Cori S. Socaciu

Innovation Journalist and Strategy Consultant

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Design Thinking: Das Rad neu erfinden

IoT-Lösungen erweitern altbekannte Produkte und prägen den Lifestyle. Mit seinem Biking-System macht Start-up-Gründer Andreas Gahlert das Fahrradfahren zu einem mobilen Social-Media-Erlebnis. Foto: Socaciu

Das disruptive Start-up Cobi setzt dort an, wo die Trends von morgen sind. Marketer können daraus lernen, agile Zustände aus Start-ups mittels Design Thinking zur Produkt- und Marketinginnovation zu nutzen.

"Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde", sagte einst Henry Ford. Im Falle von Andreas Gahlert, der mit seiner Idee die Fahrradkultur neu definiert, hätten heutige Verbraucher möglicherweise gesagt, sie wünschten sich bessere E-Bikes. Gahlert beschritt einen anderen Weg, indem er wie Ford, von dem ausging, was er sich von seinem bevorzugten Vehikel wünscht: Konnektivität.

Mit seinem Frankfurter Start-up Cobi brachte er 2014 das erste smart connected Biking-System auf den Markt. Radfahren wurde somit ein multimediales Ereignis. Heute, fast drei Jahre nach dem Launch, ist Cobi international aufgestellt, unter anderem mit einem Standort im Silicon Valley.

Das Fahrrad als mobiles Social-Media-Erlebnis
Gahlert liefert damit die Hard- und Software, die nicht nur Orientierung und Self-Tracking-Optionen beim Radfahren bietet, sondern über eine passende Fahrrad-App eine eigene Plattform mit Interaktionsmöglichkeiten unter den Gerätenutzern. Beispielsweise können Nutzer des Systems feststellen, ob ihnen bekannte Cobi-Nutzer in Reichweite sind und untereinander kommunizieren. Die Mittel hierfür sind eine Docking-Station für das Smartphone, die verbunden ist mit, dem Fahrradlicht, Schaltknöpfen und einer eigenen App. Die App stellt die digitale Plattform für soziale Interaktion und geographische Koordination.

Mit der Technologie weitet der Gründer das Konzept des Internet of Things auf die bisher vernachlässigte Marktnische des Radverkehrs aus. Im Falle von Cobi soll das Produkt nicht etwa der physische Gegenstand, also eine Hard- und Software sein, sondern ein Lebensgefühl - vernetztes Radfahren.

Doch wie können Marketer aus Erfolgsgeschichten agiler Jungunternehmen Schlüsse für die eigene Marketingstrategie und Produktentwicklung ziehen, wenn ihre Unternehmen in festen oder gar festgefahrenen Strukturen eingebettet sind? Ausgangspunkt ist das veränderte Kundenverhalten, sagen die Autoren Klaus Heiermann und Felix Stöckle im Buch "Kommunikation in der digitalen Transformation", Kapitel "Unternehmensmarke und digitale Transformation" (Seite 115 ff.). Denn Verbraucher, die Megatrends überhaupt erst möglich machen, sind die Treiber der digitalen Transformation. Sie gilt es anzusprechen.

Marketinginnovation durch Design Thinking

Mit ganzheitlichen Veränderungsprozessen im Marketing haben sich Stefanie Wesselmann und Bettina Hohn in ihrem Buch "Public Marketing", Kapitel "Marketing-Prozess", befasst.

Grundlage für ein erfolgreiches Marketing ist ein konzeptioneller Ansatz, in dem auf Basis einer Analyse der Ausgangssituation Ziele formuliert und grundlegende Strategien sowie die notwendigen operativen Handlungen und Instrumente darauf abgestimmt werden [...] Es folgt die Darstellung des Zielbildungsprozesses von der Formulierung eines Leitbildes über die Herausbildung einer Corporate Identity [...], die Darstellung der [...] operativen Marketinginstrumente mit einem Schwerpunkt auf den Instrumenten Produkt- und Kommunikationspolitik", sagen Wesselmann und Hohn (Seite 23 ff.).

Wenn es um die praktische Umsetzung geht, empfehlen die Autorinnen eine am Design Thinking orientierte Herangehensweise. Dieser lösungsorientierte Ansatz ermöglicht es Teams, Probleme einzugrenzen, Althergebrachtes infrage zu stellen, neue Ideen und Antworten auszuarbeiten. Der Design-Thinking-Prozess ist dabei von drei nichtlinearen Phasen gekennzeichnet:

Lösungen entstehen dabei durch schnelle Prototypen- und Konzeptbildung, Verbesserung, Wiederholungsschleifen im Zuge derer weitere Prototypen und Konzepte entstehen, deren Lösungsansätze den geäußerten Problemen schrittweise angenähert werden.

Die Marketing-Innovation, die etwa aus einem Design-Thinking-Prozess hervorgeht, beschreiben Knut Blind und Rainer Quitzow im Kapitel "Nachhaltige Innovationen" des Herausgeberbandes "CSR und Nachhaltige Innovation" als das Implementieren einer neuen Marketing-Methode, die signifikante Veränderungen des Produkts besteht, dessen Designs, Verpackung, seines Product Placements, der Werbemethode oder des Preises.

Doch disruptive Marketinginnovation geht darüber hinaus. Denn Design Thinking regt dazu an mutige Fragen zu stellen und eingetretene Pfade zu verlassen. So wie Startups ihre Agilität zum Teil aus der Risikofreude ihrer Gründer beziehen, erlaubt es Design Thinking "riskante" Ideen in einem Laborumfeld zur Sprache zu bringen. Im Thesenpapier "Design Thinking" der Zeitschrift "Wirtschaftsinformatik & Management" geben Andrew Peter und Wallace McCarthy Methoden und Instrumente an die Hand, um Innovation und Risikominimierung unter einen Hut zu bringen.

Wer einen Bohrer kauft, will keinen Bohrer haben

Dadurch, dass Design Thinking dazu beiträgt, aus frühem Scheitern mit geringen Verlusten, möglichst viel zu lernen, trägt es im Ergebnis dazu bei, eventuell bestehende Risiken zu minimieren. "Design Thinking spart Ressourcen bei der Produktentwicklung ein, da das Produkt nicht eher auf den Markt kommt, als man nach einer hinreichenden Zahl von Iterationen einfacher, kostengünstiger Prototypen, Experimenten und Tests ohne großen Aufwand genügend Hinweise hat, dass man das richtige Produkt mit dem richtigen Konzept entwickelt", sagen Peter und McCarthy. Im Trubel der alltäglichen Aufgaben würde in Unternehmen oft die grundlegende Prämisse vergessen, nämlich Kunden einen Mehrwert zu liefern. "Niemand kauft einen Bohrer, weil er einen Bohrer haben will", sagen die Autoren.

Kunden kaufen einen Bohrer, um ein Loch zu bohren. Wenn es einen besseren oder effizienteren Weg gibt, ein Loch zu machen, dann werden unsere Kunden keinen Bohrer kaufen und wir sollten nicht versuchen, ihnen einen zu verkaufen. Manchmal vergessen wir, dass es unser Geschäft ist, Menschen beim Löchermachen zu helfen, weil wir ihnen schon immer Bohrer verkauft haben", sagen die Innovationsexperten zum Change Management im Marketing.

Demnach scheitern die meisten Unternehmen in Ihrer Produktvermarktung "weil sie nur liefern, was sie produzieren können, und nicht das, was jeder gerne hätte". Die Vorstellung, dass es in der Kundenbeziehung den einen, laserscharfen Fokus auf einen einzigen Kontaktpunkt gebe, nämlich dem Verkaufsvorgang, sei ebenso überholt, wie die Auffassung, dass Innovation alleinige Angelegenheit der Produktentwickler ist und relevante Daten aus der Marktforschung hervorgehen.

Vom Eishockey-Puck zur Disruption

Will man die Idee der Marke in die Zukunft retten, so sollten neue Technologien mit disruptiver Wirkung und neue Wege der menschlichen Kommunikation in der Marken-Führung berücksichtigt werden, sagt Christine Riedmann-Streitz in ihrem Buch "Gibt es noch Marken in der Zukunft?", Kapitel "Future World: Hybrid Brands in Hybrid Cities". Die Autorin zitiert in diesem Zusammenhang die Eishockey-Legende Wayne Gretzky:

A good hockey player plays where the puck is. A great hockey player plays where the puck is going to be." Wayne Gretzky.

Auf das Brand- und Produktmanagement bezogen, verweist dieser Aphorismus auf das Bestreben nahezu aller Spieler, dort zu sein, wo das Spiel aktuell stattfindet. In etablierten Märkten ist dies überall dort, wo die Wettbewerbsintensität am höchsten, der Preiskampf am stärksten und die Produktähnlichkeit, und Sättigung am größten sind. Doch künftiger Erfolg wird dort entschieden, wo der "Puck" sein wird.

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