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Den Leser in die Schranken weisen?!

Wenn es um Informationsbeschaffung geht, ist das Internet vor allem bei den jüngeren Nutzern der erste Anlaufpunkt. Ganz den Vorlieben unserer digitalen Gesellschaft entsprechend, erfährt man mit einem Klick am PC, Smartphone oder Tablet jederzeit und überall die neuesten Nachrichten - und das in der Regel kostenlos. Doch der virtuelle Kiosk scheint seine Auslage mehr und mehr unter Verschluss halten zu wollen, den Online-Zeitungen geht es um Wirtschaftlichkeit. Bezahlschranken und andere Geschäftsmodelle setzen momentan der Gratiskultur zunehmend ein Ende. Aber auch alternative Finanzierungsmethoden erscheinen vielversprechend.


Am Anfang war die Möglichkeit

Will man verstehen, warum erst jetzt in diesem Ausmaß über die Art der Finanzierung von Online-Zeitungen diskutiert wird, muss man zunächst zurück zu den Anfängen des Internets. Mit der Einführung des World Wide Web und der ersten grafikfähigen Webbrowser in den 90er Jahren wurde zwar der Grundstein für den digitalen Auftritt einer Zeitung gelegt, allerdings reichten die Mittel damals nur für einfache Bild- und Textdarstellungen. Die Einbindung von ladeintensiven audiovisuellen Medien war schon allein aufgrund der geringen Datenübertragungsrate sinnfrei. Vom qualitativen Standard, den wir heute kennen, konnte man nur träumen. Eine eigene Webseite diente daher in erster Linie dem Zweck auf einer neuen Plattform präsent zu sein. Vor diesem Hintergrund hielten es viele Verlage anscheinend für unzumutbar dafür auch noch Geld zu verlangen, wenn denn überhaupt ein Online-Auftritt existierte. Für die meist kleineren Lokalzeitungen lohnte indes einfach der Aufwand nicht.


Zudem müssen sich die meisten Zeitungen den Vorwurf gefallen lassen das Potenzial des Internets schlicht unterschätzt zu haben. Erst nach der rasanten Entwicklung zum Massenmedium fand ein Umdenken statt. Gesonderte Online-Redaktionen, die auf das Internet zugeschnittene Texte erstellen, wurden gebildet. Bis dato reichte es mitunter aus, einfach einen Artikel der Printausgabe für die Webseite zu übernehmen. Schon hier wäre die Einführung eines Bezahlsystems gerechtfertigt gewesen. Die einzige Zeitung, die diesen Schritt allerdings wirklich gewagt hat, war 1996 die Online-Ausgabe des Wall Street Journal.


Nach 20 Artikeln ist Schluss: "metered paywalls"

Inzwischen haben Nutzer die Wahl in einem Überangebot hochwertiger Nachrichtenseiten. Eine höhere Bandbreite und weitere technische Entwicklungen ermöglichen die Darstellung von Informationen auf einem völlig neuen Niveau. Mit der starken Verbreitung von mobilen Endgeräten wie Tablets ist die Nutzung des Internets zudem auf die nächste Ebene gelangt. Schon 60 Prozent der Deutschen verfügen über ein internetfähiges Smartphone. Paradoxerweise sind die Zeitungen, ob nun Print- oder Online-Version, nun Opfer ihrer eigenen Qualität. Zum einen sorgt der vermeintliche Siegeszug des Internets dafür, dass mehr Menschen Inhalte online statt offline konsumieren, zum anderen reicht das ausschließliche Geschäft mit Werbeanzeigen dort dennoch nicht aus, um den Aufwand finanziell auszugleichen und etwaige Verluste im Printbereich zu ersetzen.


Diesen Umstand sollen Paywalls oder Bezahlschranken nun ändern. Üblich sind dabei bislang zwei Varianten. Das angesprochene Wall Street Journal gibt beispielsweise Inhalte der Online-Version nur an diejenigen preis, die auch ein Abonnement abgeschlossen haben. Wer nicht zahlt, bekommt nichts zu sehen. Etwas lachser sieht es bei der New York Times aus. Ein Mechanismus sorgt dafür, dass immerhin 20 Artikel im Monat online gelesen werden können. Darüber hinaus fällt bildlich gesprochen die Schranke. Erst beim Abschluss eines Abos kann weitergelesen werden. In Deutschland sollen die Webseiten der Bild und Welt Online vom Axel-Springer-Verlag ebenfalls mit diesem „metered paywall" genannten Mechanismus ausgestattet werden. Hat der Nutzer bereits ein Print-Abo, stehen Online-Inhalte in der Regel ohne weitere Kosten zur Verfügung. Wahlweise kann auch ein reines (und etwas günstigeres) Online-Abo abgeschlossen werden.


So berechtigt solche Gebührenmodelle auch sein mögen, so stehen sie dennoch alle vor demselben Problem: Das Bewusstsein der Nutzer kann nicht über Nacht umgekrempelt werden. Wer jahrelang umsonst im Internet unterwegs war, fühlt sich nun mitunter vor den Kopf gestoßen. Zwar mag es durchaus viele Nutzer geben, die für Qualität bereit sind entsprechend zu zahlen, doch diesen Sinneswandel muss jeder Medienkonsument erst einmal vollziehen. Bezahlschranken haben immer etwas Zwanghaftes. Eine Eigenschaft, die wahrscheinlich nie besonders gut ankommt. Zu spüren bekam das die ausschließlich digital produzierte The Daily, die zumindest unter anderem genau daran gescheitert ist. Nach nicht ganz zwei Jahren hatte die Zeitung mit Bezahlschranke nicht genügend Abonnenten und wurde schließlich eingestellt.


Jeder wie er will: Social Payments

Eine weniger rigorose Methode geht man vielleicht auch gerade deshalb bei der taz. Statt das Online-Angebot über Abonnements exklusiv zu machen, bleibt dort jeder Artikel frei einsehbar. Zwar erscheint beim Öffnen eines Textes ebenfalls eine Art Paywall, ob und wie viel man zahlt, bleibt dennoch jedem selbst überlassen. Zudem hat man die Wahl, ob man eine bestimmte Summe regelmäßig an die taz zahlen möchte oder nur Artikel honoriert, die man wirklich gelesen hat beziehungsweise die besonders gelungen sind. Im letzteren Fall hat die taz-Redaktion gleich den netten Nebeneffekt erkennen zu können, welche Artikel gut ankamen respektive welche nicht - Qualitätskontrolle mal anders.


(Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=5zZqji-_TCE // Zugriff: 03.03.2013)


Im Vergleich zu Paywalls und Online-Abonnements mögen die Einnahmen über Social Payments sehr wahrscheinlich deutlich geringer ausfallen. Dafür lässt man dem Leser Freiheiten, die er auf lange Sicht hoffentlich zu schätzen weiß.

Welchen Weg die Nutzer am ehesten mitgehen würden, kam übrigens in einer Studie von Marketagent.com heraus. So würden 84 Prozent der Umfrage-Teilnehmer mehr Online-Werbung jeder Art von Paid Content vorziehen. Wie die Finanzierung einer Seite letztlich auch aussehen mag: Zu wünschen wäre es, dass die journalistische Angebotsvielfalt in jedem Fall bestehen bleibt.

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