Veronika Kracher: Puh, ja. Am Dienstag habe ich getwittert, dass es total legitim ist einen AfD-Politiker (Anm. d. Red.: Frank Magnitz) zu verprügeln, weil Nazis auf allen Ebenen bekämpft werden müssen. Martin Sellner, der Chef der Identitären Bewegung und Abitur-Nazi, hat das dann auf seinen Kanälen geteilt. Er hat den kompletten Facebook- und Twitter-Nazimob auf mich gehetzt. Es ist ein Shitstorm, der derzeit in nicht endenden Morddrohungen und Vergewaltigungsdrohungen mündet. Das ist nicht schön.
Kracher: Frauen werden auf eine ganz besonders eklige Art und Weise angegriffen, vor allem von Männern. Es ist in der Neuen Rechten so, dass Feminismus ein explizites Feindbild ist und dass Feministinnen angegriffen und fertig gemacht werden müssen, um die narzisstische Kränkung in der Männlichkeit, die für solche Männer der Feminismus darstellt, wieder gut zu machen. Eine Feministin muss extra in die Schranken gewiesen werden, weil sie sich der patriarchalen Geschlechterordnung widersetzt, die diese Leute verstärkt wiederherstellen wollen.
Kracher: Dass sich das Internet als Schlachtfeld etabliert hat, hat sich im Wahlkampf von Trump gezeigt, wo bei 4Chan oder Reddit Trolle mobilisiert wurden, die aktiv Fake News verbreitet haben. Gerade bei der Neuen Rechten wird das Internet als dezentraler Ort zum Austausch genutzt. Es ist ein Ort um Propaganda zu verbreiten, wo sie auch Leute, besonders Frauen, bedrohen können. Das geht alles ganz bequem vom Schreibtischstuhl aus. Durch Twitter, Boards wie Reddit oder Meme-Seiten werden junge Leute in diesen Dunstkreis hinein gezogen.
Kracher: Inzwischen hat der Macher von Pepe ihn im Cartoon sterben lassen, weil er sich massiv an den ganzen Alt-Right Menschen gestört hat. Die haben dann ein noch rassistischeres Frosch-Meme entworfen, dass Groyper heißt, was sich auf Trumps ‚Grab them by the pussy' bezieht. Der Ursprung liegt in einer Kränkung durch den Spätkapitalismus, also permanent auf die eigene Unbedeutsamkeit hingewiesen zu werden. Bei jungen Männern kommt dazu, dass es eine Krise der Männlichkeit gibt, auch durch den erstarkenden Feminismus, weil sie sich nicht mehr so fühlen als wären sie the cream of the crop, sondern erfahren dass die eigene männliche Identität etwas zu kritisierenswertes ist. Anstatt das zu reflektieren, ist der Rückfall in die narzisstische Kränkung für sie viel legitimer. Es ist einfacher sich auf Schwächere, Marginalisierte zu stürzen als die Verhältnisse zu bekämpfen, in denen eine regressive Geschlechterideologie herrscht und in denen ein permanenter Klassenkampf von oben geführt wird.
Kracher: In Subreddits oder auf Twitter wird behauptet, man tausche sich aus, diskutiere miteinander, aber eigentlich besteht deren Austausch nur darin wie genau ‚die Juden' jetzt die Medien kontrollieren würden. Das funktioniert auch auf einer psychologischen Ebene. Man wird permanent in der eigenen Position bestätigt, fühlt sich deswegen aufgewertet und erfährt keine Kritik. So entsteht ein Männerbund der andere abwertet.
Kracher: Ich würde nach Raewyn Connell von hegemonialer und komplizenhafter Männlichkeit sprechen, also den Männern die am ehesten dem gesellschaftlichen Bild von ‚Mannsein' entsprechen und davon profitieren, und deren unkritische Steigbügelhalter, die diese Männer und somit patriarchale Strukturen unterstützen, weil sie nun einmal lieber Teil des Männerbundes sind statt dessen Kritiker. Männlichkeit fußt auf der Abwertung des Weiblichen. Ralf Pohl analysiert in seinem Werk Feindbild Frau, dass der Junge von Anfang an dadurch gekränkt ist, dass er von einer Frau abhängig ist. In patriarchalen Verhältnissen, die uns von klein auf beigebracht werden, darf der Mann nicht von einer Frau abhängig sein. Ganz platt formuliert müssen Frauen dafür bestraft werden, dass der Mann von einer Frau abhängig war, sich sexuell zu ihnen hingezogen fühlt und die Bestätigung von Frauen möchte. Da befindet sich der Mann mit sich im Widerspruch. Das ist die permanente Abwertung des Weiblichen.
Kracher: Wir können das sehr gut an dem ablesen, was mir gerade passiert. Dass Männer sich im Mob auf mich als Frau stürzen. Wenn eine Frau beleidigt wird, dann wird sie nicht als Mensch beleidigt, sondern als Frau, dann wird sie auf ihr Aussehen reduziert, ihr wird Vergewaltigung angedroht, ihr wird gesagt ‚dich will doch eh keiner ficken', oder ‚du musst mal richtig durchgefickt werden, dann kommst du nicht auf solche dumme Gedanken.'
Kracher: Die geht damit einher. Wenn man einer Frau sagt, sie müsse mal richtig durchgefickt werden, damit sie richtig im Kopf ist, impliziert das: ‚Ich bin der, der dich richtig im Kopf machen kann, weil ich ein Mann, weil ich rational bin und die Kraft habe, qua meines Penisses, dir Gewalt anzutun.'
Kracher: In der Tat ist dem so. Ich habe das Breivik-Manifest in Auszügen gelesen. Er ist eine große Gallionsfigur für die Neue Rechte. Dort schreibt er, Schuld an allem sei der kulturelle Marxismus, das ist ein Codewort für ‚die Juden'. Frauen selber könnten demnach gar nicht alleine auf die Idee kommen sich befreien zu wollen und deshalb müssen die Juden, die Frauen als Bäuerinnen auf dem Spielbrett benutzen, um die weiße Rasse abzuschaffen. Männer würden durch gendersensible Erziehung entmannt. Dem zu Folge können Männer nicht mehr dafür sorgen, die weißen Frauen vor den Flüchtlingen zu beschützen, die ja angeblich von den Juden gesteuert ins Land gebracht werden. Der Flüchtling vergewaltigt dann die weiße Frau und das ist der Untergang der weißen Rasse. Die Umvolkungsthese der Neuen Rechten klingt total wahnhaft und das liegt daran, dass es eben eine wahnhafte Verschwörungstheorie ist.
Kracher: Das kommt drauf an, wie sie gelöst wird. Das Problem ist, dass die Krise der Männlichkeit innerhalb der herrschenden Verhältnisse, in denen Männlichkeit in der konsequenten Abwertung des Weiblichen basiert, sich negativ artikuliert. Wäre es eine Krise des Männlichen, die sich progressiv artikuliert, in dem man sagt: ‚Wow, dieses Patriarchat schadet auch uns', dann wäre das super. Dem ist aber nicht so. Wir haben eine Verflechtung von Ökonomie und Ideologie im patriarchalen Kapitalismus. Nach wie vor besitzen Männer die Produktionsmittel und Frauen machen einen Großteil der Reproduktionsarbeit. Die Krise der Männlichkeit speist sich auch daraus, dass Männer Angst haben Privilegien zu verlieren, weil andere sie einfordern. Ich will denen ihre Privilegien aber nicht wegnehmen, sondern sage, dass ich die auch haben will. Ich will auch als Subjekt anerkannt werden, aber für diese Typen übersetzt sich das mit: ‚Mir geht es an die Eier.'
Kracher: Männer glauben das, weil sie sich darüber definieren keine Frauen zu sein. Ich möchte, dass sie erkennen, dass sie ohne dieses zweigeschlechtliche Korsett keine mehr Männer sein müssen, sondern freie Menschen, die nicht zugerichtet sind von einem Zwang hart und stark zu sein. Für diese Männer bedeutet das aber, dass sie ihre Identität aufgeben müssten. Damit zu brechen, ist schwierig, aber genau das möchte ich. Sie sollen für sich etwas entdecken, was darüber hinausgeht, was solidarisch, liebevoll ist. Es ist als Feministin nicht meine Aufgabe ihnen das abzunehmen, ich hab genug eigene Eisen im Feuer. Ich denke aber, dass es wichtig ist, dass sie ihre Männlichkeit radikal hinterfragen. Das wäre für einen emanzipatorischen Kampf wichtig.
Kracher: Das Problem ist, dass das schon von der herrschenden Ideologie verhindert wird. Es ist ein radikaler Schritt diesen Weg zu gehen, aber ich bewundere jeden Mann, der ihn gegangen ist.