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Ein Ostinato mit Schöpfungshöhe

Viermal c, dreimal b und einmal a, gespielt über zwei Takte in einfachen Viertelnoten – so lautet die simple Tonfolge, die dem christlichen Rapper Flame und seinen Nebenklägern Da‘ T.R.U.T.H und Chike Ojukwu in einem Gerichtsurteil vergangene Woche eine stolze Schadenersatzzahlung von 2,78 Millionen US-Dollar bescherte. Das Urteil sorgte nicht nur bei den Beklagten – der Pop-Sängerin Katy Perry, ihrem Label und Produzententeam –, sondern auch bei unzähligen Komponisten und Musikern für Entsetzen. Was war passiert?

Klage gegen Perry hatte Flame samt Co-Autoren bereits 2014 eingereicht, der zufolge der Popstar mit dem 2013 erschienenen „Dark Horse“ Flame‘s fünf Jahre zuvor veröffentlichten Song „Joyful Noise“ ohne Erlaubnis kopiert und hiermit eine Urheberrechtsverletzung begangen haben soll. Außerdem monierte die Klageschrift, dass Perry – insbesondere im zugehörigen Musikvideo – die tiefreligiöse Botschaft von „Joyful Noise“ durch die „Hexerei, Heidentum, schwarze Magie und Illuminatentum“ zitierende Bildersprache auf irreparable Weise „befleckt“ habe. (Was gar einem Co-Autoren zu viel wurde, der schließlich von der Klage zurücktrat).

Das nun erfolgte Urteil stellt in gewisser Weise ein Novum dar: Kern der Klage war das eingangs erwähnte, in der Tat recht ähnlich klingende Synthesizer-Ostinato, eine repetitive musikalische Figur, die in beiden sonst eher wenige Gemeinsamkeiten aufweisenden Songs zu hören ist. Folgte die Rechtsprechung in der Vergangenheit der Ansicht, dass vor allen Dingen Melodielinien schützenswert seien, da diese schöpferische Eigentümlichkeiten besitzen, die einen individuellen, ästhetischen Gehalt ausdrücken, wurde das Konzept des Urheberrechts jetzt also auf eine generische, absteigende Tonfolge ausgeweitet.

Das abenteuerliche Unterfangen, besagtem Ostinato eine signifikante Schöpfungshöhe zu unterstellen, übernahm vor Gericht der Musikwissenschaftler Todd Decker, demzufolge kein ihm bekanntes Musikstück eine in gleicher Weise abfallende Tonfolge nutze. Eine geradezu aberwitzige Behauptung, die impliziert, dass der Rapper Flame im Jahr 2008 als Erster in der gesamten Musikgeschichte diese simple, musikalische Figur genutzt hat. Die Jury – die Anklage hatte wohlweislich auf einem Jury-Prozess bestanden – ließ sich aber offenbar von den simplifizierenden Worten des Fachmannes beeindrucken.

Die im Verfahren von Decker angeführten Punkte wie Klangfarbe, Tonhöhe und Rhythmus, die seiner Aussage nach die Urheberrechtsverletzung kennzeichnen, könnten nun indes eine gerichtlich verbriefte Argumentation bei künftigen Copyrightstreits werden. Diese Tendenz zeichnete sich bereits in Prozessen der letzten Jahre ab, Paradebeispiel: Robin Thicke und Pharrell, die 2015 von einem Gericht zu Zahlungen von fast 5 Millionen Dollar verurteilt wurden, weil sie den Vibe eines Marvin Gaye-Stücks kopiert haben sollen. Dass Klangfarben, Rhythmen oder auch nur ein simples Ostinato als copyrightfähig anerkennt werden, ist aber vielleicht auch nur folgerichtig in Zeiten, in denen das Geld durch Plattenverkäufe schwindet, ergo der Kuchen kleiner wird und sich niemand mehr – dem Internet sei Dank – darauf berufen kann, ein Musikstück nicht gekannt und es deshalb auch nicht kopiert haben zu können. Komponisten könnten es indes zunehmend schwerer haben.

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