Rudi Klausnitzer: Die Veränderungen, die Big Data für viele Lebensbereiche bringen wird, die Chancen, aber auch die Gefahren, sind so weitreichend, dass wir uns alle mit dieser Entwicklung beschäftigen sollten. Auch wenn wir, so wie ich, mit Mathematik und Statistik nichts am Hut haben. Nur wenn wir verstehen, was da auf uns zukommt, werden wir die Chancen nützen können.
Werbeplanung.at: Aus der Sicht eines Nicht-Mathematikers, Nicht-Statistikers und Nicht-Informatikers: Was verbirgt sich hinter dem Begriff "Big Data" und wieso ist es so relevant?Rudi Klausnitzer: Unter Big Data versteht man Datenvolumina, die bis dato mit herkömmlichen Mitteln nicht verarbeitbar waren. Volumen, Geschwindigkeit und die Unterschiedlichkeit der Datenformate sind die wichtigsten Kennzeichen. Der Begriff Big Data ist aber vielleicht etwas irreführend, denn es geht nicht nur um das Volumen. Es geht darum, aus der ungeheueren Datenflut, die wir jeden Tag mit all dem was wir tun, produzieren, möglichst in Echtzeit relevante Informationen, also Smart Data zu gewinnen, mit dem dann Prognosen und Simulationen erstellt werden können, die uns helfen, die immer komplexeren Systeme unserer Welt verstehen und besser managen zu können.
Werbeplanung.at: Bleiben wir zunächst beim Titel Ihres Buches: Wie macht Big Data uns und unser Leben vorhersehbar? Wie merken wir das bereits in unserem täglichen Leben?Rudi Klausnitzer: In Stockholm konnte der Verkehrsfluss im Strassenverkehr durch Big Data-Anwendungen signifikant verbessert werden, in Berlin werden im Rahmen des "Onkolyzer"-Projektes, einer Big Data-Anwendung, mit der Krebspatienten effektiver behandelt werden können. In Duisburg hätte man vermutlich die Loveparade-Katastrophe verhindern können. Die Supermarktkette Target in den USA kann aus der Auswertung der Einkäufe prognostizieren, ob eine Frau schwanger ist und wann sie ihr Baby kriegen wird. Unser Navi führt uns sicher von A nach B, sagt uns voraus, wann wir ankommen und empfiehlt uns Ausweichrouten, wo notwendig. Big Data wird uns "Navis" für viele Lebensbereiche bringen und uns helfen, unliebsame Zufälle auszuschalten.
Werbeplanung.at: Wo liegt der große "Business Value" beim Arbeiten mit großen Daten? Was kann man im unternehmerischen Sinn damit verändern?Rudi Klausnitzer: Unternehmen werden besser prognostizieren können, wie sich Nachfrage und Kundenbedürfnisse ändern. Bei der Schnelligkeit, mit der Geschäftsprozesse abgewickelt werden und sich auch in ihrem Ablauf verändern, sind Prognose und Simulation die einzigen Mittel, sich entsprechend vorzubereiten. Unser klassisches "Erfahrung sammeln" wird zu langsam sein. Der Wettbewerb wird lauten "Unternehmen, die wissen - gegen Unternehmen, die raten!" Big Data wird zu diesem Vorabwissen beitragen können. Supermarktketten sparen schon heute Millionen durch Einsatz von Prognosemodellen im Frischware-Bereich. Die richtige Ware im Regal verhindert Abfall. Die lückenlose Analyse aller Daten aus den Geschäftsprozessen eröffnet neue Lernerlebnisse und kann in Echtzeit in den Produktionsprozess zurückgespielt werden. Das ist das, was ich im Buch den "Smart Data Feedback Loop" nenne.
Werbeplanung.at: Neue Tätigkeitsfelder brauchen neue Berufsbilder. Eines davon ist der Data Scientist. Dieses Jobprofil ist in Österreich noch dünn gesät. Welche kulturellen Shifts braucht es in Österreich, damit ein neues Verständnis im digitalen Bereich entstehen kann?Rudi Klausnitzer: "Wachsam gegenüber den Gefahren, aber offen für die riesigen Chancen, die sich bieten", habe ich im Buch geschrieben. Wir nähern uns noch immer mit einem Fokus auf die Gefahren, ohne gleichzeitig die Chancen im Visier zu haben. Wir brauchen den Fokus auf dieses Thema im Bereich der Ausbildungseinrichtungen - wo uns noch weitgehend die adäquaten Angebote fehlen -, aber wir brauchen auch in der allgemeinen Bevölkerung ein Grundverständnis für diese Entwicklung. Wir müssen junge Menschen motivieren, sich in diesem Bereich zu betätigen, wir müssen Startups fördern, die sich mit Big Data-Anwendungen auseinandersetzen möchten.
Werbeplanung.at: Im Bereich eGovernment und Open Data gibt es bereits erste innovative Vorstöße bei der Bearbeitung und Visualisierung von freigegebenen Daten. Wie geht es weiter, was können wir uns in den nächsten Jahren erwarten?Rudi Klausnitzer: Österreich ist auf diesem Sektor immerhin schon aktiv und nicht ganz so restriktiv wie manche andere Staaten. Gerade im Bereich eGovernment waren wir relativ früh dran, jetzt müssen wir, was Open Data und Transparenz angeht, nachziehen. Das Verständnis von "Amtsgeheimnis", das wir noch immer haben, ist anachronistisch. Ich hoffe, dass dem gläsernen Bürger in den nächsten Jahren der gläserne Staat folgen wird.
Werbeplanung.at: Worin liegt denn jetzt die große Veränderung. Was sind die Punkte, die das Arbeiten mit "Big Data" so entscheidend machen?Rudi Klausnitzer: Die große Veränderung liegt im Umstand, dass uns jetzt Technologien zur Verfügung stehen, die uns die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen möglich macht, ohne dass wir zuerst in riesige Serverfarmen à la Google investieren müssen. Und dass uns die Analyse-Tools auf Plattformen bereitgestellt werden, die für jedermann zugänglich sind. Big Data goes Laptop, das ist die große Veränderung, die in ihren Auswirkungen der Einführung des Personal Computers gleichkommen wird.
Werbeplanung.at: Sie schreiben von einem New-Data-Deal, das stark ins Thema Datensicherheit und Urheberrecht geht. Was ist das Ziel von diesem Fünf-Punkte-Programm?Rudi Klausnitzer: Wenn wir nicht zu einer neuen, globalen Verfassung für den Umgang mit Daten kommen, wird die Datenschutzfrage zu ungeheuerer Polarisierung in unserer Gesellschaft führen. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass unsere persönlichen Daten geschützt sind und wir die Verfügungsgewalt behalten. Nur dann werden wir die Zustimmung zur Verwendung anonymisierter Daten für wirtschaftliche und wissenschaftliche Zwecke auf breiter Basis erhalten. Und die ist notwendig, um die positiven Chancen auch realisieren zu können. Und das auf einer möglichst chancengleichen Basis. Es darf nicht sein, dass das zum exklusiven Spielfeld der großen und mächtigen Datenkonzerne wird.
Werbeplanung.at: Worin sehen Sie die großen Chancen, aus großen Datenmengen zu lernen? Worin liegt der Vorteil für die Menschen, und wo gilt es aufzupassen?Rudi Klausnitzer: Die großen Chancen liegen in der besseren, effektiveren Steuerung unserer gesellschaftlichen Systeme. Es wird kaum einen Bereich geben, der nicht davon profitieren wird können. Die öffentliche Verwaltung genauso wie unser Gesundheitssystem, aber auch die Wirtschaft, durch neue Produkte und Dienstleistungen. Wie ich schon sagte, wird dies aber nur möglich sein, wenn wir die damit verbundenen Gefahrenen en Griff bekommen. Aber ich bin optimistisch, denn wir haben das auch bei Entdeckungen wie den Röntgenstrahlen geschafft und mit dem Ess-Besteck bringen wir uns auch nicht gegenseitig um, obwohl das theoretisch möglich wäre, sondern verwenden es vorrangig zum Essen.
Werbeplanung.at: Für wen ist Ihr Buch eigentlich geschrieben?Rudi Klausnitzer: Für alle, die einen Blick auf die Zukunft machen und wissen wollen, wie sie davon profitieren können. Die Big Data Zukunft wird stattfinden - mit uns oder ohne uns!
Rudi Klausnitzer „Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht" Verlag ecowin, Wien 2013, 232 Seiten, 21,90 Euro, ISBN 978-3-7110-0040-8