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Ein Hauch Toskana im Napa Valley

Die Presse, Wien - 28.10.2016

Als ob man durch das Chiantigebiet führe, taucht das Castello di Amorosa plötzlich am Saint Helena Highway, am nördlichen Ende des Napa Valley, auf einem Hügel inmitten von Weingärten auf. Die Burganlage, die aussieht, als würde sie schon seit Jahrhunderten in der Toskana stehen, wurde nach fünfzehnjähriger Bauzeit im April 2007 eröffnet. Der italienischstämmige Weinbauer Dario Sattui - sein Urgroßvater Vittorio hatte das Unternehmen 1885 in San Francisco gegründet - ließ sich den Bau der 13.000 Quadratmeter großen Burg wahrlich etwas kosten: 850.000 hundert Jahre alte Ziegelsteine, Dachziegel aus Terrakotta sowie Basalt- und Pflastersteine wurden eigens aus Italien herangeschifft, die von mehreren Steinmetzen vor Ort von Hand so gemeißelt worden waren, wie es vor 800 Jahren üblich war - schließlich sollte die Burg genauso ausschauen, als wäre sie tatsächlich im zwölften oder 13. Jahrhundert entstanden. Die wehrhafte Anlage ist mit fünf runden, gezackten und eckigen Verteidigungstürmen mit Schießscharten ausgestattet, Zugbrücke, versteht sich, mit einem Graben, einem Burghof, Geheimgängen, Waffenraum und einer Kapelle. Kommunikationszentrum der Burg ist ein gigantischer Rittersaal, der auf 22 Metern Länge bis zur Decke von italienischen Künstlern eineinhalb Jahre lang mit Fresken bemalt wurde. Und im Keller lehrt eine Folterkammer, in der sich über 500 Jahre alte Folterinstrumente aus Italien befinden, durchwegs Originale, das Gruseln.

107 Räume auf acht Ebenen

Die Auffahrt zur Burg säumt eine Zypressenallee, die ebenso eigens aus der Toskana eingeflogen wurden. Sattui, der eine Leidenschaft für italienische Architektur, Kunst und Wein pflegt, besitzt in der Toskana mehrere Häuser, darunter ein 1000 Jahre altes Kloster in der Nähe von Siena. Entworfen hat er das Castello Sattui selbst - ein Jahr lang für den Entwurf gebraucht. Dreißig Millionen Dollar kostete das fertige Projekt. Die 107 Räume der Burg verteilen sich auf acht Ebenen, wovon sich die meisten in den vier Kellerebenen befinden, darunter ein 900 Meter langes Labyrinth aus Weinkellern, in denen Cabernet Sauvignon, Pinot Noir, Merlot, Sangiovese, Zinfandel, Pinot Grigio, Chardonnay und Gewürztraminer lagern. Prunkstück ist der 1100 Quadratmeter große römische Gewölbekeller, der als eindrucksvollster Weinkeller der USA gilt. Das Weingut produziert 300.000 Flaschen Wein im Jahr, die ausschließlich im burgeigenen Laden sowie online verkauft werden. Wer das nötige Kleingeld hat, kann 220 Liter der Auslese Il Barone, eines Cabernet Savignon, gleich im Fass kaufen. Im Castello di Amorosa steht zwar der Wein im Mittelpunkt, im weiträumigen Burghof finden jedoch auch Veranstaltungen wie Ritterspiele und Konzerte statt. In den Weinkellern werden Valentinstag, Halloween, Silvester und die große Fassparty mit 40 Weinen gefeiert, und mehrmals jährlich wird zum Tanz geladen. Dario Sattuis Urgroßvater, ein Weinbauer, der 1882 aus Genua nach San Francisco kam, war einer der Pioniere im Napa Valley. Das Weingut Sattui in St. Helena, das heute über 81 Hektar verfügt, wurde während der Prohibition 1922 geschlossen und von Dario Sattui mit 8000 Dollar Startkapital 1976 wieder in Betrieb genommen. Übrigens, die meisten Weinbauern im Napa Valley stammen zwar von italienischen Einwanderern ab, der erste gewerbliche Weinbaubetrieb im Napa Valley wurde allerdings 1861 von dem aus Preußen stammenden Charles Krug gegründet. Die Charles Krug Winery, heute eines von über 300 Weingütern im Napa Valley, befindet sich seit 1943 im Besitz der Familie Mondavi.

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