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Neid hat zwei Seiten - eine gute und eine bösartige

Rotkäppchen auf dem Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam. Hier tagten Anfang September die Sozialpsychologen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Foto: ©Dagmar Möbius

Der Chef verdient deutlich mehr. Die Nachbarin sieht besser aus. Der Sportkamerad läuft schneller. Und wie macht es die Ex-Freundin nur, dreimal im Jahr an die exotischsten Ziele zu reisen? Sozialpsychologen forschen, wie wir mit Frustrationen umgehen, wenn wir uns benachteiligt fühlen. „Wir alle sind in Situationen, in denen andere besser sind - das tut weh", sagte Dr. Jan Crusius von der Universität Köln kürzlich in Potsdam. Der Wissenschaftler vermutet: „Neid ist nicht eindimensional. Die zwei unterschiedlichen Arten unterscheiden sich im Erleben und in ihren Erscheinungsformen."


Die böse und die gute Seite

„Ich gönne dem anderen den Erfolg." Oder: „Ich schaffe es nicht, also hat die andere es auch nicht verdient." Diese Sicht teilt den Neid in zwei Dimensionen. Bösartiger Neid äußert sich in Feindseligkeit, Abwertung oder Schadenfreude und geht mit unkooperativem oder kontraproduktivem Verhalten einher. Guter Neid zeichnet sich durch ein verstärktes Begehren nach dem anvisierten Ziel, mehr Anstrengung und Beharrlichkeit sowie eine höhere Leistung aus. Aber: „Auch der gute Neid ist keine Bewunderung und damit eine negative Emotion", stellt Crusius klar. Während es im Deutschen nur einen Begriff für das Phänomen gibt, sprechen Russen vom „schwarzen Neid" oder „weißen Neid". Und auch im Arabischen gibt es zwei Begriffe für guten und bösen Neid.


Reaktion auf Statusbedrohungen

In zahlreichen Studien untersuchten Psychologen, ob die Formen des Neids Anpassungsreaktionen auf Statusbedrohungen sind. Der Marathoni vergleicht mit Wettbewerbssituationen im Sport. Er sagt: „Bei bösartigem Neid verschiebt sich die Aufmerksamkeit zur beneideten Person." Nicht neu ist, dass der Aufstieg auf der sozialen Leiter über Prestige oder Dominanz erfolgt. Basiert der Rang auf Leistung, entspricht das Ansehen eines Menschen dessen Kompetenzen. Dominante Personen erzwingen ihren Status durch bestimmtes Konfliktverhalten. Stolz kommuniziert den Status. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Authentischer Stolz vermittelt Prestige durch Anstrengung. Überheblichkeit vermittelt Dominanz und ist mit weniger Sympathie verbunden. In der Körpersprache kann das so aussehen: Jemand, der eine Prüfung erfolgreich bestanden hat, ballt die Faust und ruft freudig „yes!" Verschränkte Arme und nach hinten gebeugter Kopf heißt: bösartig neidisch.


Neid- und Narzissmus-Paradox

„Ich hab mich angestrengt." Das klingt ehrlich. Wer kontert: „Ich bin ein Naturtalent", wird für einen Angeber gehalten. In Tests gaben Überhebliche schneller auf als Authentische. Letztere strengten sich mehr an. Eine Studie mit 370 Marathon-Läufern offenbarte zudem, dass böse Neider kein Ziel nennen konnten und sich vor Misserfolg fürchteten. Jan Crusius nennt das ein Neid- und Narzissmus-Paradox: „Sie wollen immer die Besten sein und streben nach Status, erhalten aber kaum Anerkennung und schaffen Aggressivität." Künftige Forschung soll sich unter anderem mit der Rolle von Kultur und Ideologie des Neids beschäftigen.


Foto: ©Dagmar Möbius

Rotkäppchen auf dem Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam. Hier tagten Anfang September die Sozialpsychologen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

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