Cori S. Socaciu

Innovation Journalist and Strategy Consultant

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GELDPOLITIK Nur unabhängige Notenbanken sichern dauerhaft stabile Preise

Durchschnittliche Jahresinflationsraten ausgewählter Länder. Foto: Deutsche Bundesbank

Geldpolitik ist undemokratisch. Der Leitzins wird in weiten Teilen der Welt von unabhängigen Technokraten „festgesetzt" und weder Bürger noch Politiker dürfen über seine Höhe bestimmen. Auch andere geldpolitische Maßnahmen sind „entpolitisiert". Was nach einem fragwürdigen Privileg von Notenbanken klingt, ist aber tatsächlich die Voraussetzung für eine berechenbare Geldpolitik und stabile Preise - und damit für den Erhalt der Kaufkraft des Geldes. Unabhängig von der Politik ist eine Notenbank, wenn sie nach eigenem Ermessen auf Basis ihres Mandats entscheiden kann. Im Eurosystem umfasst dieses Mandat allein die Erzielung von Preisstabilität - definiert als eine Inflation bei den Verbraucherpreisen von unter, aber nahe 2%.

Auch die Notenbanken vieler anderer Länder sind allein dem Ziel verpflichtet, für stabile Preise zu sorgen. Einige Notenbanken wie die Federal Reserve ( Fed) in den USA müssen darüber hinaus die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt in ihre geldpolitische Entscheidungen einfließen lassen. Denn anders als beispielsweise die Europäische Zentralbank ( EZB) soll die Fed neben der Preisstabilität auch noch die Beschäftigung fördern. Dass eine Notenbank letztendlich weitgehend frei von den Interessen der allgemeinen Politik handeln kann, setzt aber voraus, dass ihnen die demokratisch gewählten Vertreter diese Unabhängigkeit überlassen und dies gesetzlich festlegen.


Warum unabhängige Notenbanken?

Es ist grundsätzlich unbestritten, dass politisch abhängige Notenbanken der Versuchung unterliegen, durch starke monetäre Impulse konjunkturelle Strohfeuer zu entfachen. Solange nämlich die Geldpolitik in den Händen gewählter Politiker liegt, werden diese die Instrumente einer Notenbank nutzen wollen, um ihre Wiederwahlchancen zu erhöhen. Denn kurzfristig besteht über die Geldpolitik die Chance, Beschäftigung und Wachstum zu erhöhen. Da sich das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft aber in erster Linie durch angebotsseitige Faktoren wie die Rate des technischen Fortschritts, die Qualität des Humankapitals oder das Bevölkerungswachstum bestimmt, mündet eine solch kurzsichtige Politik letztlich in höherer Inflation. Nachhaltige realwirtschaftliche Impulse sind so nicht zu erzielen. Nicht zuletzt die hohen Inflationsraten der 1970er und 1980er Jahre in weiten Teilen Europas und in den USA - bei gleichzeitig schwachem Wachstum - sind Beleg für die Folgen einer solchermaßen ausgerichteten Politik. In Deutschland, wo die Bundesbank hingegen seit ihrer Gründung den Status der Unabhängigkeit genoss, war die Inflation deutlich geringer.

Darüber hinaus sind politisch abhängige Notenbanken in der Vergangenheit immer wieder dazu herangezogen worden, die Ausgaben ihres Staates durch Gelddrucken zu finanzieren. So hat die Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg als Konsequenz einer exzessiven monetären Staatsfinanzierung eine Hyperinflation erlebt, die sich tief ins Gedächtnis der Deutschen eingebrannt hat. Doch muss man gar nicht so weit in die Vergangenheit blicken, um die schädlichen Folgen monetärer Staatsfinanzierung zu begutachten. Die Banca d'Italia etwa war von 1975 bis 1981 verpflichtet, italienische Staatsanleihen zu kaufen. Die Inflationsrate stieg im Zuge dessen zeitweise auf über 20 %, während sie sich zur selben Zeit in Deutschland auf etwa 5 % belief.

Angesichts der beschriebenen Erfahrungen mit politisch abhängigen Notenbanken wurden viele von ihnen im Verlauf der 1980er und 1990er-Jahre in die Unabhängigkeit entlassen. In Europa waren dies etwa die Notenbanken von Frankreich, Italien oder Großbritannien. Die Geldpolitik war nunmehr in den Händen von nicht gewählten Technokraten, deren Handeln sich allein oder weitgehend durch das Ziel, Preisstabilität zu erreichen, bestimmte. Vor diesem Hintergrund sind die Inflationsraten in den vergangenen zwanzig Jahren erheblich gefallen. Inzwischen ist die Notenbankunabhängigkeit in der Europäischen Union vertragliche Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Eurozone und das Bundesbankgesetz hat aus gutem Grund als Modell für die Statuten der EZB gedient.


Notenbankunabhängigkeit in Gefahr?

Nachdem im Jahr 2007 die Finanzkrise ausgebrochen ist und die Verschuldung vieler Länder neue Rekordstände erreicht hat, scheint sich der Fokus der Geldpolitik von einer vorrangigen Konzentration auf das Ziel der Preisstabilität zunehmend zu lösen. So haben eine Reihe von Notenbanken ihre Mandate mit neuen Aufgaben - auch solchen, die im fiskalischen Bereich oder nahe bei diesem liegen - überfrachtet und sich damit in eine gefährliche Nähe zur Politik begeben. Ein aktuelles Beispiel einer solch weiten Auslegung des eigenen Mandats sind die Käufe von Staatsanleihen auf den Sekundärmärkten. Zudem wurde an prominenter Stelle - selbst im Internationalen Währungsfonds - darüber diskutiert, ob nicht grundsätzlich höhere Inflationsraten zugelassen werden sollten.

Vor diesem Hintergrund ist es zuletzt im politischen Raum, aber auch in den Medien und in der Wissenschaft zu Diskussionen darüber gekommen, ob unabhängige Notenbanken inzwischen ein Auslaufmodell seien. Und für manchen stellt sich die Frage, ob die Notenbanken nicht wieder einer stärkeren parlamentarischen Kontrolle bedürften, da sie inzwischen vielfach Entscheidungen außerhalb ihrer eigentlichen Mandate für andere Politikbereiche träfen. Einige Beobachter, etwa der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, sehen die Ära der Notenbankunabhängigkeit deshalb vor ihrem Ende.

Für Bundesbankpräsident Weidmann gibt es darauf zwei grundlegende Antworten. In mehreren Reden und Interviews mahnte er, die Arbeit der Notenbanken wieder auf das klassische Feld der Geldpolitik zurückzuführen und deutlichen Abstand zu fiskalpolitischen Maßnahmen zu halten. „Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet", zitierte er dazu einen seiner Vorgänger im Amt des Bundesbankpräsidenten. Zudem warnte er davor, dass Diskussionen über die Unabhängigkeit der Notenbanken oder über den Nutzen anderer geldpolitischer Strategien, die zeitweise auch höhere Inflationsraten mit sich brächten, Gift für das Vertrauen der Bürger in stabiles Geld seien.

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