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Sabic - wer ist der neue Investor bei Clariant?

Sabic-CEO Yousef Abdullah Al-Benyan: Der Mann arbeitet künftig enger mit Clariant zusammen.

Der saudische Chemiekonzern Sabic ist nun grösster Aktionär von Clariant. Was haben die Saudis mit dem Unternehmen aus Muttenz vor?


Es ist die Industrie-News der Woche: Der Spezialchemiekonzern Clariant aus Muttenzist den aggressiven Grossinvestor White Tale los. Der aktivistische Investor verkauft seinen 24,99-Prozent-Anteil an den saudischen Mischkonzern Sabic, wie Clariantgestern mitteilte. Die Nachricht kam überraschend.


Denn damit hat Clariant eine Abnützungsschlacht mit der amerikanischen Investorengruppe White Tale verhindert. In den vergangenen Monaten kauften die amerikanischen Investoren schrittweise Anteile von Clariant und setzten das Management zunehmend unter Druck. Zuletzt mit der Forderung von drei Sitzen im Verwaltungsrat von Clariant. Die Amerikaner liessen vorgängig die geplante 15-Milliarden-Dollar-Fusion mit dem amerikanischen Rivalen Huntsman platzen.


Der Staatsbetrieb Sabic ist nun grösster Aktionär des Basler Konzerns; die Aktionäre aus Riadversichern, sie hätten «derzeit» keine Pläne einer Vollübernahme. «Clariant ergänzt das bestehende Spezialchemiegeschäft von Sabic und entspricht der Strategie, neue Wachstumsmöglichkeiten in der Spezialchemie zu eröffnen», sagte CEO Yousef Abdullah Al-Benyan. Heute ist Sabic im Chemiegeschäft, in der Airline-Industrie, im Agrobusiness, im Medtech und in der Bauindustrie engagiert.

Weltmarktführer in der Chemie-Industrie bis 2025

Wenn man sich die Visionen und Absichten des saudischen Konzerns genauer betrachtet, scheint Clariant das ausladende Portfolio von Sabic tatsächlich zu ergänzen. Man will die Diversifikation weiter verstärken. Im letzten Geschäftsbericht benennt CEO Yousef Abdullah Al-Benyan den tieferen Grund: «Die Rohölpreise sind um mehr als die Hälfte gesunken, die Rohstoffpreise in Saudi-Arabien gestiegen». Mit anderen Worten: Weg vom Rohstoff, hin zu veredelten Produkten. Die Ansage von Sabic-Chef Al-Benyan ist ambitiös: «Wir wollen Weltmarktführer bei Chemikalien werden». Auch der Titel dieser Expansion steht bereits: «Chemistry that Matters». Das ist ganz im Sinn des neue saudischen Machthabers Mohammed bin Salman und seiner «Vision 2030».

Grosse Visionen, grosse Mittel

Diese Ausrichtung ist bei Sabic staatlich verordnet: «Im Rahmen der Saudi Vision 2030 werden Petrochemikalien eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Wirtschaft spielen und die Veränderungen, die sich in der nachgelagerten Industrie vollziehen, berücksichtigen», steht in der Vision 2030.


Dabei unterstreicht der Machthaber, dass sich die Wirtschaft Saudi-Arabiens diversifizieren muss, auch wenn Öl und Gas die wesentlichen Säulen der Wirtschaft des Landes darstellen. «Die weltwirtschaftlichen Entwicklungen geben uns Gegenwind, wir stehen vor einer strukturellen Wirtschafsreform. Das erfordert, dass wir investieren», schreibt Salman. 

Langfristig möchte Saudi-Arabien seine Staatseinnahmen von heute 163 Milliarden Saudi-Riyal (rund 40 Milliarden Franken) aus Geschäften, die nichts mit Öl zu tun haben, auf eine Billion Saudische Saudi-Riyal (rund 240 Milliarden Franken) steigern, so die Vision 2030. Saudi-Arabien hat in den vergangenen Jahren seinen Erlös aus Nicht-Öl-basierten Geschäften um rund 30 Prozent erhöht. 

Direkt vom König

Dabei geht es einerseits um die Investition und Gründung von KMU's in Saudi-Arabien, die Produkte und Arbeitsplätze in der Petrochemie schaffen. Der saudi-arabische Staat greift bei diesen Zielen aber auch «seiner» Saudi Basic Industries Corporation kräftig unter die Arme: Das Unternehmen wird von dem «Council of Economic and Development Affairs», welches direkt dem Kronzprinzen Mohammed bin Salman unterstellt ist, unterstützt. 

Das Council ist eines von zwei Unterkabinetts des Königreichs Saudi-Arabien. Es wurde von König Salman gegründet, um den Obersten Wirtschaftsrat zu ersetzen, und wird vom Sohn des Königs Salman und Kronprinzen Mohammad bin Salman geleitet. Dieser ist auch Verteidigungsminister. 

Von Know-how profitieren

Als eines der weltweit führenden Unternehmen für Spezialchemie kann Clariant dem saudi-arabischen Staat wohl bei diesen Absichten helfen. Besonders mit ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die Energieeffizienz, erneuerbare Rohstoffe, emissionsfreie Mobilität und ein schonende Umgang mit begrenzten Ressourcen auf dem Programm hat. Die vier Geschäftsbereiche «Care Chemicals», «Natural Resources», «Catalysis» und «Plastics & Coatings» ergänzen das Portfolio von Sabic. 

Der saudische Petrochemie-Riese hofft auf eine gute Rendite für ihre Beteiligung an Clariant, der Basler Konzern wiederum kann sich Zugang zu neuen Märkten verschaffen. Sabic möchte die Kenntnisse von Clariant in der Spezialchemie abschöpfen, um andere Abhängigkeiten im Chemiebereich zu verringern.


Vom Staat gesteuert


Ohne einen schalen Beigeschmack kommt der Anteil der Saudis an dem Schweizer Konzern aber nicht: 70 Prozent der Aktien von Sabic sind im Besitz der saudi-arabischen Regierung. Sabic startete Mitte der 1970er-Jahre mit einem königlichen Erlass. Heute ist das Unternehmen in 50 Ländern tätig, beschäftigt rund 35'000 Mitarbeiter und erwirtschaftet rund 35 Milliarden Dollar Umsatz. 


Im Verwaltungsrat sitzen ausschliesslich Saudis aus der Regierung und Privatindustrie. Die vier Haupttätigkeitsfeldern «Petrochemicals», «Specialities», «Agri-Nutrients» und «Metals» von Sabic werden ebenfalls von drei Managern aus Saudi-Arabien geleitet, die Ausnahme bildet Ernesto Occhiello aus Italien, der davor bei Dow Chemical, EniChem und Montedison tätig war. 

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