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Garri Kasparow: „Putin muss als Loser enttarnt werden"

Auf der re:publica war der Schachgroßmeister einer der Star-Speaker. In seiner Kritik an Russlands Präsidenten nahm er ein kein Blatt vor den Mund.

Meinungsfreiheit ist die Voraussetzung für unseren Schutz als Bürger und erlaubt uns, gegen die Regierung zu sprechen, ohne bestraft zu werden. Regierungen in Ländern wie Russland, der Türkei und China missbrauchen das Internet und die sozialen Medien jedoch, um ihre eigenen politischen Vorteile durchzusetzen. Das haben Meldungen in der Vergangenheit geschildert und hat die gegenwärtige Berichterstattung bestätigt. Besonders ernüchternd: politische Propaganda und Cyber-Attacken haben nicht nur globale Reichweite, sie sind auch kostengünstig und einfach abzustreiten.

Pressefreiheit hat Tiefpunkt erreicht

Garri Kasparow, ehemals jüngster Schachweltmeister und Sicherheitsbotschafter der Firma Avast, sagt während der Podiumsdiskussion „Hacking Democracy - Power and Propaganda in the Digital Age", er sei unglücklicherweise in der Sowjetunion aufgewachsen, habe dadurch aber wiederum das Glück, zu wissen, wie es ist, unter permanenter Beobachtung zu stehen. Dass der Zugriff von Regierungen auf gewisse Technologien problematisch ist, demonstriert er anhand der „ Karte der Pressefreiheit " für das Jahr 2017.

Er erklärt, dass es nicht nur eine Abnahme der globalen Pressefreiheit gibt - tatsächlich ist sie 2016 auf einen Tiefpunkt innerhalb der vergangenen 13 Jahre gesunken; nur 13 Prozent der Weltbevölkerung verfügen heute über eine freie Presse - sondern dass diese schwindet, während die Zahl der Menschen, die Zugriff auf das Internet haben, steigt. „Regierungen grenzen die Möglichkeiten der Menschen ein, zu verstehen, was tatsächlich passiert."

Moderne Propaganda soll Wahrheit auslöschen

Die moderne politische Propaganda hat in Kasparows Augen einige sehr spezifische Aufgaben: Falschinformation, das Durchdrücken der eigenen Agenda und die Erschöpfung kritischen Denkens bis hin zur Auslöschung der Wahrheit. Die Überflutung mit Nachrichten anstelle einer Meldungsknappheit, sagt er, nimmt Menschen das Bewusstsein dafür, was tatsächlich wahr ist.

„Die öffentliche Meinung wird manipuliert. Informationen werden unermüdlich wiederholt bis sie wahr erscheinen", bestätigt Claudio Guarnieri. Er ist Hacker, Menschenrechtsaktivist und Mitbegründer von „Security without Borders". Seine Einstellung gegenüber Technologie ist, anders als die Kasparows, eher skeptischer Natur: „Technologie darf nicht getraut werden. Sie muss verstanden werden." Für Guarnieri ist es sehr beruhigend, dass politische Debatten immer noch von Menschen geführt werden. Eine elektronische Stimmabgabe lehnt er kategorisch ab, denn in seinen Augen gibt es dafür keine bessere Technologie als Papier.

"Putin ist ein Diktator"

In Bezug auf Wladimir Putin findet Kasparow sehr schnell sehr deutliche Worte: „Putin ist ein Diktator, der seine Macht verliert, wenn er schwach wirkt. In seinem System gibt es unklare Regeln, die eindeutige Resultate zur Folge haben." Es gäbe deshalb auch keine „Wahlen" in Russland, sondern einen Tag an dem die Menschen einfach nur mit ihrer Stimme bestätigen, was Putin schon festgelegt hat.

Merkel aus dem Weg zu schaffen ist oberste Priorität

Auf die Frage hin, ob deutsche Politiker befürchten müssen, dass Putin die Bundestagswahl im September manipulieren wird, antwortet Kasparow trocken: „Glaube ich, dass es gerade regnet?" (Anm. d. Red.: Es regnete.) Putin macht Dinge wie diese seit Jahren, unterstreicht er, und „Angela Merkel aus dem Weg zu räumen ist für ihn Priorität Nummer eins." Kasparow nennt sie „last man standing". Was getan werden muss, ist für ihn eindeutig: „Putins Bluff muss durchschaut werden, er muss als Loser enttarnt werden."

Positive Zeichen sieht er dafür in Demonstrationen junger Russen, die gegen Putin auf die Straße gehen. Diese jugendliche Opposition ist nicht beeinflusst von der Kreml-Propaganda, sagt er, und ignoriert das Fernsehen und dessen vom Staat aufbereitete Inhalte. Stattdessen sucht sie sich ihre Leitbilder, wie Antikorruptionsblogger, online.

Maschinen werden den Menschen nicht ersetzen

Optimistisch sieht Kasparow auch der Zukunft der Technologie entgegen. Zumindest versucht er, die Klischee-Ängste eines „Mensch gegen Maschine"-Szenarios zu entschärfen. Auf Anfrage von futurezone erklärte Kasparow auf der Pressekonferenz im Vorfeld der Diskussion, dass Menschen durch Maschinen keineswegs obsolet würden. Ganz im Gegenteil würde es allein schon auf kreativen Gebieten genug Raum für sie geben. Vielmehr könnte die Menschheit durch mehr Technologie dazu herausgefordert werden, neue Wege zu beschreiten.

Guarnieri beschließt die Runde mit den kurzen Worten: „Entspannt euch. Maschinen haben noch nicht die Herrschaft übernommen. Versaut es nicht."

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