Man feiert in Leipzig gern Jubiläen. Allein 2015 gab es davon ganze vier: die Messe, der Hauptbahnhof, die Nikolaikirche und die Ersterwähnung: Unser Leipzig ist schon 1.000 Jahre alt. Allerdings zelebrierte die DDR 1965 erst das 800-jährige Bestehen. Ist die Stadt innerhalb von 50 Jahren um 200 Jahre gealtert? Des Rätsels Lösung sind zwei Urkunden, die Leipzigs Gründung unterschiedlich datieren.
Und trotzdem: Es wirkt so, als ob die Stadt unbedingt noch einmal feiern wollte. Da verwundert es umso mehr, dass ein anderes Jubiläum scheinbar ausgelassen wurde: Vor genau 100 Jahren wurden nämlich die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) gegründet. Nach dem Megajubeljahr 2015 und der darauffolgenden Durststrecke wäre das ein idealer Anlass zum Feiern gewesen. Und doch findet dieses Jahr ein heimlicher Geburtstag statt.
Die Gründung der Leipziger Verkehrsbetriebe war eine Notlösung. Durch wirtschaftliche Probleme während des Ersten Weltkriegs fusionierten die beiden bisherigen Unternehmen Große Leipziger Straßenbahn und Leipziger Elektrische Straßenbahn im Jahr 1917. Zwei Jahre später wurden sie von der Stadt Leipzig übernommen, 1938 nannte sich der Betrieb in LVB um. Ähnlich zu Leipzigs Ersterwähnung gäbe es also auch hier genug Anlässe, zu denen die Stadt jedes Jahr feiern könnte. Leipzigs Bewohner könnten sich vor lauter Jubel-Jubiläen kaum retten.
Das Problem dabei: Jedes Geburtstagskind muss seinen Gästen - in diesem Fall den Fahrgästen - etwas bieten. Wie wäre es mit Partytrams auf allen Linien, WLAN und Bordrestaurant? Man könnte aber auch mit bescheideneren Wünschen anfangen, denn Baustellen gibt es genug: Straßenbahnen und Busse, die fünf Minuten zu früh losfahren oder einfach komplett ausfallen sowie 25 Jahre alte und unbeheizte Tatra-Wagen, die in den Kurven derart laut quietschen, als würden sie gleich entgleisen.
Vielleicht wissen die LVB selbst, dass ihr Unternehmen aktuell kein Grund zum Feiern bietet - und warten mit ihrem 100-jährigen Jubiläum deshalb noch bis 2038.
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