Nicht weniger als 31 Mal ist der simbabwische Menschenrechtsaktivist bis heute festgenommen worden. «Seit 2011 wurde ich jedes Jahr mindestens drei Mal inhaftiert», sagt Makomborero Haruzivishe. «Dabei bin ich nie verurteilt worden, all diese Festnahmen waren politisch motiviert.»
Ende Februar, bei seiner letzten Verhaftung, passten ihn bewaffnete Polizisten in einem Restaurant mitten in der Hauptstadt Harare ab. «Ich wurde sechs, sieben Stunden lang festgehalten und geschlagen, erst dann sagten sie, was mir vorgeworfen wird», erzählt der 27-Jährige. Die Polizisten hätten von Aufwiegelung der Bevölkerung gesprochen – wegen einer nicht genehmigten Demonstration mit regierungskritischen Plakaten. Das Gerichtsverfahren könnte für den prominenten Aktivisten in einer Haftstrafe enden.
«Es scheint, als hätten sie ihren Modus Operandi geändert», sagt Haruzivishe, der bereits als Student für Bildungsgerechtigkeit kämpfte. Während man früher häufig verschleppt worden sei, schüchtere die Staatsgewalt ihre Kritiker heute mit politisch motivierten Verhaftungen ein. Offenbar sei die Regierung zu dem Schluss gekommen, dass «es einfach zu viel Aufmerksamkeit erregt, wenn sie Menschen verschleppen».
Der Fahrer ist neu, der Bus bleibt derselbe
Entführungen und Verhaftungen gehören in Simbabwe von jeher zum Instrumentarium der Herrschenden, um Kritiker einzuschüchtern und die eigene Macht abzusichern. 40 Jahre ist es dieser Tage her, dass das Land formell unabhängig wurde. Unter britischer Kolonialherrschaft galt das damalige Rhodesien einst als «Brotkorb» des südlichen Afrika, doch die schwarze Mehrheitsbevölkerung wurde brutal unterdrückt. Heute liegt die Wirtschaft am Boden, und viele Simbabwer beklagen, sie würden noch immer unterdrückt – nun aber von schwarzen Machthabern.
Nur für einen kurzen Moment keimte im November 2017 die Hoffnung, es würde anders werden: Damals setzte das Militär den greisen Langzeitherrscher Robert Mugabe ab. Sein Nachfolger Emmerson Mnangagwa kam zwar selbst aus dem Inneren des Machtapparats, versprach aber eine neue Ära. «Simbabwe ist offen fürs Geschäft», lautete das Mantra, mit dem Mnangagwa bei ausländischen Investoren für einen Neuanfang warb. Doch die Reformen zur Öffnung der Wirtschaft gerieten alsbald ins Stocken. Und die Menschenrechtslage bleibt bis heute düster.
Als die Armee bei Protesten nach der Wahl 2018 sechs Demonstranten erschoss, war die Hoffnung auf eine neue politische Kultur endgültig dahin. Wenn man in Harare in ein Taxi steigt, vergeht selten mehr als eine Minute, bis der Taxifahrer sich über «ED» – so der Spitzname des Präsidenten – in Rage geredet hat. Das Taxi ist hierbei ein Schutzraum der Meinungsfreiheit, die es in Simbabwe sonst nicht gibt.
Wer sich öffentlich gegen Mnangagwa stellt, dem drohen ähnliche Repressionen wie unter seinem Vorgänger. Nachdem Mugabe im vergangenen September 95-jährig gestorben war, war im Land immer wieder dieselbe Metapher zu hören: Der Fahrer wurde ausgewechselt, aber der Bus ist immer noch derselbe.
Von einer «toxischen Umgebung» für Aktivisten sprach Clément Nyaletsossi Voule, Uno-Sondergesandter für das Recht auf Versammlungsfreiheit, am Ende seiner Beobachterreise im Herbst. Er geisselte «massive willkürliche Verhaftungen, Entführungen und Folter von Demonstranten».
Mindestens 67 Entführungen in einem Jahr
Im vergangenen Jahr zählte die lokale NGO Zimbabwe Peace Project 67 Entführungen. In den meisten Fällen seien die Opfer einige Stunden gefoltert und dann ausgesetzt worden. Die meisten Täter trugen AK-47-Maschinengewehre – Waffen, die in Simbabwe ausschliesslich mit der Regierung in Verbindung gebracht werden.
«Der Staat steckt dahinter», sagt der Aktivist Haruzivishe bei einem Treffen in einem Restaurant in Harare. «Dass die Täter nach so vielen Entführungen noch frei herumlaufen, ist ein Beweis dafür, dass es sich um staatliche Agenten handelt.» Die Regierung wies derlei Anschuldigungen stets zurück – man setze alles daran, die Entführungsfälle aufzuklären.
Haruzivishe erzählt, er erhalte immer wieder anonyme Anrufe. «Manche drohen, mich verschwinden zu lassen.» Einmal hätten Nachbarn beobachtet, wie seine Wohnung von maskierten, bewaffneten Männern durchsucht worden sei. Glücklicherweise habe er in jener Nacht woanders geschlafen.
Zu jung, um die Regierung zu verspotten
Andere hatten weniger Glück. Zu ihnen gehört Samantha Kureya, eine junge Komikerin. Kurz nach der Veröffentlichung eines Sketchs, in dem sie von einem als Polizist verkleideten Gegenüber verprügelt wird, wurde Kureya entführt.
«Ich war kaum eine Viertelstunde von der Geburtstagsfeier meiner Schwester zurück, als sie kamen», sagt Kureya bei einem Treffen sechs Wochen nach dem Vorfall im letzten Jahr. Ihre Therapeutin hat ihr geraten, nicht mehr zu erzählen, was als Nächstes geschah. So müsse sie die traumatischen Erlebnisse nicht nochmals durchleben. Simbabwischen Medien ist zu entnehmen, dass Kureya zwölf Stunden lang verprügelt und gezwungen wurde, aus einer Pfütze zu trinken. Was ihre vermummten Peiniger ihr sagten, wiederholt Kureya dann doch: «Du bist zu jung, um die Regierung zu verspotten.»
Sie schrecke immer noch jedes Mal zusammen, wenn jemand unangemeldet an das Metalltor vor dem Haus klopfe, sagt Kureya. Es ist das Haus von Freunden in einem ärmlichen Vorort der Hauptstadt. Sie fürchte, immer noch überwacht zu werden.
Simbabwe im Corona-Lockdown
Die Corona-Pandemie könnte das Problem der verbreiteten Gewalt gegen Zivilisten nun sogar verschärfen. Simbabwe zählte zwar erst knapp 30 Infizierte und drei Tote, doch bereits seit Ende März gelten strikte Ausgangsbeschränkungen.
Bisher nutzte die Polizei ihre Wasserwerfer nur, um Strassenzüge zu desinfizieren. Seitdem auch die Armee in Harare patrouilliert, nehmen die Berichte zu, wonach Einsatzkräfte mit unverhältnismässiger Gewalt gegen Bürger vorgehen. Laut dem Zimbabwe Peace Project wurden in den ersten zwei Wochen des Lockdown 156 Personen von Einsatzkräften im ganzen Land tätlich angegriffen. Mindestens 12 Journalisten wurden bedrängt oder kurzzeitig festgenommen.
Als vor ein paar Tagen im Internet ein gefälschtes Schreiben des Präsidenten auftauchte, das eine Verlängerung der 21-tägigen Beschränkungen verkündete, drohte Mnangagwa dem Täter, an ihm «ein Exempel zu statuieren». Ein neues Gesetz sieht bis zu 20 Jahre Haft für die Verbreitung von Falschnachrichten zur Corona-Pandemie vor.
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