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Ökostrom von Bürgern für Bürger

Rund zwei Jahrzehnte ist es nun her, als sich an den ersten Windrädern die Rotoren drehten und Solarzellen die Sonnenergie in Strom umwandelten. Installiert zumeist von Menschen, für die erneuerbare Energien nicht nur umweltfreundlicher waren, sondern die in einer dezentralen und kleinteiligen Erzeugung von Strom eine Demokratisierung der Energieversorgung sahen.

Lange Jahre war der Bau von Ökostrom-Anlagen vor allem dem Engagement von Bürgergruppen zu verdanken. Erst in jüngster Zeit haben auch die großen Energiekonzerne und Großinvestoren begonnen, ebenfalls in diesen Sektor zu investieren. Das ist einerseits erfreulich, weil sie natürlich eine Menge Geld und Know-how mitbringen, andererseits drohen sich auf diese Weise alte Monopolstellungen wieder zu verfestigen.

Bei den Bürgwerken liefern Bürgerenergiegenossenschaften den Strom

Dieser Entwicklung versuchen sich die Bürgerwerke entgegenzustellen. Dazu werden die Erzeugungskapazitäten von vielen kleinen Solar-, Wind- und Wasserkraft-Erzeugern in Deutschland gebündelt und zu einem gemeinsamen Bürgerstromangebot geschnürt. Etwa ein Zehntel davon liefern Bürgerwind- und Bürgersolarkraftwerke der Energiegenossenschaften, der Rest wird aus einem Wasserkraftwerk in Töging in Bayern bezogen.

Die Bürgerwerke mit Sitz in Heidelberg dienen als Dachorganisation, die alle klassischen Aufgaben eines Energieversorgungsunternehmen (EVU) übernimmt, wie etwa das Marketing, die Kundenverwaltung und vor allem natürlich die Energiewirtschaft. Man wolle den Energiesektor demokratischer und transparenter machen, indem Bürgern ermöglicht wird, Strom aus den Wind- und Solarenergieanlagen zu beziehen, die in der direkten Nachbarschaft gebaut wurden und sich in Bürgerhand befinden. „Deswegen nennen wir unser Produkt ganz bewusst Bürgerstrom und nicht Ökostrom. Weil wir vor Ort lokal aktiv sind und Menschen, die bislang wenig Kontakt mit dem Thema hatten, über diesen regionalen Bezug für die Energiewende begeistern wollen", sagt Pressesprecher Christopher Holzem. Zu einem konventionellen Energieanbieter gibt es wesentliche Unterschiede: Die Bürgerwerke sind komplett genossenschaftlich organisiert und gehören dementsprechend nur jenen 75 deutschen Energiegenossenschaften, die bislang mitmachen - beziehungsweisen den rund 12.000 Menschen, die hinter diesen Genossenschaften stehen. „Unter unseren Mitgliedern sind viele Ökostrom-Pioniere und echte Energiewende-Überzeugungstäter", sagt Holzem und lacht. Mitmachen dürfen nur Energiegenossenschaften, die nicht in Verbindung mit einem der großen Energiekonzerne stehen. Das werde im Vorfeld sehr genau geprüft, so Holzem. Aktuell würden pro Monat ein bis zwei neue Energiegemeinschaften als Mitgliedsgenossenschaften aufgenommen. Die Zahl der mit Bürgerwerke-Strom versorgten Kunden liege im vierstelligen Bereich und man wolle weiter wachsen.

Nur wenige Deutsche beziehen Ökostrom

Ein herausforderndes Unterfangen, denn für die meisten Haushalte hierzulande ist der Bezug von Ökostrom nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Das zeigen zum Beispiel die Ergebnisse der aktuellen Ökostromumfrage der Fachzeitung Energie & Management (E&M). „Ökostrom ist für viele der Regionalversorger und Stadtwerke überhaupt kein Wachstumsfeld", sagt Robert Werner, der als Geschäftsführer des Hamburg Instituts (HI) die diesjährige Untersuchung betreut hat. „In der Wahrnehmung der Bundesbürger als wichtiges politisches Handlungsfeld sei die Energiewende in den vergangenen zwei Jahren drastisch abgestürzt", sagt Werner. Viele Verbraucher meinen, dass durch die Förderung der erneuerbaren Energien bereits genug getan ist. Dem ist aber nicht so. Derzeit können nämlich alle Stromanbieter den Anteil, den sie gesetzlich verpflichtend über das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) beziehen, als grüne Komponente angeben. Mit dieser Regelung kann eine Reihe von Anbietern viel umweltfreundlicher auftreten als sie in Wirklichkeit sind. Ein wesentliches Problem dabei ist, dass Verbraucher schlecht erkennen können, wie sehr sich ihr Anbieter bei der Produktion von Ökostrom engagiert. Daher wird von Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen seit langem eine Änderung der Stromkennzeichnung gefordert, bei der nur die wirklich real beschafften Ökostrommengen auf den Kundenrechnungen ausgewiesen werden. Verbraucher, die sich aktiv an der Energiewende beteiligen wollen, sollten sich daher genau informieren, welche Kraftwerksquellen vom Anbieter genutzt werden und wie stark Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen gefördert werden. Die Umweltschutz-Organisation Robin Wood überprüft zum Beispiel regelmäßig die auf dem deutschen Markt vorhandenen Angebote und gibt Empfehlungen ab. Nur die Anbieter Bürgerwerke, EWS Schönau, Naturstrom, Greenpeace Energy, Lichtblick und Polarstern erfüllen die strengen Prüfkriterien des echten Ökostroms. Weitere Hilfsmittel sind Zertifizierungen wie das Grüner Strom Label und das ok-power-Siegel.

Bürgerwerke mit Crowd-Investing für weiteres Wachstum

Um weiter zu wachsen, neue Angebote zum Beispiel im Bereich der Elektromobilität zu entwickeln, und alle neuen Mitglieder bestmöglich zu betreuen, will sich die Geschäftsstelle der Bürgerwerke nun personell verstärken. Um das zu finanzieren, läuft aktuell ein Crowd-Investing über das 500.000 Euro eingesammelt werden sollen. Der Grund dafür, warum die Bürgerwerke auf diese Art der Finanzierung setzen, ist ein weiterer Unterschied zu anderen Energieversorgern. Die Bürgerwerke sind nicht auf gewinnorientiertes Unternehmertum ausgelegt. Die Dachorganisation arbeitet nach eigenen Angaben für die Genossenschaften zu Selbstkosten. „Das heißt, dass wir keine Großinvestoren oder Aktionärsversammlungen bedienen müssen, die hohe Renditen einfordern. Die Gewinne aus der Stromversorgung fließen an die lokalen Energiegenossenschaften zurück, um dort neue Energiewende-Projekte zu fördern", sagt Holzem. Daher sei es nur konsequent, die Finanzierung nun auf viele Schultern zu verteilen, anstatt auf wenige große Finanzierungspartner zu setzen. Interessenten können sich mit einem Betrag ab 500 Euro der Finanzierungsrunde der Bürgerwerke anschließen. Dieses Nachrangdarlehen wird mit einer Verzinsung von 5,25 Prozent pro Jahr, einer Laufzeit von fünf Jahren und endfälliger Tilgung angeboten. Die Bürgerwerke, so Holzem, seien ein Energieversorger, der nicht nur monatlich eine Rechnung schickt, sondern den Anspruch habe, freundschaftlich mit seinen Kunden und Mitgliedern umzugehen und gemeinsam aktiv die Energiewende zu fördern. Ein Konzept, für das die Genossenschaft Anfang Dezemner 2017 mit dem Deutscher Engagementpreis ausgezeichnet wurde.

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