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BGH: Steuerzinsen ab 2014 verfassungswidrig

Die Entscheidung gilt für Steuernachzahlungen wie für Steuer-Erstattungen. Der Zinssatz von sechs Prozent sei „evident realitätsfern", so die Richter des BGH.


(db finanzwelt 2021-08-18) Die hohen Steuerzinsen von sechs Prozent im Jahr seien in der anhaltenden Niedrigzinsphase seit 2014 verfassungswidrig. Das gelte für Zinsen auf Steuernachzahlungen wie bei Steuer-Erstattungen, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (BGH) mit. Es ordnete sogar eine rückwirkende Korrektur an, die alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 betrifft. Der Gesetzgeber hat für die Neuregelung bis 31. Juli 2022 Zeit. (Az. 1 BvR 2237/14 u.a.)


Die Zinsen vom Finanzamt gibt es bei der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Sie werden fällig, wenn sich eine Steuernachzahlung oder -erstattung um mehr als 15 Monate verzögert. Im ersten Fall profitiert das Finanzamt, im zweiten sogar der Steuerzahler. Die Höhe liegt seit Jahrzehnten unverändert bei sechs Prozent.

In der historischen Niedrigzinsphase nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 war bei den Zinsen eine oft kritisierte Schieflage entstanden. Ursprünglich sollten die Zinsen potenzielle Gewinne ausgleichen, die in dieser Höhe am Kapitalmarkt derzeit aber nicht mehr zu erzielen sind.


Da die Karlsruher Entscheidung die Erstattungen umfasst, werden Steuerzahlerinnen und -zahler in einigen Fällen von der BGH-Entscheidung nicht profitieren. Wer nachzahlen musste, dürfte aber einen Teil der Zinsen zurückbekommen. Wer vom Finanzamt aber zu viel gezahlte Steuern zurückerhalten hat, wird eventuell die Verzinsung teilweise zurückzahlen müssen.


Für die Zeit von 2014 bis 2018 beließen die Richterinnen und Richter des Ersten Senats die beanstandete Vorschrift in Kraft. Hier sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen. In den Jahren bis 2013 waren die allgemeinen Zinsen schon niedrig. Damals sei der starre Zinssatz aber „noch in einem rechten Verhältnis" gewesen, hieß es. Spätestens seit 2014 sei er dann aber „evident realitätsfern".


Auch der Bundesfinanzhof hatte 2018 die Verfassungsmäßigkeit der hohen Zinsen infrage gestellt. Wegen dieser Entscheidungen und der unklaren Rechtslage haben die Finanzämter die Zinsen seit Mai 2019 nur noch vorläufig festgesetzt. Das heißt, die Bescheide können nun nachträglich geändert werden. Außerdem hatten die Behörden in bestimmten Fällen vorläufig auf das Eintreiben der Zinsen verzichtet.


Beim BGH hatten zwei Unternehmen geklagt, die in der Folge einer Steuerprüfung Zinsen in sechsstelliger Höhe nachzahlen sollten. Weil es hier um Zeiträume zwischen 2010 und 2014 ging, hatte nur eine dieser Verfassungsbeschwerden teilweise Erfolg.

Über das Urteil des BGH dürften sich vor allem die Steuerschuldner freuen, das betrifft auch die Steuerzahler, welche sowieso in Finanznöten sind. Der BGH hat so eine zeitgemäße und gerechte Entscheidung getroffen.


Dietmar Braun (freier Fachjournalist DFJV)

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