neuwal (Dieter Zirnig): Schönen guten Tag. Heute im neuwal-Hangout Angelika Mlinar, Spitzenkandidatin der NEOS für die EU-Wahl 2014: NEOS kennt man ja auf nationaler Ebene, ganz kurz zusammengefasst, für was steht NEOS?
NEOS - Das neue Österreich und Liberales Forum ist eine liberale Bürger_Innenbewegung mit einer ganz klar proeuropäischen Ausrichtung. Das ist das, was uns von Anfang an ausgezeichnet hat.
Angelika Mlinar: Wir sind ja mit dieser klar proeuropäischen Ausrichtung bereits in den Nationalratswahlkampf gegangen, zur großen Verwunderung vieler Beobachterinnen und Beobachter. Aber wir haatten Erfolg und mit diesem Schwung gehen wir auch in die Europawahl.
Europa ist das Stichwort. NEOS ist in die ALDE eingegliedert. Wofür steht die ALDE und wie kann man sich die Verbindung ALDE und NEOS genau vorstellen?
Die ALDE ist die Allianz der Liberalen und Demokraten auf europäischer Ebene, früher war es die ELDR. Die haben sich umbenannt. Und das Liberale Forum war ja immer schon von je her Mitglied dieser ALDE-Partei. Das ist eben die Verbindung der europäischen liberalen Parteien. Und nachdem wir am 25. Jänner 2014 eine Fusion durchgezogen haben und wir jetzt eben eine gemeinsame Partei sind, war es notwendig, diesen Antrag neu zu stellen.
Es gibt ja Parteien in Österreich, die in keine europäische Fraktion eingegliedert sind. Was ist denn der Unterschied, was ist der Vorteil von einer europäischen Partei und einer Fraktion?
Na ja, es funktioniert eigentlich ziemlich ähnlich diesbezüglich wie auf nationaler Ebene. Es ist grundsätzlich einfacher und auch der normale Weg, in einem Parlament Teil einer Fraktion zu sein. Natürlich gibt es freie Mandate sozusagen, also Mandatarinnen und Mandatare, die nicht eingegliedert sind. Aber um eine politische Ausrichtung auch tatsächlich zu kreieren und auch Inhalte zu transportieren und dann auch in Gesetze umzulegen, ist es natürlich der bessere Weg, wenn man in einer Fraktion, wenn man Teil dieser Fraktion ist.
Wie schaut denn bei euch die Kandidatenliste aus. Es hat ja Vorwahlen gegeben. Ganz kurz einmal skizziert, wie ist das abgelaufen?
Wie schon bei der Nationalratswahl ist NEOS diesen Weg auch bei den Europawahlen gegangen. Wir hatten offene Vorwahlen, das bedeutet, jede/jeder der in Österreich lebt, weil da ist ja nicht einmal die Staatsbürgerschaft für die Europawahl ausschlaggebend, sondern der Wohnsitz und eben die europäische Staatsbürgerschaft, konnte sich bewerben. Und wir hatten über 70 Bewerberinnen und Bewerber mit einer kurzen Präsentation. Das war im Rahmen der ersten Vorstellungsrunde in Salzburg am 7. Dezember 2013. Dann wurden alle diese Bewerberinnen und Bewerber online gestellt und man konnte wählen. Also mit 5 Punkten kann jeder/jede wählen. Das war das erste Auswahlkriterium, das erste Auswahlverfahren. Dann kam der Vorstand, der gewählt hat und sich positioniert hat, eben auch wieder mit 5 Punkten. Und dann eben bei der Mitgliederversammlung am 15. Februar das endgültige Votum. Und das Resultat dieser 3 Wahlvorgänge ist eben jetzt die Kandidatenliste.
Und bei dieser Kandidatenliste gehen Sie jetzt als Nummer 1 und als Spitzenkandidatin hervor. Mit welchen politischen Ideen gehen Sie jetzt in den Wahlkampf und was wollen Sie in Europa jetzt verändern?
Ja, wir sind wie gesagt die einzige wirkliche Pro-Europa-Partei in Österreich. Unser Ziel ist es, Europa enkelfit zu machen. Wir möchten ein Europa für die nächste Generation kreieren.
Da gibt es 3 Punkte dazu:
Das ist der Bereich Bildung. Wir sind konfrontiert mit einer Situation einer Jugendarbeitslosigkeit, die wir europaweit in den Griff bekommen müssen. Bildung ist diesbezüglich ein unglaublich wichtiger Bereich und ein wichtiges Thema. Wir haben ja in Österreich ein sehr gut funktionierendes duales Ausbildungssystem. Das funktioniert in Deutschland und Österreich sehr gut, das ist die Basis für unsere wirtschaftliche Stabilität und das ist etwas, dass man als best practice auch in andere Länder exportieren kann und dadurch Wohlstand schaffen. Zweiter Teil dabei ist es das Erasmusprogramm. Das bedeutet Austauschprogramme, die müssen ausgebaut werden. Das bezieht sich auf Schülerinnen und Schüler, Studierende, aber vor allem auch auf Lehrlinge. Und seien es nur 1-3 Monate. Das müssen nicht immer Jahre sein. Der zweite Bereich, um Europa enkelfit zu machen ist der Schuldenabbau. Das muss auf den nationalen Ebenen passieren und da ist Österreich keine Ausnahme. Wir müssen die Schulden abbauen, weil das schlichtweg unverantwortlich der jungen Generation gegenüber ist.
Und unsere Bereiche oder wie wir das sehen, was reformbedürftig ist, ist klar: das ist das Pensionssystem, das muss reformiert werden und das ist die Verwaltung.
Und der dritte Bereich, der uns in Bezug auf ein Europa, das für die nächste Generation fit gemacht ist, irrsinnig am Herzen liegt, ist ein unternehmerisches Europa. Wir brauchen mehr Start-Ups, wir brauchen diesen Grundoptimismus, dass Menschen ihr Leben so leben, so gestalten, wie sie das selber wollen. Und das ist mittel- und langfristig nur dann möglich, wenn wir einen größeren Unternehmergeist haben und mehr auch auf diese Art in Szene setzen.Wir brauchen eine Institutionenreform. Wir stehen für einen BürgerInnenkonvent, wir müssen uns trauen über eine neue Verfassung unter breiter Einbeziehung der Bevölkerung abzustimmen. Und die Vision, die wir von Europa haben, die ist ein Europa der Vereinigten Staaten von Europa und das ist natürlich eine vertiefte europäische Union mit klaren Kompetenzen im Vereich gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, klare Kompetenz im Bereich Asyl und Migration. Und wir brauchen ein gemeinsames, starkes Datenschutzrecht. Ein urliberales Anliegen, Ihre Daten gehören Ihnen, meine Daten gehören mir und das gehört geschützt. Das ist in einer kurzen Zusammenfassung das große Programm, das wir eigentlich haben.
Woran würden Sie jetzt konkret merken, dass Sie mit diesen Ideen auf europäischer Ebene Erfolg haben?
Ganz konkret würden wir das merken, wenn wir wirklich einen guten Wahlerfolg aus dieser Wahl erzielen. Weil wir sind jetzt mittlerweile schon von ausländischen Medien wahrgenommen worden, weil wir eine so klar positionierte proeuropäische Partei sind und die auch noch Rückenwind und Erfolg hat.
Es ist der Begriff andere Parteien gefallen. Worin grenzen sie sich von den anderen Parteien ab beispielsweise?
Also ganz konkret grenzen wir uns einmal dadurch ab, dass wir diese extreme Schmutzkübelkampagne, die jetzt da irgendwie über uns niederbricht, dass wir der etwas Positives entgegensetzen. Wir werden unseren Stil nicht ändern, wir sind dafür auch in den Nationalrat gewählt worden, unser Credo war neuer Stil, neue Köpfe, neue Politik. Und das werden wir auch so weiterführen. Auch wenn uns die ÖVP so attackiert, wie sie uns attackiert, auch wenn uns die Grünen wirklich unfair angreifen, haben wir einen Videofilm gemacht, wo wir uns auch bedanken sowohl gegenüber der ÖVP als auch gegenüber den Grünen. Für alles, was sie erreicht haben auch für dieses Land. Aber warum es uns jetzt braucht: wir brauchen einen neuen Schub und wir brauchen auch eine - so etwas wie eine - Rekalibrierung. Weil genau diese Art von politischer Auseinandersetzung, die letztlich so persönlich wird, das ist nichts wofür wir stehen. Und wir werden uns nicht darauf einlassen.
Woran würde es denn die österreichische Bevölkerung merken, dass Sie mit Ihrer neuen Politik auf europäischer Ebene Erfolg haben? Schauen wir einmal ein paar Jahre voraus.
Wenn sich der Zugang Österreichs, sich das Bewusstsein in der Bevölkerung verändert und wenn die Menschen wieder spüren, dass sie eine Chance haben.
Dass diese Europäische Union ein Projekt ist, das eine Chancengemeinschaft ist und dass es tatsächlich um sich greift und dass es nicht nur für mich persönlich etwas war, dass mein Leben, sowohl mein berufliches als auch privates und politisches verändert hat, sondern für viele andere auch, dann haben wir wirklich einen großen Erfolg hingelegt. Das ist etwas was mir persönlich extrem am Herzen liegt, dass ist der große, große Erfolg. Dieses Gefühl, dass man sich als Politikerin hinstellt und etwas proaktiv, nämlich positiv propagiert, dass ist das was uns eigentlich wirklich ausmacht.
Um ein Gefühl zu bekommen, wie Sie die EU momenten sehen. Was läuft denn gut?
Es läuft vieles gut. Und wir haben auch diese Finanzkrise letztlich gemeistert, trotz aller Schwierigkeiten und Probleme und der großen Diskussionen, die wir hatten. Wir mussten den Euro retten und gleich die ganze Europäische Union dazu. Das ist teilweise gut gelungen, teilweise sind Fehler passiert. Stichwort Griechenland. Da war die Politik, die Griechenland aufoktruiert worden ist, wohl nicht ganz die richtige, aber das war auch eine wirkliche Ausnahmesituation. Würde man immer alles im Vorhinein wissen, was passiert, würde man anders agieren, aber das Leben ist so nicht. Im Großen und Ganzen ist die Europäische Union ein wirkliches Erfolgsprojekt und ich nenne sie auch immer eine politische Kulturleistung der Menschheit, weil es das erste Mal ist, überhaupt in unserer Menschheitsgeschichte, dass sich Staaten friedlich zusammenschließen um eben auf Basis von Verträgen miteinander zu kooperieren. Und auf Basis von Handel und Werten sich gemeinsam weiter zu entwickeln, und nicht auf Basis von irgendwelchen kriegerischen Auseinandersetzungen.
Machen wir einmal einen Ausblick auf Europa in der Zukunft. Ganz kurz, in ein paar Sätzen. Wie schaut Europa in zehn Jahren aus?
Unsere Vision wäre eben, wir trauen uns über einen Verfassungskonvent.
Das bedeutet einen BürgerInnenkonvent unter breitester Einbindung der Bevölkerung. Wir diskutieren, wie wollen wir diese Europäische Union ausgestalten?
Welche Rolle wollen wir spielen in 20-30 Jahren? Nicht nur auf unserem Kontinent sondern weltweit. Unsere Vision ist klar. Wie gesagt, ich stehe für die Vereinigten Staaten von Europa, mit einem großen Demokratieschub. Wir haben ein kleines Demokratiedefizit im Moment, das muss behoben werden. Das Europäische Parlament spielt eine ähnliche Rolle, wie das Parlamente auf nationaler Ebene spielen. Wir haben einen Kommissionspräsidenten/eine Kommissionspräsidentin, die direkt gewählt ist, die sucht sich ihre Minister, ihre Kommissare, Kommissarinnen, wie eine echte Regierung das eben auch tut mit einem Hearing vor dem Parlament, vor dem europäischen. Und wir haben eine zweite Kammer, das ist die nationale Kammer, wo eben gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsstaaten sitzen. Das ist unsere Version.
Es ist der Begriff gefallen "Vereinigte Staaten von Europa". Welche Rolle hat da Österreich? Wie schaut das - angenommen es kommt zu so etwas - aus?
Eine starke Rolle. Die Rolle, die man spielt, das entscheidet immer die Gruppe selbst. Österreich könnte auch jetzt eine viel stärkere Rolle spielen und ganz ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum Österreich das nicht tut. Wir haben am meisten profitiert von der EU-Osterweiterung, einfach aufgrund unserer geographischen Lage, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer sehr erfolgreich agiert haben in diesen Ländern, und nach wie vor agieren. Wir haben ein strategisches Interesse hier eine Brückenfunktion zu spielen. Das macht Luxemburg vis-a-vis Frankreich und Deutschland, das macht auch Holland vis-a-vis Deutschland und der skandinavischen Ländern und Österreich kann das auch spielen.
WordrapWas hindert Österreich momentan daran?
Das müssen Sie die Regierung fragen. Mir ist das wirklich schleierhaft, aber wir haben schlichtweg keine aktive, proaktive Außenpolitik und eben auch keine proaktive europäische Politik. Wir haben keine Agenda in diesem Bereich und das ist eine Katastrophe.