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Sauber unterwegs auf hoher See

Die internationale Schifffahrt ist ein riesiges Problem für den Gesundheits- und Klimaschutz. Sie ist verantwortlich für zwei Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen, dazu kommen sieben Prozent der Schwefeldioxid- und zwölf Prozent der Stickstoffdioxid-Ausstöße. Eines der größten Containerschiffe der Welt stößt die die gleiche Menge an Emissionen aus wie 50 Millionen Autos zusammen. Das Problem: Seeschiffe fahren heute überwiegend mit Schweröl, das eine minderwertige Qualität im Vergleich zu Marinediesel - und erst recht zum im Straßenverkehr verwendeten Benzin und Diesel - aufweist. Die Emissionsvorschriften liegen weit hinter den Standards im Landverkehr.

Abhilfe soll der verstärkte Einsatz von Liquefied Natural Gas (LNG) schaffen. LNG ist Erdgas, das auf -164 bis -161°C heruntergekühlt wird und dadurch in den flüssigen Aggregatzustand wechselt. Auf diese Weise nimmt es nur ein 600stel des Volumens von Erdgas ein. Im Vergleich zu herkömmlichen Schiffstreibstoffen können die Partikel- und Schwefelemissionen nahezu vollständig, die Stickstoffemissionen um 70 reduziert werden. „Mit Blick auf die Schifffahrt kann sagen: das ist der Treibstoff der Zukunft", sagt Georg Ehrmann, Geschäftsführer der Maritimen LNG Plattform, die den Ausbau des Kraftstoffes voranbringen will.

Bislang ist die Menge der deutschen Schiffe, die mit LNG betrieben werden, allerdings sehr überschaubar: drei LNG-Schiffe, die auf dem Rhein fahren, eine Fähre, die zwischen Borkum und Emden pendelt und die neue Hochseefähre MS Helgoland, die zwischen Cuxhaven und Helgoland verkehrt. Der AIDA-Konzern hat den Bau zweier Kreuzfahrtschiffe angekündigt, die erstmals komplett mit LNG statt Schweröl und Marinediesel betrieben werden sollen. Bereits seit 2014 wird das Kreuzfahrtschiff Aida, wenn es im Hamburger Hafen liegt, durch den Einsatz von LNG mit Strom versorgt. Die Energie wird auf einer schwimmenden LNG-Hybrid-Barge erzeugt; im Grunde ein Schiff mit einem Blockheizkraftwerk, das mit LNG betrieben wird. Der so gewonnene Strom wird flexibel, je nach Bedarf, in das Versorgungsnetz des Kreuzfahrtschiffes eingespeist. „Ein Projekt, das zeigt, wie auch die landseitige Energieversorgung mit LNG deutlich umweltfreundlicher werden kann", sagt Ehrmann. Denn wenn Schiffe im Hafen liegen, werden sie über die Dieselgeneratoren versorgt und produzieren viel Feinstaub. Ein großes Schiff wie die Aida emittiert während eines Aufenthalts leicht so viele Schadstoffpartikel wie zehntausend Autos.

Comeback der Frachtsegler

„LNG macht den Schiffsverkehr nur sauberer. Das langt uns nicht. Wir wollen eine komplett emissionsfreie Logistik", sagt Cornelius Bockermann, Gründer des Unternehmens Timbercoast. Sein Team baut gerade die ehemalige Touristenattraktion Avontuur, ein Segelschiff dessen Baujahr auf 1920 datiert wird, in der Elsflether Werft an der Weser zum Frachtsegler um. In einem Zeitalter in dem alles immer schnell und permanent verfügbar sein muss, scheint die antiquierte Technik des Segelns keinen Platz mehr zu haben. Mit einer Ladekapazität von rund 70 Tonnen wirkt die Avontuur auch nicht gerade wie eine Konkurrenz zu riesigen Containerschiffen, die bis zu 150.000 Tonnen transportieren können. Nichtsdestotrotz verzeichnet Bockermann eine erhebliche Nachfrage nach der Möglichkeit Waren und Güter klimafreundlich per Segelschiff zu transportieren. „Das ist ein bisher absolut unerschlossener Markt", sagt Bockermann. Tatsächlich gibt es bisher nur wenige Anbieter wie die niederländische Reederei Fairtransport die bereits seit 2009 mit dem Segelschiff Tres Hombres einen emissionsfreien Transport im Transatlantik-Verkehr anbietet.

Doch nicht nur der Verzicht auf fossile Treibstoffe macht Timbercoast außergewöhnlich. Bockermann versteht sich als Vertreter der Gemeinwohl-Ökonomie. Bei dem Projekt geht es ihm nicht um die Vermehrung von Geld, sondern um einen kooperativen, nachhaltigen Ansatz, um die Seefahrt wieder umweltverträglich zu gestalten. Deswegen gehört der Betrieb auch nicht Bockermann, sondern allen seinen Mitarbeitern gemeinsam. Schiff und Umbauarbeiten sind nach Angabe von Timbercoast aktuell zu rund 65 Prozent finanziert, Anteile in Höhe von rund 450.000 Euro stehen noch zum Verkauf. „Da wir keine Großinvestoren suchen, sondern die Anteile möglichst breit streuen wollen, rechnen wir damit, dass wir sämtliche Anteile erst bis zum Jahresende verkauft haben werden", sagt Bockermann. Die Ausbauarbeiten machen gute Fortschritte, so Bockermann. Am 29. Mai soll die Avontuur in Richtung Kanaren auslaufen. Bis dahin müssen Werftarbeiter und die Freiwilligen, von denen die Ausbauarbeiten zu einem großen Teil übernommen wurden, noch einmal ordentlich wirbeln. Bockermann ist in Gedanken sogar schon ein wenig weiter. Er träumt vom Aufbau einer komplett emissionsfreien Reederei.

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