Wir sehen sie in Bronze, gekrönt auf brüchigem Sockel. Idia schweigt uns an, doch um sie herum wird es laut. Der Gedenkkopf der Königinmutter gilt als eines der schönsten Kunstwerke aus dem Königreich Benin (ca. 1200-1897) im heutigen Nigeria. Er führt direkt hinein in eine Debatte, die so viel mit Kunstgeschichte zu tun hat wie mit Diplomatie. Gehört die Idia-Bronze nach Berlin, wo sie seit 120 Jahren steht? Oder nach Nigeria, wie es die nigerianische Regierung fordert?
Die sogenannte Restitutionsdebatte, also die Frage, wie mit Kunstobjekten aus kolonialen Unrechtskontexten umgegangen werden soll, ist in vollem Gang: Die Bundesregierung hat sich 2018 in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, den Kolonialismus aufzuarbeiten. Was das heute für die Kunstwerke, aber auch die Alltagsgegenstände bedeutet, die aus Afrika nach Deutschland gebracht und hier ausgestellt wurden, was von ihnen wirklich als Raubkunst bezeichnet werden kann, ist umstritten. Vereinzelt gab es Rückgaben, 2019 zum Beispiel wurde die Cape-Cross-Wappensäule nach Namibia restituiert. In der Popkultur ist das Thema spätestens seit der Marvel-Verfilmung „Black Panther“ angekommen, in der ein US-Amerikaner eine aus dem fiktiven Wakanda, dem Land seiner afrikanischen Vorfahren, stammende Axt aus einer Londoner Museumsvitrine stiehlt. Auch Sharon Dodua Otoos kürzlich erschienener Roman „Adas Raum“ lässt ein westafrikanisches Armband durch die Jahrhunderte reisen und schließlich in einer Berliner Museumsbroschüre wieder auftauchen.(...)
„Afrikas Kampf um seine Kunst. Geschichte einer postkolonialen Niederlage“ (256 Seiten, 24 Euro) von Bénédicte Savoy ist bei C. H. Beck erschienen.
Fluter.de, 26. März 2021. Original