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"Hart aber fair": SPD als "Dramaqueen" - Wird das noch was mit der GroKo?

Die Parteichefs von SPD, CDU und CSU haben sich bei den Sondierungen geeinigt, doch die Sozialdemokraten müssen sich erst noch mit sich selbst einigen. Die Zustimmung zu einer möglichen großen Koalition bringt die Partei in ein Dilemma. Daher fragt sich nicht nur Frank Plasberg in "Hart aber fair": Kann daraus eine tragfähige Regierung werden?

Will die SPD doch noch die GroKo und wenn ja, wie viele von ihnen? Während die Parteispitze mit Martin Schulz und Andrea Nahles für eine neue Große Koalition kämpft, sperren sich Parteijugend und auch führende SPD-Vertreter gegen eine Fortsetzung des Bündnisses mit der Union.

Die SPD befindet sich mal wieder in einem inneren Kampf. Kann das überhaupt noch was werden? Das will auch TV-Moderator Frank Plasberg wissen und holt sich dazu die passenden Gäste in seine Sendung "Hart aber fair".

SPD-Politikerin Malu Dreyer ist mit den bisherigen Sondierungsgesprächen "sehr zufrieden" und will bei den Genossen für eine Zustimmung werben. Auch wenn die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz zugibt, dass ihr eine Minderheitsregierung der Union am liebsten gewesen wäre. "Aber da fehlt der CDU und CSU wohl der Mut", stichelt sie.

Dreyer stellt auch in Aussicht, bei späteren Koalitionsverhandlungen noch mehr herausholen zu können, zum Beispiel in der Gesundheitspolitik. Das bringt ihr insbesondere Kritik von dem Journalisten Wolfram Weimer ein. Der Ex-Chef von "Cicero" und "Focus" wirft Dreyer vor, sich mit der Hoffnung auf ein besseres Koalitionsergebnis die Zustimmung der SPD-Mitglieder zu erkaufen.

Die SPD ist die "Dramaqueen der Politik"

Das Verhalten der SPD kann sich Weimer nur damit erklären, dass die Partei vom historisch schlechtesten Wahlergebnis "traumatisiert" sei. Dabei bräuchte das Land jetzt Geschlossenheit: "Im Moment gibt es keine Aggression von außen, aber das kann sich jederzeit ändern."

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) springt seiner möglichen GroKo-Partnerin bei: "Was in den Sondierungsgesprächen beschlossen worden ist, das gilt. Worüber noch nicht gesprochen wurde - das ist offen." Überhaupt bemüht er sich in der Sendung um die SPD und zeigt für deren Situation Verständnis. Die Debatte in der Partei sehe er sogar "mit Wohlwollen" - Stichwort lebendige Demokratie!

Die aktuelle Zerrissenheit bei den Sozialdemokraten führt bei Plasbergs Gästen zu der Frage, warum die Partei ihre Erfolge nicht vermarkten kann und stattdessen immer wieder vor allem durch Streitereien auffällt. Der Moderator selbst kürt die SPD zur "Dramaqueen".

Ferdos Forudastan, Politik-Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung, wundert sich: Die SPD habe in einer Woche etwas geschafft, wofür die Jamaika-Verhandler mehrere Wochen gebraucht hätten. Noch dazu ohne öffentliches Geplänkel in den Medien und Fotos vom Balkon, setzt die Journalistin einen Seitenhieb. Doch anstatt auf das Erreichte stolz zu sein, kritisierten führende Sozialdemokraten öffentlich das Ergebnis. "Das finde ich politisch sehr unklug, in Ihrem Interesse und im Interesse einer stabilen Regierung", sagt Forudastan zu Dreyer.

Was steht im Sondierungspapier?

Nach Meinung ihres Berufskollegen Weimer hat die SPD in der vergangenen Legislaturperiode "zu 60 bis 70 Prozent" die Politik bestimmt. Doch scheitere die Partei immer wieder daran, die eigenen Erfolge zu verkaufen - so auch bei den Sondierungen: "Wenn ich das Papier durchlese, dann muss ich sagen: Was hat denn die Union durchgesetzt - außer der Obergrenze?"

Doch auch bei "Hart aber fair" wurde zum Inhalt des Sondierungspapiers meist nur über das gesprochen, was die SPD nicht erreicht hat. Stattdessen konnte sich CSU-Chef Horst Seehofer nach zweieinhalb Jahren Streit nun in der Flüchtlingspolitik mit der Obergrenze durchsetzen, fasst es Plasberg zusammen. SZ-Journalistin Forudastan sieht es als ein Zugeständnis an die CSU, die in diesem Jahr Landtagswahlen in Bayern hat und eine "Trophäe" brauche.

Sowohl Dreyer als auch Altmaier betonen, dass es sich dabei nicht um eine starre Obergrenze handle. Während der CDU-Politiker darauf verweist, dass die "Integrationskraft" nicht überfordert werden solle, sieht die SPD-Frau die Niederlage beim Thema Familiennachzug als "eine offene Kröte für uns".

"So stark und klug wie das Silicon Valley"

Stattdessen übernimmt es vor allem Altmaier, auf die Geschenke einer GroKo-Koalition an die Bürger hinzuweisen: Für Familien mit Kindern soll es eine Entlastung, durch eine Halbierung des Soli gar die "größte Steuerentlastung seit über 20 Jahren", geben. Neue Arbeitsplätze sollen dank Förderung von jungen Unternehmern geschaffen werden, denn Deutschland soll "genauso stark und klug sein wie das Silicon Valley".

Hier reagiert FDP-Vize Wolfgang Kubicki etwas verschnupft. Als "Jamaika-Verhinderer" hat er ohnehin keinen leichten Stand am Tisch. Bei der neuen GroKo sieht er "keine Vision", "keine Ideen für die Zukunft". Dass die SPD und die Union nun Steuererleichterungen beschlossen haben - das Steckenpferd der FDP - wurmt Kubicki: "Die Union kommt der SPD mehr entgegen, als sie uns entgegen gekommen ist."

Die "Notlösung" Große Koalition scheint mit dem möglichen dritten Mal in zwölf Jahren also zur Dauerlösung zu werden. Seit 2005 regiert nun schon Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die langen Amtszeiten von Kanzlern in Deutschland führen immer mal wieder zu einer Diskussion über eine gesetzliche Begrenzung ihrer Amtszeit.

Muss mal wieder was Neues her?

Kanzleramtschef Altmaier ist erwartungsgemäß dagegen: Wie lange ein Kanzler im Amt bleibe, entscheide der Wähler. "Wenn es die Begrenzung in den USA nicht gäbe, hätten wir vielleicht jetzt immer noch Barack Obama im Amt", bemerkt Altmaier und hat damit das Studiopublikum auf seiner Seite.

Der Journalist Weimer vermisst bei den deutschen Kanzlern jedoch das richtige Gefühl zum Abtreten: "Wir haben noch keinen einzigen Kanzler gehabt, der freiwillig auf dem Höhepunkt seiner Popularität aufgehört hätte."

In den deutschen Nachbarländern haben es zuletzt junge Senkrechtstarter nach ganz oben geschafft: Der erst 31-jährige Sebastian Kurz wurde Bundeskanzler in Österreich, Emmanuel Macron mit 39 Jahren französischer Präsident.

Von so einem Erfolg träumt möglicherweise auch ein Christian Lindner (FDP) in Deutschland. Journalist Weimer sieht den "Schmusepolitiker" (was auch immer das sein soll) außer Mode, stattdessen proklamiert er: "Die Rocker kommen zurück."

"Kurz ist ein Rocker?", unterbricht ihn da SZ-Redakteurin Forudastan amüsiert. Den Hype um die jungen Politiker versteht sie nicht: "Nur weil jemand jung ist, heißt es nicht, dass er innovativ ist." CDU-Politiker Altmaier sieht hierzulande ohnehin wenig Revolutionswillen: "Herr Lindner hat statt 30 Prozent wie Herr Kurz nur zehn Prozent bekommen. Auch Herr Gauland hat nur zehn Prozent bekommen."

Tag der Entscheidung am Sonntag

So bleibt am Ende tatsächlich wohl nur die Große Koalition, sofern die SPD sich an ihrem Parteitag am Sonntag darauf einigen kann. Vielleicht findet am Ende dann doch noch zusammen, was nicht zusammen gehören will.

SPD-Politikerin Malu Dreyer ist jedenfalls optimistisch. Denn auch vor der letzten GroKo gab es viele Diskussionen bei den Sozialdemokraten. "Aber am Ende waren wir ein verlässlicher Koalitionspartner".

Teaserbild: imago/Emmanuele Contini

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