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Kulturverein schlägt Hotelinvestoren

Ein Jahr lang suchte der Berliner Bezirk Treptow-Köpenick nach einem neuen Jugendclub-Betreiber auf einer traumhaft gelegenen Insel in der Spree. Statt finanzkräftiger Hoteliers bekam ein kleiner, ehrenamtlich arbeitender Kultur-Verein den Zuschlag.

Ganz oben angekommen ist André Szatkowski nicht mehr zu bremsen. Als wir vom Brückenturm der Insel der Jugend aus den atemberaubenden Blick über Berlins südöstliche Bezirke, die Spree und den nahen Plänterwald genießen, sprudelt es aus dem 33-Jährigen nur so heraus: Eine Begegnungsstätte für Jung und Alt soll diese Insel werden, ein Ort der Entspannung und der Inspiration, der Kunst und Kultur. Und zwar auch für diejenigen, die es sich normalerweise nicht leisten können, ins Konzert zu gehen. Klingt nach einer Insel der Glückseligkeit. Das schwerste Stück auf dem Weg dorthin haben Szatkowski und seine Mitstreiter bereits hinter sich gelassen.

Rückblende: Vor der Wende traten auf der Insel bekannte DDR-Musiker auf, von 1984 an nutzte ein Jugendclub das Gelände. Nach dem Mauerfall zogen Freiluft-Kino und ein Café Besucher an, doch 2009 gab der Betreiber auf. Ein Jahr lang lag die Insel im Dornröschenschlaf – bis sie im Juni 2010 vom gemeinnützigen Berliner Verein Kulturalarm e.V. wachgeküsst wurde.

Doch bis es soweit war, mussten eine Menge Politiker überzeugt werden. Denn das Jugendamt des Bezirks Treptow-Köpenick hatte für das mehrstöckige, denkmalgeschützte Gebäude des ehemaligen Jugendclubs und das dazugehörende Gelände per Ausschreibung einen neuen Betreiber gesucht.

Nach langen Debatten hatten sich die rund 45 Mitglieder von Kulturalarm entschieden, ein eigenes Konzept für die Insel einzureichen. Eines, dass in ihre Ausrichtung passt: Seit zwei Jahren unterstützt der Verein Künstler und Musiker mit Auftrittsmöglichkeiten, Vernetzung mit anderen Kreativen, günstigen Tourbussen, Hilfe bei der Entwicklung von Internet-Seiten oder Reparaturen von musikalischem Equipment zum Selbstkostenpreis.

„Viele von uns kennen die Insel aus ihrer Jugendzeit“, sagt Kulturalarm-Sprecher André Szatkowski, der auch Mitbegründer der Musikfabrik ORWOhaus ist, Europas größtem Probe-Bunker. „Sie ist einfach eine absolute Perle, die für alle Berliner unabhängig von ihrem Alter und ihren finanziellen Möglichkeiten nutzbar sein sollte.“

Hier setzte die Bewerbung an: Statt eines klassischen Jugendclubs soll ein Kulturhaus für alle Generationen entstehen, in dem auch Hartz-IV-Empfänger und sozial schwache Familien Kunst genießen und aktiv gestalten können. Sei es durch günstige oder kostenlose Konzerte, Theateraufführungen oder Lesungen, sei es durch Mal-Workshops, die ehrenamtlich von Künstlern angeboten werden – von Graffiti bis Öl-Malerei. Ergänzt wird das Kulturprogramm von einem Inselcafé mit Getränken und Kuchen zu moderaten Preisen.

Das Wunder geschah: Die Bezirkspolitiker gaben dem kleinen Verein den Zuschlag, obwohl unter den mehr als 30 Bewerbern einige Hotelbetreiber waren, die eine Menge Geld in die Hand genommen hätten. Sofort machte sich das Kulturalarm-Team an die Arbeit: In wochenlanger, selbstverständlich ehrenamtlicher Arbeit wurde das Gebäude renoviert, auf den Außenanlagen eine Bar mitsamt kleinem Kinderspielplatz eingerichtet, die Open-Air-Bühne fit gemacht.

Mittlerweile läuft der gastronomische Betrieb, es gibt einen Kanuverleih zu günstigen Konditionen und erste Konzerte haben auch schon stattgefunden. Wer die Insel der Jugend besucht, hat das Gefühl, dass André Szatkowski und die anderen Weltbeweger von Kulturalarm von der angestrebten Glückseligkeit gar nicht mehr so weit entfernt sind.
 
Von Daniel Schalz

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