redford am anderen Ende der Leitung ist."

Einmal Europa und zurück

Wenn Bob Woodward damals Redford nicht geglaubt hat, müssen wir Zuschauer ihm nun glauben? Dies sei sein letzter Film, hat er über "Ein Gauner und Gentleman" gesagt, der heute in den deutschen Kinos anläuft. Schon der Trailer macht den Eindruck, als habe jemand die Siebzigerjahre und Redfords Leben in einen einzigen Film gepackt: dieser charmante Flirt mit Sissy Spacek, die Rolle als Ganove, den alle für einen netten Kerl halten, dieses Lachen und dieses Gefühl, dass er sich nicht festlegen lässt und immer weiterziehen muss.

"Wissen Sie, was ich mache, wenn die Tür zuschlägt? Ich springe aus dem Fenster!", sagt er. Und reitet gemächlich durch die Dämmerung. Die Schriftart im Abspann ist die gleiche wie damals auf dem Kinoplakat von "Butch Cassidy and the Sundance Kid", seinem ersten großen Erfolg im Jahr 1969. War's das jetzt wirklich?

Robert Redford wird im August 83 Jahre alt und sagt, er wolle sich wieder mehr der Malerei widmen. Malen, das wollte schon der junge Redford, am liebsten in Europa. In Los Angeles wuchs er auf, dachte aber als Jugendlicher nicht an Schauspielerei und genoss stattdessen die Streifzüge mit den Freunden durch die Nachbarschaft. Und vor allem die Ausflüge mit seiner Mutter Martha, etwa zu Opa Tot nach Texas, bei dem er schon als Fünfjähriger mit zum Angeln und auf die Jagd gehen durfte. Oder später ins Yosemite-Tal, für ihn eine Offenbarung. "Die Bereitschaft, mich jeder Art von Erfahrung zu öffnen, verdanke ich meiner Mutter", sagte Redford einmal.

Michael Feeney Callan zeichnet in seiner Biographie Redfords Weg nach - wie er mit diesem Entdeckergeist in die Welt hinauszog, als Pferdepfleger in Utah oder auf den Ölfeldern des Westens arbeitete. Nach dem Tod seiner Mutter ging Redford zunächst nach Frankreich und Italien. Er malte und studierte, nicht immer an der Uni, und kehrte nach einem Jahr heim. Trickfilmzeichner oder Bühnenmaler wollte er werden und bald wieder nach Europa zurück. Doch der "Notfallplan" - seine Einschreibung an der American Academy of Dramatic Arts - sollte sich nicht nur für Redford als Glückstreffer erweisen.

An diesem Typ kam Hollywood nicht vorbei

Er spielte erste Theaterstücke, wirkte in TV-Filmen mit und gab 1960 in "Je länger, je lieber" als Basketballspieler sein Kinodebüt. Der Film floppte, Redford wurde nicht mal im Abspann erwähnt, aber der Grundstein war gelegt. Bald konnte Hollywood an diesem gutaussehenden Typ mit lässigem Understatement und dennoch stets spürbarer Präsenz nicht mehr vorbei. Die Rollen wurden größer, nach dem ersten Erfolg "Barfuß im Park" brachte "Butch Cassidy and the Sundance Kid" an der Seite von Paul Newman den Durchbruch.

Aber zum klassischen Hollywoodstar taugte Redford nie so ganz. Ab Anfang der Sechzigerjahre hatte er sich in Utah Land gekauft, als Rückzugsort für sich und seine Familie, um dort die Natur zu schützen und eine Künstlerkolonie zu gründen - was seine Geschäftspartner oft mit Stirnrunzeln quittierten. Als Schauspieler war er nie der "Method Actor", der monatelang versessen in eine Rolle eintaucht. Redford war der Typ, der für zwei Monate seine Frau und Kinder mit zum Dreh brachte und mit seiner Leichtigkeit andeutete: Wir spielen doch hier alle nur eine Rolle. Vielleicht schaffte er es deshalb nie zum Liebling der Kritiker.

Dennoch nahm Redford seinen Job ernst, das zeigte etwa der Film "Downhill Racer" ("Schussfahrt") über einen Skirennläufer. Nach dem Dreh zu "Butch Cassidy and the Sundance Kid" war er erschöpft und nach einem Schneemobil-Unfall verletzt, wollte aber alle Skiszenen in Kitzbühel selbst spielen. "Hat der Idiot schon mal was von Versicherungsklauseln gehört? Wenn er stürzt, können wir alle nach Hause fahren", zürnte Co-Star Gene Hackman.

Zugleich drehte nicht weit weg in der Schweiz ein Team den neuen Bond "Im Geheimdienst ihrer Majestät", dort war Willy Bogner als einzig skierfahrener Kameramann im Einsatz und fiel deshalb für "Downhill Racer" aus. Redford setzte sich stark für den Film ein, bekam gute Kritiken, aber das Studio zeigte wenig Interesse - was Redfords Vertrauen in das System Hollywood nachhaltig erschütterte.

Die Unabhängigkeit als Schauspieler ließ er sich nie nehmen, wie Callan es in seiner Redford-Biographie beschreibt. Das galt schon für Details wie den Schnurrbart in der Rolle als Sundance Kid. Die Produzenten wollten ihn rasiert sehen, aber Redford bestand auf Bart: "So sahen die Outlaws im Wilden Westen nun mal aus!" Auch die Rollenauswahl bescheinigt Redford großen Entdeckergeist. Es wirkt, als habe er sein Land auch filmisch in allen Facetten ergründen wollen.

"In diesem Scheißfilm geht es doch nur um Forellen!"

Redford entschied sich für Komödien wie "Barfuß im Park", Western wie "Jeremiah Johnson", Gaunerfilme wie "Der Clou", historische Dramen wie "Der große Gatsby", Verschwörungsthriller wie "Die drei Tage des Condor", Politsatiren wie "Bill McKay - der Kandidat" oder Zeitgeist-Filme wie "Die Unbestechlichen". Stets wollte er Neues entdecken. Und konterkarierte damit den Ruf des Frauenschwarms und Sonnyboys, den Kritiker ihm nach Filmen wie "Jenseits von Afrika", "Ein unmoralisches Angebot" oder "Der Pferdeflüsterer" verpassten.

Dazu mag man sich vorstellen, wie Redford in seinem Haus in Utah über solche Klischees müde lächelt und später ein wenig durch die Gegend reitet, wie er es früher in Drehpausen schon immer getan hat. Nach "Die Unbestechlichen" nahm er deutlich weniger Rollen an, weil er als Regisseur einige Lieblingsprojekte umsetzen wollte. Als Schauspieler war ihm ein Oscar immer verwehrt geblieben, nun bescherte sein Debüt "Eine ganz normale Familie" ihm 1980 gleich einen für die beste Regie. Diese Trophäe öffnete weitere Türen.

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So wollte er unbedingt "Aus der Mitte entspringt ein Fluss" verfilmen, eine Geschichte über die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, Freud und Leid des Familienlebens und das Geheimnis der eigenen Herkunft. Ein toller Stoff für Redford, aber bei einigen Studios hieß es: "In diesem Scheißfilm geht es doch nur um Forellen!" Der erste Schnitt war viel zu modern, das Voice Over funktionierte nicht, so legte Redford selbst Stimme an. Aber am Ende floss alles zusammen, und aus der Mitte entsprang 1992 ein Film, ein höchst erfolgreicher dazu.

Redfords Unabhängigkeit strahlt auch immer noch auf das Sundance Filmfestival ab, das seit 1991 diesen Namen trägt. Zusammen mit dem Sundance Resort, einem nachhaltigen Tourismusgebiet, und dem Sundance Institut zur Förderung unabhängiger Künstler hat er längst dafür gesorgt, dass sein Entdeckergeist auch in anderen Köpfen herumspukt. Im Kino hielten die Zuschauer schon die Solo-Performance in "All is lost" 2013 für einen würdigen, spannenden Abschluss seiner Schauspielkarriere. Aber dann folgten weitere Filme, und jetzt bezirzt er in "Ein Gauner und Gentleman" noch einmal Sissy Spacek.

Das war's dann? Wenn Robert Redford es sich nicht noch mal überlegt.

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