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Immerhin stimmt die Frauenquote

Duques Vereidigung Im Namen der Wirtschaft (Foto: Flick.com / República Dominicana CC BY-NC-ND 2.0)


Als Iván Duque am 7. August vereidigt wurde, gab es keine Zweifel am konservativen Rollback der kolumbianischen Politik. „In Kolumbien gibt es einen korporatistischen Staat, der sich zu den Interessen der Wirtschaft und Großunternehmen bekennt", berichtete der Wirtschaftswissenschaftler José Roberto Acosta im Interview mit der Stiftung Frieden und Versöhnung. Dass sich dies unter Duque nicht verändern wird, zeigt sein Kabinett. Vorab die gute Nachricht: acht der 16 Ministerien werden von Frauen geführt.


Neben der Frauenquote hat Duque eine Quote von Unternehmer*innen und Ökonom*innen in seinem Kabinett durchgesetzt. Da ist zum Beispiel Guillermo Botero Nieto, der neue Verteidigungsminister Kolumbiens. Er begann seine Karriere als Unternehmer mit dem Export von Blumen und war auch in der Logistik-Branche tätig. In den vergangenen 15 Jahren leitete er die Nationale Handelskammer (FENALCO). Botero gilt als Brücke zwischen dem neuen Präsidenten und den großen Unternehmer*innen Kolumbiens. Abgesehen von seiner mangelnden Erfahrung in der Politik, gilt er als ein Skeptiker des Friedensabkommens mit der FARC-Guerilla.


Blickt man auf das Wirtschaftsministerium wird die Prognose noch düsterer. Der Finanzminister, Alberto Carrasquilla, war technischer Geschäftsführer der Nationalbank und Ökonom in der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Zwischen 2003 und 2007 hatte er unter Präsident Uribe dasselbe Amt inne wie jetzt unter Duque. Als Finanzminister privatisierte er Staatsunternehmen und machte Schlagzeilen mit rassistischen und klassistischen Aussagen.


Darüber hinaus gewährte Carrasquilla mit einem Investitionsgesetz steuerliche Anreize für private Unternehmen, wie die multinationalen Rohstofffirmen Glencore und Drumond. Er ist also mitverantwortlich für die strukturelle Ungerechtigkeit zwischen Gewinner*innen und Verlierer*innen, die im lukrativen Bergbausektor herrscht. Für Carrasquilla, der in den Panama Papers auftauchte, gilt: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.


Die Wahl für das Ministerium für Bergbau und Energie ist ein weiterer Grund zur Besorgnis. Die mit dem Amt beauftragte Ökonomin María Fernanda Suárez hat ebenfalls eine lange Karriere im Bankensektor. Unter der ersten Präsidentschaft von Santos war sie im Finanzministerium Direktorin für öffentliche Kredite, danach übernahm sie die Vize-Präsidentschaft von Ecopetrol, dem größten Öl-Unternehmen Kolumbiens. Obwohl Duque sich im April gegen Fracking äußerte, setzte die Ministerin Suárez das Thema wieder auf die Tagesordnung. Denn für sie würde es ein „verantwortungsvolles Fracking" geben.


Und so geht die Liste weiter. Der Minister für Wohnen, Jonathan Malagón González, hat zwar mit 33 Jahren bereits eine lange akademische Karriere in der Betriebswirtschaft aber gar keine Erfahrung auf dem Gebiet, für das er seit dem 7. August zuständig ist. Und es gibt Fälle, bei denen man sich nicht sicher ist, ob dies nicht nur zynisch, sondern auch schlichtweg gefährlich ist: Gegen die jetzige Innenministerin Nancy Patricia Gutiérrez Castañeda nahm das oberste Gerichtshof Kolumbiens 2008 Ermittlungen wegen sogenannter parapolítica, also politischer Verbin­dungen zu Paramilitärs, auf. In jener Zeit wurde Gutiérrez ebenfalls wegen Machtmissbrauchs angeklagt und 2012 zu Hausarrest verurteilt. 2014 wurde die Klage wegen parapolítica zu den Akten gelegt - noch im selben Jahr feierte sie ihr Comeback in der Politik.


Lange hat das Unternehmer*innenschaft auf diesen Moment gewartet, der es erlaubt, Geschäfte unter Friedensbedingungen abzuwickeln. Die Nähe zwischen Politik und Wirtschaft beunruhigt, denn noch ist unklar, wer von beiden die Oberhand gewinnt und ob das Anti-Korruptionsgesetz ausreicht, um zu engen Verstickungen von Politik und Wirtschaft Einhalt zu gebieten. Gerade mal neun Tage nach der Vereidigung Duques wurden die Kolumbianer*innen zum dritten Mal in diesem Jahr an die Wahlurne gerufen, um an einer Volksbefragung gegen Korruption teilzunehmen. Die Stimmberechtigten konnten darin sieben konkreten Anti-Korruptionsmaßnahmen einzeln zustimmen oder sie ablehnen. Die Regelungen betrafen Lohnkürzungen für Parlamentarier*innen und höhere Staatsfunktionär*innen, Gefängnisstrafen für Korruptionsverbrechen, eine Obergrenze von drei Amtsperioden bei öffentlichen Ämtern, Offenlegung ungerechtfertigter Besitz- und Vermögensverhältnisse gewählter Politiker*­innen. Auch sollte der Zivilgesellschaft ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über den öffentlichen Haushalt und die Vergabe öffentlicher Aufträge eingeräumt werden.


Obwohl das Ja zu allen Fragen mit 96 bis 99 Prozent gewann, scheiterte die Volksabstimmung knapp: rund eine halbe Million Stimmen fehlten, um das Ergebnis zu einem Senatsmandat zu machen. Dafür wäre die Beteiligung eines Drittels der Stimmberechtigten (12,2 Millionen) an der Wahl notwendig gewesen.

Für die Initiator*innen der Kampagne, Claudia López und Angélica Lozano, beide Politikerinnen der Mitte-Links Partei Alianza Verde, hat sich die Gesellschaft klar positioniert. Immerhin stimmten 11,6 Millionen Kolumbianer*innen gegen Korruption, das sind zwei Millionen Stimmen mehr als Iván Duque bei der Präsidentschaftswahl erzielte. „Diese historische Wahl erteilt der Regierung und dem Kongress ein Mandat: Sie müssen sich selbst reformieren, Korruption effektiv bekämpfen und die 50 Milliarden Pesos ausfindig machen, die sie gestohlen haben", sagte die ehemalige Senatorin Claudia López am Tag nach der Volksbefragung.


So sah es auch Präsident Iván Duque, der halbherzig die Volksabstimmung unterstützte. Am 29. August lud er Mitglieder aller politischen Parteien in den Regierungssitz Casa Nariño ein, um zusammen das weitere Vorgehen zu diskutieren. Dort wurde beschlossen, bis Dezember 2018 einen entsprechenden Gesetzentwurf im Senat zu diskutieren. Die Anti-Korruptionsmaßnahmen, die López und Lozano für die Volksabstimmung erarbeitet haben, sollen darin integriert werden.


Gerade in Kolumbien lassen sich perfide Auswüchse von Korruption beobachten. In den ländlichen Regionen, wo der Staat schwach ist, werden vacunas (Schmiergeld) an die örtlichen Mafias und Kriminelle bezahlt, um arbeiten zu können. Nach einem Bericht von der Nichtregierungsorganisation Transparency International bezahlte jede*r dritte Lateinamerikaner*in im Jahr 2017 auch Schmiergelder an Schulen und Krankenhäuser, bei Behördengängen, an Polizist*innen oder Gerichte.


In der kolumbianischen Politik funktioniert die Schmiergeldtaktik unter dem Euphemismus mermelada (Marmelade) mit der gleichen Logik. Nichts spricht dafür, dass das beim Kabinett Duques anders werden wird.


// Daniela Rivas Grajales

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