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US-Sport und Rassismus: "Ein Verspotten der indianischen Religionen und Kulturen"

Es geht um Sport, Politik, Rassismus und viel Geld: Indigene Interessenvertreter in den USA werfen Sportteams mit indianischen Logos und Namen Rassismus vor. Während die Cleveland Indians künftig auf ihr "Chief Wahoo"-Logo verzichten wollen, bleiben die Washington Redskins hart. Ein indigener US-Amerikaner erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, warum er die indianischen Darstellungen im US-Sport ablehnt.

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In den USA schwelt seit Jahren ein Streit um die indianischen Namen und Logos von mehreren Sportteams.

Zu den betroffenen Clubs gehören auch die Cleveland Indians. Die "Change the mascot"-Kampagne, die für eine Änderung kämpft, hatte den Verantwortlichen vorgeworfen, mit ihrem Logo rassistische Klischees zu bedienen.

Das Logo der Baseball-Mannschaft aus dem US-Bundesstaat Ohio zeigt einen Indianer-Häuptling im Cartoon-Stil, genannt "Chief Wahoo".

In der vergangenen Woche haben die Cleveland Indians nach langen Diskussionen angekündigt, das Logo ab der Saison 2019 durch ein großes "C" zu ersetzen.

Vorwürfe existieren bereits seit Jahrzehnten

Die Rassismus-Vorwürfe sind nicht neu: Schon seit Jahrzehnten werden die "Cleveland Indians" und viele andere US-Sportteams von indigenen Amerikanern und Organisationen kritisiert.

Die "Washington Redskins", ein American-Football-Team, wurden bereits zu Beginn der 1990er Jahre von verschiedenen Einzelpersonen und Gruppen wegen ihres Namens angezeigt.

Zu den Anklägern gehörte auch gaiashkibos, ein Anführer der Anishinaabe (Ojibwe) im US-Bundesstaat Wisconsin.

Damals war er Präsident des National Congress of American Indians (NCAI), die größte und älteste Organisation der indigenen US-Bevölkerung. Heute lebt er mit seiner deutschen Frau Cora Bender, Ethnologin an der Universität Siegen, in Deutschland.

Er engagiert sich heute vor allem beim Indian Law Ressource Center, einer Einrichtung indigener Interessenvertretung weltweit.

"Sie würden das Team niemals 'Washington Whiteskins' nennen"

Den Begriff "Redskin" (deutsch: Rothaut) empfinden die meisten Indigenen als abfällig, sie sprechen vom "R-Wort".

Die Gegner des Clubnamens wie die "Change the mascot"-Kampagne verweisen darauf, dass es auch in Wörterbüchern als Beleidigung eingestuft wird.

"Sie würden ja auch niemals das Team 'Washington Whiteskins' oder 'Washington Blackskins' nennen", meint gaiashkibos im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die Bezeichnung entstamme zudem der kolonialen Tradition und werde daher abgelehnt.

Ähnliches gilt für die Logos der US-Sportteams, von den "Chicago Blackhawks" bis zu den "Cleveland Indians": Indigene Organisationen sehen in den abgebildeten Indianern Karikaturen.

"Indigene Amerikaner werden hier als Maskottchen dargestellt", sagt auch der indigene Interessenvertreter gaiashkibos. Oft würden dabei Klischees bedient, etwa falscher Federschmuck oder große Nasen.

Der Rassismus beschränke sich nicht nur auf die Bilder: Mit angeblich indianischen "nachgemachten Tänzen" und ähnlicher Folklore wird bei den Sporteams Stimmung erzeugt. "Das ist ein Verspotten der indianischen Kulturen und Religionen", betont gaiashkibos.

Ein Prozent der US-Amerikaner hat indigene Wurzeln

Die Menschen in den USA wachsen mit diesen Stereotypen auf. Von der Lebenswirklichkeit der indigenen Bevölkerung sind sie jedoch weit entfernt.

Mehr als 2,5 Millionen Menschen sehen sich selbst ausschließlich als Native Americans, mehr als doppelt so viele zumindest teilweise.

Das sind rund ein Prozent der US-Gesamtbevölkerung. "Wir haben als Wählergruppe nur wenig politische Macht", sagt gaiashkibos.

Verteidiger und Anhänger der "Indianer-Logos" verweisen darauf, dass die indigenen Völker mit Mut und Kampfgeist assoziiert werden.

Der indigene Interessenvertreter lässt das jedoch nicht gelten: Die Clubs würden zwar viel Geld mit der "indianischen Fake-Kultur" verdienen, aber die indigene Bevölkerung nicht unterstützen.

"Sie treten nie für die Anliegen und Rechte der Indianer ein", sagt auch die Ethnologin Cora Bender.

Zwar konnten sich viele tribale Nationen in der Vergangenheit Landrechte erkämpfen. Doch noch immer, und immer wieder, müssen Kämpfe neu ausgefochten werden: Um die Rechte auf Jagd und Fischerei, um den Erhalt von Sozialprogrammen, um den Schutz von heiligen Stätten. "Nichts ist selbstverständlich", fasst es gaiashkibos zusammen.

Im Kampf mit Ölkonzernen

Eines der prominentesten Beispiele in jüngster Zeit: Die Kontroverse um den Bau der "Dakota Access"-Pipeline, die durch das Gebiet der Standing-Rock-Reservation geleitet werden sollte und zum Protest der dort lebenden Sioux führte.

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit verhängte US-Präsident Barack Obama einen vorläufigen Baustopp, den sein Nachfolger Donald Trump per Dekret wieder aufhob.

Die Pipeline wurde im Sommer 2017 während noch laufender Gerichtsprozesse eröffnet.

Aus Sicht der Indigenen und ihrer Unterstützer entweihen die Ölkonzerne nicht nur ihre heiligen Stätten, sondern zerstören die Natur und mit der Verschmutzung des Wassers auch ihre Lebensgrundlage.

gaiashkibos versteht den Bau der Pipeline nicht: "Man kann doch Öl und Gas nicht trinken."

Doch trotz dieser weiterhin bestehenden Probleme gibt es auch positive Entwicklungen: Tatsächlich haben schon einige amerikanische Profi- und Collegemannschaften ihre indianisch angelehnten Namen und Logos geändert.

Auch bei den "Cleveland Indians" hat seit 2014 ein Umdenken eingesetzt, seitdem wird die Verwendung des "Chief Wahoo"-Logos reduziert.

"Sie erzählen nicht die ganze Geschichte"

In der amerikanischen Gesellschaft erwacht langsam eine Sensibilität für dieses Thema.

So berichtet Ethnologin Bender, dass auch in den Medien ein Bewusstsein dafür einsetzt, in der Berichterstattung auf alte Stereotypen zu verzichten, etwa "auf dem Kriegspfad sein" oder "die Friedenspfeife rauchen".

Auch die Indigenen vertreten ihre Anliegen nun selbstbewusster nach außen. Sie haben ihre eigenen Medien gegründet, um der Fremddarstellung etwas entgegenzusetzen.

"Sie wollen sich selbst repräsentieren, nicht nur von anderen repräsentiert werden", sagt Bender.

gaiashkibos wünscht sich in seiner Heimat USA insgesamt ein größeres Bewusstsein der kolonialen Vergangenheit.

Beispielsweise beim Fest "Thanksgiving", das an die Lebensumstände der ersten amerikanischen Pilger erinnern soll, werde die Situation der Indianer ignoriert: "Sie erzählen nicht die ganze Geschichte".

gaiashkibos wuchs in der Lac Courte Oreilles Reservation im nördlichen Wisconsin auf und lebt seit Dezember 2017 in Deutschland. Von 1991 bis 1995 war er Präsident des National Congress of American Indians und insgesamt zwölf Jahre lang gewählter Vorsitzender seines Stammes. Er schreibt seinen Namen bewusst in Kleinbuchstaben, um zu zeigen, "dass ich nicht größer bin als andere."

Seine Frau Dr. Cora Bender lehrt Ethnologie an der Universität Siegen. Zu ihren Schwerpunkten gehören die indigenen Kulturen Nordamerikas, Medienethnologie sowie Religions- und Medizinethnologie.

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