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Payback für Elektroschrott

Wer hat sie nicht: die Schublade in der die abgelegten Handys, der kaputte Rasierer, die zahllosen Kabel mit Anschlüssen, zu denen es längst kein passendes Gegenstück mehr gibt und das Kassettendeck aus der Jahrtausendwende wohnen? Viele Menschen lagern ihre veralteten und kaputten elektronischen Geräte zu Hause entweder weil der Weg zum Wertstoffhof zeitraubend ist, weil sie das einst teure Gerät nicht einfach weggeben wollen oder schlicht, weil sie nicht wissen wohin damit. Das Leipziger Start-up binee hat ein System entwickelt, um für Bürger einen Anreiz zu schaffen, diese Geräte abzugeben. Davon würde sowohl Umwelt und Wirtschaft profitieren. Denn in jedem Gerät stecken wertvolle Rohstoffe wie zum Beispiel Gold, Silber und Platin. Aus 14 Tonnen Elektroschrott lässt sich etwa eine Tonne Kupfer recyceln. Zum Vergleich: Um die gleiche Menge Kupfer neu zu produzieren, müssten bis zu 1.000 Tonnen Gestein abgebaut und bearbeitet werden. Um unnötigen Ressourcenabbau zu vermeiden, versucht die Politik deswegen das Recycling zu stärken. Seit rund einem Jahr gilt das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz in Deutschland. Damit wurden alle größeren Händler verpflichtet, Altgeräte zurücknehmen - zuvor war die Rücknahme freiwillig. Dennoch horten weiterhin die Menschen viele alte Geräte zu Hause oder werfen sie aus Bequemlichkeit in den Restmüll. „Mit unserem System wollen wir Menschen, die ihre Geräte zum Recycling geben, belohnen", sagt binee-Gründer Martin Jaehnert.

Für jedes abgegebene Gerät gibt es einen Gutschein

Das funktioniert so: Die Tonne wird bei einem kooperierenden Partner, zum Beispiel einem Elektro-Händler, Drogeriemarkt oder einem Bekleidungsgeschäft aufgestellt. Für jedes Gerät, das man in die Box legt, kann man als Gegenleistung einen Gutschein wählen, der im kooperierenden Laden eingelöst werden kann. Dabei ist es egal wie groß oder klein das Gerät ist - für jeden Kopfhörer, Toaster oder DVD-Player gibt es die gleiche Belohnung. „Wir wollen, dass die Nutzer alles abgeben, was sie zuhause sinnlos herumliegen haben. Deswegen ist das Dankeschön bei jedem Gerät gleich - unabhängig von der Größe", sagt Jaehnert. Ist die Box voll, wird sie von einem Logistikunternehmen abgeholt und zu einem zertifizierten deutschen Recyclingunternehmen gebracht. „Dazu arbeiten wir mit zwei Recyclingfirmen in Thüringen und Bayern zusammen, die unserer Meinung nach das beste Recycling in Deutschland machen", sagt Jaehnert.

Tracking-System für den Recyclingprozess

Hierbei kommt ein weitere Vorteil der binee zum Tragen: bei der Abgabe eines Geräts, kann man angeben, ob man über den weiteren Verfahrensprozess informiert werden möchte. Falls ja, erhält man per E-Mail jeweils Nachrichten, wenn die Geräte abgeholt, beim Verwertungsunternehmen geschreddert und eingeschmolzen und schließlich aus dem Material neue Rohstoffbarren produziert werden. Dies sei ein großes Plus gegenüber den bisherigen Rücknahmemodellen, meint der binee-Gründer. Mit seinem transparenten Vorgehen könne der Händler zeigen, dass er sich seiner Verantwortung gegenüber der umweltgerechten Entsorgung seiner verkauften Produkte stellt. Und: das Tracking soll das Vertrauen in das Entsorgungssystem stärken. „Auf diese Weise nehmen wir den Bürgern die Sorge, dass ihr Elektrogerät illegal entsorgt wird und irgendwo auf einer Müllhalde in Ghana landet", sagt Jaehnert. Das Feedback nach ersten Testläufen sei sehr positiv, so Jaehnert. Ein erstes Experiment beim Elektronikfachgeschäft Conrad habe die Sammelmenge im Laden verdreifacht - damals sogar ohne das Bonussystem. „Sobald die Märkte das Angebot in ihr Marketing integrieren, funktioniert das System noch besser", sagt Jaehnert. Die Binee-Testläufe haben außerdem ergeben haben, dass rund 40 Prozent der abgegebenen Geräte noch funktionstüchtig sind. Deswegen entwickeln die Leipziger ihre Box so weiter, dass diese Geräte zwar eingesammelt, aber nicht recycelt, sondern an Wiederverkäufer oder wohltätige Initiativen weitergegeben werden können.

Auf der Suche nach Aufstellorten und Gutscheinpartnern

Im Grunde schafft die Binee-Box eine Situation, an der alle gewinnen: die Recycler erhalten ein Gerät in einem Zustand, in dem sie die Teile optimal verwerten können. Der Händler, in dessen Laden gesammelt wird, erfüllt auf elegante Art die gesetzlichen Auflagen und schafft mit der binee-Box einen geldwerten Service für seine Kunden, der sich über eine kleine Wertschätzung freuen kann. Für die Idee hat das Start-up bereits zahlreiche Preise eingeheimst, die Recycling-Logistik hat bewiesen, dass sie funktioniert, dennoch gestaltet sich die Realisierung ein wenig langsamer als von Martin Jaehnert erhofft.

„Die meisten Händler, mit denen wird sprechen, finden die Idee erstmal gut. Aber bis alle relevanten Personen aus der Logistik, der Entsorgungsfachstelle, dem Marketing und dem Controlling zustimmen, dauert das," sagt Jaehnert. Bislang gibt es ein Pilotprojekt mit dem Leipziger Zoo, der den Feldversuch nutzt, um bereits Kindern beizubringen, wie wichtig es für die Umwelt ist, Elektrogeräte richtig zu entsorgen. Nun hofft Jaehnert, dass bald auch große kommerzielle Ladenketten in das Projekt einsteigen. „Wir sind in konkreten Verhandlungen über die dauerhafte Aufstellung 20 weiterer Boxen und haben Interessensbekundungen von diversen Händlern, sagt Jaehnert. Wenn alles gut geht, kann das Start-up 2017 mit dem sammeln endlich so richtig losgehen.

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