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Interview

Der Junge hat den Blues

Als Wunderkind des Southern Rock hat Marcus King eine missverstandene Musikrichtung wiederbelebt. Jetzt findet er seine eigene Stimme. Eine Begegnung.

Mit fünfzehn schrieb Marcus King unter falschem Namen E-Mails an Clubbesitzer, um sie glauben zu machen, seine Band hätte einen Manager. „Meine Bandkollegen waren normale Erwachsene, die Miete zahlen und Familien ernähren mussten“, erzählt der Vierundzwanzigjährige an einem trüben Nachmittag in Berlin. Kurz bevor die Corona-Krise auch die Musiker nach Hause schickte, hatte seine Marcus King Band noch neun Auftritte in zehn Tagen – und im Heimathafen Neukölln ein herausragendes, fast zweieinhalb Stunden langes Konzert.

King – lange Haare, Sonnenbrille, freundlich-ruhiger Ton – ist ein solches Pensum gewohnt. „Mein Schlagzeuger war vielleicht fünfzig, mein Keyboarder Mitte vierzig. Ich musste zusehen, dass wir Arbeit hatten, und besorgte uns jede Woche vier, fünf Gigs.“ Noch schulpflichtig, tourte sich der aus South Carolina stammende King in den amerikanischen Südstaaten den Teenagerfrust von der Seele. „Gitarrespielen war das Einzige, was sich richtig anfühlte“, sagt er. „Ich war ein ziemlicher Einsiedler und redete kaum. An anderen Tagen war ich dann wieder der Klassenclown. Vermutlich hatte das mit meiner bipolaren Störung zu tun.“ (...)

Frankfurter Allgemeine Woche, 3. April 2020.