Das Problem ist deutlich größer, als dass es mit ökologischer Ernährung, Fleisch- und Flugverzicht gelöst sei. Seit mehreren Monaten werden wir auf allen möglichen Kanälen mit Konsumkritik überschüttet. Penibel wird vorgerechnet wie groß der CO² Fußabdruck ist, den jede*r Einzelne hinterlässt. Der Aufruf lautet: Beugt euch der Logik des Marktes, der wird es schon regeln. Doch nicht der Konsum bestimmt wie der Kapitalismus funktioniert. Das bestimmt er selbst: Wo es Produktionsmittel und Reichtum anzuhäufen gibt, taucht er zwangsläufig irgendwann auf und das gilt global.
Er produziert dabei permanent nur Ungerechtigkeiten, wie eben auch den Klimawandel. Natürlich kann man moralisch an den Einzelnen appellieren. Es ist aber keine politische Veränderung. Wer weniger Fleisch kauft, mag vielleicht ein reineres Gewissen haben. Das einzige Resultat daraus ist aber, dass dann noch mehr Fleisch weggeschmissen wird. Ein ähnliches Prinzip gilt beim Fliegen. Nur weil 10 000 Leute weniger in einige Flieger steigen, wird der Klimawandel nicht aufgehalten. Der Flieger hebt meistens trotzdem ab, weil der Kapitalismus es auch profitabel macht, wenn die Maschine nicht voll besetzt ist. Und das CO² wird trotzdem in die Atmosphäre geballert.
Wer den Kapitalismus versteht, weiß zudem, dass man sich Konsumkritik leisten können muss. Günstige Nahrungsmittel gibt es meistens in Plastik verpackt. Von Hartz IV-Empfänger*innen, alleinerziehenden Eltern, chronisch kranken Menschen oder in Altersarmut lebenden Reinigungskräften zu erwarten, dass sie nun im Unverpackt-Laden für Unsummen ihr Müsli kaufen, dass sie beim Discounter viel günstiger bekommen, zeigt, dass die Konsumkritiker*innen weder den Kapitalismus, noch seine Wirksamkeit auf den Klimawandel verstehen.
Prekäre Lebensbedingungen sind keine Randerscheinung des Kapitalismus, genauso wenig wie der Klimawandel. Wenn RWE über Jahrzehnte hunderte Milliarden Euro über den Abbau von fossilen Brennstoffen verdienen kann, obwohl wir nie so viel Strom benötigen, es aber trotzdem profitabel ist, dann liegt der Fehler im System. Nicht zuletzt passiert das auf Kosten der Menschen, die schon heute in anderen Teilen der Welt um ihre Lebensgrundlage fürchten. RWE stößt mit dem Abbau der Braunkohle Millionen Tonnen CO² aus, während Bewohner*innen der Fidschi-Inseln wegen des steigenden Meeresspiegels bereits weiter ins Landesinnere ziehen. Auch diesen Menschen hilft Konsumkritik nicht weiter.
Wer den Klimawandel wirksam bekämpfen will, muss die Produktionsverhältnisse verändern und verstehen, dass die Lösung für ein gutes Leben für alle nicht im Kapitalismus liegen kann. Wenn die Produktionsmittel in wenigen Händen liegen, entscheiden sie, wie die Produktion möglichst viele Gewinne für sie abwirft. So lange es den Kapitalismus gibt, werden Menschen so entscheiden - und weil das günstiger sein wird als jede CO² Steuer teuer sein kann, werden sie genau das auf die Leute abwälzen, die ohnehin schon prekäre Lebensbedingungen haben. Das haben sie mit den Konsumkritiker*innen gemeinsam.