2 subscriptions and 0 subscribers
Article

Jan Hojer und Yannick Flohé bereiten sich für Olympia vor - WELT

Im Jahr 2020 gilt Klettern erstmalig als olympische Disziplin. Zwei Sportler aus Nordrhein-Westfalen machen nun unter sich aus, wer einen Platz im deutschen Männerteam erhält. Nur einer darf in Tokio um den Titel kämpfen.

Jan Hojer und Yannick Flohé sprinten die 15 Meter hohe Wand nach oben. Die roten Steine, an denen sie sich festhalten, haben die Form von Vögeln. Beide Sportler schleudern sich förmlich von Griff zu Griff, nutzen ihre ganze Kraft, um so schnell es geht den Buzzer zu erreichen, den Knopf, mit dem sie die Stoppuhr anhalten. Unten stehen die Trainer, beobachten das Geschehen und geben den Athleten Tipps, wie sie ihre Leistung weiter verbessern können.

Jan Hojer braucht an diesem Tag 6,82 Sekunden an der Speed-Kletter-Wand, bis er oben angekommen ist. Yannick Flohé schafft es mit 6,83 Sekunden fast genauso schnell. Es ist der erste Tag des Trainingslagers im Kletterzentrum „Bergstation" in Hilden bei Düsseldorf. Dort bereiten sich die beiden Profi-Kletterer für den Olympia-Qualifizierungswettkampf im französischen Toulouse vor. Das ist eine der letzten Chancen, eine Teilnahme bei den nächsten Olympischen Spielen zu sichern. 2020 wird in Tokio das Klettern zum ersten Mal eine olympische Disziplin sein.

Die beiden Sportler trainieren auf dasselbe Ziel hin, aber sind doch Konkurrenten. Denn jede Nation darf maximal zwei Sportler pro Geschlecht nach Tokio entsenden. Und ein Platz ist bereits besetzt. Der Franke Alexander Megos hat sich bereits bei den Kletter-Weltmeisterschaften im japanischen Hachioji Mitte August qualifiziert. So machen das Rennen um das zweite Ticket nach Tokio die beiden Nordrhein-Westfalen Jan Hojer und Yannick Flohé unter sich aus.

Der Kölner Jan Hojer ist 27 Jahre alt - für einen Sportkletterer ist das schon alt, es ist also möglicherweise seine letzte Chance auf Olympische Spiele. Der Essener Yannick Flohé ist gerade mal 20, er steht noch am Anfang seiner Kletter-Karriere.

Höchstwahrscheinlich entscheidet sich also in Toulouse, wer das Rennen macht. Vom 28. November an treten dort die 20 besten Kletterer aus der Gesamtwertung aller Weltcups an. Der beste Teilnehmer des Deutschen Alpenvereins (DAV) fliegt nach Tokio, vorausgesetzt, er landet in Toulouse unter den besten sechs. Diese Qualität haben beide Kletterer aus NRW in jedem Fall.

Eigentlich wollte Jan Hojer sich sein Ticket für Olympia auch schon in Hachioji sichern - so wie Alexander Megos. Eine Schulterverletzung, die er sich einen Monat zuvor zugezogen hatte, machte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung. „Da war mir schon klar, dass ich in Japan nicht hundertprozentig leistungsfähig bin", sagt er, „aber als die Weltmeisterschaft vorbei war, da war ich froh, jetzt noch eine Chance zu haben." Er hätte es schade gefunden, wenn ein einziger schlechter Wettkampf über seine Olympia-Teilnahme entschieden hätte. Jetzt ist Hojer wieder fit und will seine zweite Chance nutzen. „Da überwiegt die Vorfreude den Druck", sagt er.

Die Sportler wollen gemeinsam entscheiden

Und doch hat sich nach der Weltmeisterschaft in Hachioji etwas Grundlegendes geändert, das Verhältnis von Hojer und Flohé ist ein anderes geworden: „Vor Japan gab es teamintern noch keinen Konkurrenzkampf", sagt Hojer.

Für Urs Stöcker ist das eine besondere Situation. Der 43 Jahre alte Schweizer ist einer von drei Bundestrainern, die den deutschen Kader für Olympia vorbereiten. „Wir haben uns schon im Vorfeld überlegt, ob wir die zwei überhaupt zusammen trainieren lassen", sagt Stöcker. „Wir haben uns dann für den gemeinsamen Weg entschieden, solange die Konkurrenz gesund bleibt, wollen wir das auch ausnutzen."

Dass das so ist, daran lassen die Athleten keinen Zweifel. „Wir haben so eine gesunde Konkurrenz und drücken uns oft gegenseitig Sprüche rein. Das ist auch echt witzig", sagt Flohé. Er lacht. Danach schießt er etwas ernster hinterher: „Wir sind aber schon richtige Konkurrenten, weil sich der eine qualifizieren wird und der andere eben nicht. Aber ich glaube, dass das eigentlich ganz gut ist." Dass es einer der beiden schaffen wird - daran haben die Kletterer keinen Zweifel. „Ich gehe davon aus, dass es mindestens einer von uns in Toulouse schafft, unter die besten sechs zu kommen", sagt Hojer.

So ist bereits das Training in Hilden auf das Event in Toulouse zugeschnitten. In Wettkampfsimulationen spielen die Kletterer bis ins letzte Detail durch, was sie in Frankreich erwartet. Dazu ist auch die französische Kletter-Legende Jacky Godoffe mit einem Landsmann nach Hilden gekommen. Die Experten bauen aus den bunten Steinen an den Holzwänden Routen, die denen sehr ähnlich sind, die Hojer und Flohé in Toulouse bewältigen müssen.

Aber trotz aller Perfektion in der Vorbereitung, trotz allem Optimismus - Bundestrainer Stöcker bleibt vorsichtig: „Davon auszugehen, dass es klappt, wäre fatal", sagt Stöcker. „Ich glaube, dass wir konzentriert bleiben müssen und auf keinen Fall die Konkurrenz unterschätzen dürfen." Er hat gute Gründe, nicht allzu leichtfertig mit seinen Prognosen zu sein. Denn vor der Qualifizierungsphase hatte er noch die Losung ausgegeben, er wolle mindestens zwei Männer und eine Frau nach Tokio schicken. Doch das Zweite scheint mittlerweile unwahrscheinlich, da die Frauen im Kader, Hannah Meul aus dem rheinischen Frechen und Alma Bestvater aus Weimar, nur noch eine Chance haben, wenn sie 2020 die Europameisterschaften gewinnen.

Bei Hojer und Flohé fällt die Entscheidung also in wenigen Tagen. Machen sich die beiden schon Gedanken, wie es danach weitergehen wird - im guten wie im schlechten Fall? Für Yannick Flohé ist das klar. „Ich werde auf jeden Fall auf Paris 2024 hin trainieren. Ich glaube, dass ich dort gute Chancen habe, wenn ich noch etwas älter bin." Jan Hojer will dazu noch nichts sagen.

Original