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Spielwiese der Nerds




Unter Tüftlern und  Erfindern

 

Selbermachen statt kaufen, nutzen statt besitzen, reparieren statt wegwerfen – in der „Maker“-Bewegung sehen manche eine Gegenkultur zur Konsumgesellschaft. Bei der Vienna Maker Faire hatten Selbermacher Gelegenheit, ihre Werke - und sich selbst - zu präsentieren.

  

Fruchtgummi-Selfies aus dem 3D-Drucker, Roboter-Tiere aus recycelten Fahrrädern und die Errichtung des Open-Source-Gemüsegartens „The Growroom“ – all das und noch viel mehr konnten die Besucher der Maker Faire Vienna bestaunen. Die Veranstaltung lockte am 20. und 21. Mai 2017 rund 9200 Besucher in die Wiener METAStadt im 22. Bezirk. 900 Selbermacher, Technikenthusiasten und Start-Ups präsentierten dort ihre Projekte. Nach ihrer Premiere im April 2016 fand die Maker Faire bereits zum zweiten Mal in Wien statt – und verzeichnete ein deutliches Besucherplus.

 

Maker sind keine große Einheit, die gesellschaftliche oder politische Ziele verfolgt. Vielmehr ist es ein bunt zusammengewürfelter Haufen Kreativer mit technischem Interesse. Ihre Motivation ist meist die Lust am Schaffen und das Tüfteln an technischen Problemen. Manche träumen davon, mit einem Start-Up durchzustarten, für andere ist das Basteln ein Ausgleich zum Beruf.

 

„Wir sind da, weil es uns Freude macht“, sagen Ferdinand und Bernhard Rubel, Vater und Sohn, die am Tisch E11 stolz ihre Projekte präsentieren. Die beiden sind zum zweiten Mal Aussteller auf der Maker Faire. Ein mit blauer Flüssigkeit gefülltes und fröhlich vor sich hin blubberndes Becken aus durchsichtigem Plexiglas ist ein Blickfang, der viele anzieht. Ferdinand Rubel erklärt gerne die Funktionsweise des Beckens, das zum Ätzen von Platinen dient. Gleich daneben sein neuestes Projekt – ein Mixgetränkespender: Vier bunt gefüllte Flaschen auf einem roten Drehteller mit vielen Schläuchen. Die Idee ist, Luft in die Flasche zu pumpen und mithilfe des steigenden Druck Flüssigkeit durch den Schlauch ins bereitgestellte Glas zu transportieren. Noch sind nicht alle technischen Details gelöst, auch die Programmierung fehlt noch. Sohn Bernhard bastelt lieber Drohnen.

Vor ein paar Jahren nahm Ferdinand Rubel an einem Kurs im Happylab teil und fing Feuer. Seither wird gebastelt. "Wir sind FabLab-Nomaden“, sagt Rubel: "Wir besuchen alle FabLabs rund um Wien und überall, wo wir hinkommen.“  Inzwischen haben die beiden ihren Keller in Wiener Neudorf zum privaten Lab umgebaut. Nach zwei Tagen Maker Faire sind die beiden müde, aber glücklich. Am Montag geht es wieder zurück in den Berufsalltag.

 

Ein paar Tische weiter präsentiert Alessandro Storari seine selbst entworfenen und gefertigten Lampen. Der Italiener lebt seit zehn Jahren in Wien, ist hauptberuflich Architekt und ebenfalls das zweite Mal auf der Maker Faire. „Ich mag organische Formen. Der Entwurfsprozess findet hauptsächlich am Computer statt, die tatsächliche Produktion im FabLab oder zuhause“. Storari arbeitet mit unterschiedlichen Materialien. Am Holz liebt er das warme Licht, an Plexiglas, dass sowohl die inneren als auch die äußeren Formen sichtbar sind. Storari hofft, die eine oder andere Lampe hier verkaufen zu können.

 

Auch an Christian Richardts Stand erwarten den Messebesucher Lampen – große und kleine, weiße und bunte, aus wunderbaren Retromustern kombinierte. Was auf den ersten Blick wie das Paradebeispiel eines digital entworfenen Designs aussieht, stellt sich als durch und durch analog heraus. „Ich arbeite mit Stift und Papier, nur die Form für die Stanzen wird am Computer gezeichnet“, erklärt der Berliner. Er ist zum ersten Mal hier, auf der Berliner Ausgabe war er schon. Seine Lampen bestehen aus einem modularen System kleiner Teile, die fertig montiert oder als Bausatz mit Anleitung zu erwerben sind. „Mir gefällt das aufgeschlossene Publikum hier. Ich hatte auch viele gute Gespräche mit anderen Makern“, zeigt sich der Berliner zufrieden.

 

Erfindungen, die den Alltag erleichtern, oder preiswerte Alternativen zu etablierten High-Tech-Produkten sind kaum zu finden. Sind alle, die glauben, dass ihre Erfindung Marktpotential hat, aus Angst vor Ideendiebstahl zu Hause geblieben? Das Österreichische Patentamt ist ebenfalls vor Ort und berät über Patent-, Marken- und Designschutz.

Unter den Technikern und Programmierern sucht man auch Frauen vergeblich - wo die Computer mehr werden, werden die Frauen hinter den Tischen weniger. Der Großteil der Makerinnen zeigt Schmuck, Taschen und anderes textiles Handwerk.

Dr. Franz Fidler, Studiengangsleiter an der Fachhochschule St. Pölten, die ebenfalls ausstellt, kennt die Thematik: „Im Studium Medientechnik haben wir ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Wo Technik und Gestaltung kombiniert sind, ist der Frauenanteil am größten, bei anderen Richtungen deutlich weniger. Von 30 Lehrgangsteilnehmern schätze ich, dass bei Smart Engineering fünf davon weiblich sind, bei IT Security nur eine.“

 

Doch die Zeiten ändern sich. Unter den Besuchern sind viele Frauen, die sich mit den neuen technischen Möglichkeiten auseinandersetzen. Roland Stelzer vom Happylab berichtet von einem Drittel weiblicher Benutzer. Einfacher Zugang und Abbau von Berührungsängsten zeigen Wirkung. 

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