Seit Juni 2018 testet das Unternehmen Netze BW in einer Straße in Ostfildern, wie Menschen mit E-Mobilität umgehen und was das für das Verteilnetz bedeutet. Testgebiet ist die Belchenstraße, ein typisches Wohngebiet bei Stuttgart, mit Eigenheimen, wie sie häufig in Ballungsräumen vorkommen. In solchen Gebieten werden nach Ansicht des Unternehmens bald die meisten Elektroautos unterwegs sein. Die Bewohnerstruktur ist durchmischt und besteht aus Familien mit Kindern, jungen Paare und Rentnern. Für den Versuch wurden zehn Haushalte mit zehn E-Autos und Messtechnik ausgestattet. Ende Oktober geht der Test zu Ende. Eric Junge von der EnBW-Tochter Netze BW berichtet über die Ergebnisse.
Golem.de: Gehen in Deutschland bald die Lichter aus, wenn Millionen Elektroautos abends um 18 Uhr geladen werden?
Eric Junge: Eine unserer wesentlichen Erkenntnisse des Praxistests ist, dass dieses Szenario "Alle laden auf einmal auf und alle Fahrzeuge ziehen volle Leistung" gar nicht vorkommt. Das Maximum bestand darin, dass fünf von zehn Fahrzeugen gleichzeitig am Netz hingen. In 70 Prozent der Zeit lädt gar kein Fahrzeug, weil es entweder unterwegs oder bereits voll geladen ist.
Golem.de: Warum ist das so?
Universitätsklinikum Essen, Essen EWR GmbH, Remscheid
Eric Junge: Wir haben zwei verschiedene Gründe dafür beobachtet: Zum einen gibt es unterschiedliche Nutzungen der Fahrzeuge. Manche Menschen sind Pendler, manche nutzen das Auto nur als Zweitfahrzeug, um die Kinder nachmittags irgendwohin zu fahren. Da verschieben sich alleine durch die unterschiedlichen Nutzungen der Fahrzeuge die Ladezeiten. Und zum anderen gibt es eben unterschiedliche Menschen: Der eine steckt den Stecker reflexartig rein, sobald ein paar Prozent weniger im Akku sind, der andere fährt den Akku so lange, bis nur noch eine einstellige Prozentzahl dasteht.
Golem.de: Was würde denn passieren, wenn alle Autos gleichzeitig laden?
Eric Junge: Wir haben diesen Stresstest simuliert. Dabei stieg die Leistung sehr stark an. Im Winter werden im Testgebiet einige Stromheizungen genutzt. Käme das alles zusammen, hätte es tatsächlich zu einer Überlastung kommen und sich die Gebäudeversorgung vom Netz trennen können, um das Netz zu schützen. Das heißt, ohne Vorkehrung hätte der Straßenzug für kurze Zeit dunkel sein können.
Golem.de: Um solchen Situationen entgegenzuwirken, haben Sie im Feldversuch den Einsatz von Batteriespeichern getestet. Wie hat das funktioniert?
Eric Junge: Batteriespeicher können solche Hochlasten erkennen und dann Energie für die komplette Straße bereitstellen. Das hat sehr gut funktioniert und die Kunden merken gar nichts davon. Allerdings nehmen Batteriespeicher relativ viel Fläche in Anspruch. Wo kein Platz für so etwas ist, kann man mit Lademanagement viel machen.
Golem.de: Welche Varianten des Lademanagements sind sinnvoll?
Eric Junge: Das eine sind Fahrpläne. Die Teilnehmer konnten über eine App angeben, bis wann die Akkus voll sein sollen. Aus diesen Informationen erstellt eine Software für alle Autos einen Ladefahrplan, der das Netz möglichst wenig belastet. Wir wissen, wann es typischerweise eine sehr hohe Belastung gibt. Zum Beispiel gehen im Winter ab 20.30 Uhr die Stromheizungen an. Dann wäre es gut, wenn die Fahrzeuge nicht alle mit voller Leistung laden. Das heißt, wir können den Kunden einen Zeitplan geben, wann sie mit welcher Maximalleistung laden können. So ein Vorgehen wird gut akzeptiert, weil es planbar ist.
Golem.de: Was ist die andere Variante?
Eric Junge: Für die zweite Variante haben wir eine Netzüberwachung aufgebaut, durch die wir dynamisch in Echtzeit auf den Netzzustand reagieren konnten. Wir haben also gemessen, wie die akute Belastung im Stromnetz ist. Das ist vergleichbar mit der Verkehrsführung, bei der man guckt, wie viele Autos gerade auf einer Straße fahren. Wenn es zu viele werden, wird die Geschwindigkeit begrenzt. Beim Stromnetz wird die Leistung begrenzt. Die Kunden wurden per App darüber informiert und wenn die ersten mit Laden fertig waren und die Belastung sank, konnten andere wieder mit mehr Leistung laden. Dieses Vorgehen hat den ganz großen Vorteil, dass man wirklich nur begrenzt, wenn Extremfälle vorkommen.
Golem.de: Für viele der Tester war es der erste Kontakt zu E-Autos. Wie waren denn die Rückmeldungen?
Eric Junge: Die Kunden waren sehr angetan von den Fahrzeugen und von der Ladeinfrastruktur. Das liegt natürlich auch daran, dass sie die Fahrzeuge frei nutzen dürfen. Die Rückmeldungen sowohl von den Pendlern als auch den Familien lauten, dass die Fahrzeuge alltagstauglich sind. Die Leute fahren sehr konstant und nutzen ihre Fahrzeuge sehr viel; im Monat über tausend Kilometer im Schnitt. Täglich 50 bis 100 Kilometer war kein Problem. Wir haben auch Postkarten von Leuten bekommen, die damit in Urlaub gefahren sind.