Die
Stille wird nur sanft unterbrochen. Von unten her, aus Richtung des
Marathasa-Tals, trägt der Abendwind Saxophonklänge in höher
gelegene Wipfel und an das kleine Hotelfenster am nördlichen
Ortsrand. In dem Bergdorf Pedoulas auf Zypern werden an einem Abend
im September Ohren von Urlaubern und Einheimischen gleichermaßen mit
einem Konzert unter freiem Himmel verwöhnt. Vor der imposanten,
blütenweiß gestrichenen Heilig-Kreuz-Kirche, die sich im
Mittelpunkt des kleinen Ortes von den übrigen dunkler gehaltenen
Wohnhäusern deutlich abhebt, sitzt ein Bläser-Quartett mit
Saxophonen und einer Klarinette und läutet den Abend musikalisch
ein. Durch die Kulisse der Berghänge, an denen die Töne der Musiker
verklingen, entwickelt sich eine besondere Atmosphäre.
Währenddessen
verschwindet die Sonne langsam hinter den Spitzen des
Troodos-Gebirges. In 1100 Höhenmetern wird es auch sommers,
spätestens jetzt schnell frisch. Im Schatten der Wälder, unter
Baumkronen von Kiefern und Pinien, Zedern, Platanen und Eichen fühlt
es sich tagsüber ebenfalls schon vergleichsweise kühl an. Einen
starken Kontrast bildet das kalte Bergklima damit insbesondere an
Sommertagen zu den heißen Temperaturen entlang der Küsten sowie im
niedriger gelegenen Landesinnern. Auch in Gegenden, wie der etwa 80
Kilometer entfernten Hauptstadt Nikosia, auf der nach Sizilien und
Sardinien drittgrößten Mittelmeerinsel, die geographisch zu Asien
gehört, wird es in den Sommermonaten ziemlich heiß.
„Im
Sommer haben wir 4000 Bewohner, im Winter sind es nur 100“, sagt
Andreas Pavlou, Chef einer Pension an der schmalen Hauptstraße von
Pedoulas. Kirche und Konzert sind
dort von Weitem
zu sehen und zu hören.
„Minus sechs Grad haben wir hier oben im Winter“, fügt er hinzu.
Tatsächlich kann in den Monaten zwischen Januar und März im
Troodos-Gebirge sogar Ski gefahren werden. Es gibt ein kleines
Skigebiet rund um den Berg Olympos. Mit 1952 Metern ist er der
höchste Berg Zyperns. Rund 800 Meter weiter unten steht Pavlou am
Rezeptionstresen seiner Pension. Der 85-Jährige ist eine schildernde
Persönlichkeit im Dorf. Als Orts- und ehemaliger Kirchenvorsteher
hat er mit dafür gesorgt, dass im August und September
Sommerkonzerte vor der Church of Holy Cross, der Heilig-Kreuz-Kirche,
im Zentrum der kleinen Gemeinde stattfinden. Diese sollen vor allem
Urlauber anziehen und sind eine schöne Überraschung für
Durchreisende, die den Weg von Zyperns Stränden in die Berge finden
und mit so etwas nicht unbedingt rechnen.
Zur
Erholung kommen aber
auch
Einheimische, um etwa
im Hochsommer
der Hitze der Städte zu entfliehen.
So wie die Gäste von Shakeh
Koutroulos,
deren Familie ihr kleines Hotel im Ort seit fast 70 Jahren betreibe,
wie die Frau mittleren Alters berichtet.
„Wir
lassen es in
Pedoulas lieber
gemächlich angehen“,
sagt
sie.
Zwei
ältere Pärchen aus Nikosia, die gerade
einige
Tage
bei
ihr zu
Gast sind, schätzten die Ruhe des Bergdörfchens und kämen immer
wieder, verraten
sie.
Auf
der schlicht gehaltenen Terrasse schweifen ihre Blicke weit ins
Marathasa-Tal.
Dort
hindurch führt eine teils enge und kurvenreiche Straße zunächst
hinab, vorbei an dem malerischen Örtchen Kalopanayiotis mit seinen
kopfsteingepflasterten Gassen sowie traditioneller Architektur, das
auch für seine Schwefelquellen bekannt ist, und wieder steil
bergauf. Die Autofahrt
endet vorerst am
Kloster Kykkos. Von Pedoulas aus
liegt die orthodoxe Abtei im westlichen Teil des Troodos-Gebirges
knapp zwanzig Kilometer entfernt. Die Strecke fühlt sich über
schmale Pisten durch die Berge durchaus etwas länger an.
Auf
1200 Metern thront Zyperns größtes und bekanntestes Kloster. Im
elften Jahrhundert soll es von dem byzantischen Kaiser Alexios I.
Komnenos gegründet worden sein. Ursprünglich aus Holz gebaut, ist
es in den vergangenen Jahrhunderten mehrmals abgebrannt oder durch
Erdbeben zerstört worden. Die heutige Anlage stammt aus dem 19. und
20. Jahrhundert und wurde größtenteils aus Stein errichtet. Um
einen gepflasterten Innenhof mit Brunnen verteilen sich eine Kirche,
Museum, Mönchszellen, in denen Ordensleute wohnen, eine Bibliothek
und Empfangsräume. Zahlreiche Mosaike und Wandmalereien von
Heiligendarstellungen sind zu sehen. Daneben kann das Grab sowie eine
zehn Meter hohe Bronzestatue des griechisch-zyprischen Geistlichen
und Politikers Makkarios III. besichtigt werden. Er war Erzbischof
und von 1960 bis 1974 erster Präsident der zyprischen Republik. Mit
Maschinengewehr vor der Brust steht hinter der Grabkammer als Wache
ein junger Soldat.
Die
schönsten Ausblicke gibt es einen Kilometer weiter hinauf. Dort
steht am Gipfel des Berges Kykkos eine offene Kapelle, zu der
gruppenweise Touristen und Gläubige pilgern. Im Innern bringen
einige mit Gesängen ihren Glauben zum Ausdruck. Von Gesprächen und
Gesängen der Reisenden abgesehen herrscht auch hier oben eine
erfrischende Geräuschlosigkeit. Von dem Bergkamm auf mehr als 1300
Metern führen sanft geschwungene Höhenzüge durch das Marathasa-Tal
in die Niederungen. Kurz vor den Küsten verflachen sie in die Ebene
hinein. Hinter dem Dunst am Horizont lässt sich das Meer erahnen.
Knappe zwei Stunden sind es von hier durch den Paphos-Wald zur
Chrysochou-Bucht und zum Städtchen Polis im Norden, wo die ruhigen
Strände der Insel liegen. Etwa gleich lang dauert die Fahrt nach
Paphos, wo es an der Küste schon lebhafter zugeht. Ein
Kontrastprogramm zur Ruhe in den Bergen bildet der touristische
Südosten mit seinen Stränden und Hotelburgen rund um Agia Napa. Wer
die Stille bevorzugt und ältere Architektur Zyperns erleben möchte,
der ist in den Bergen gut aufgehoben.
INFOBOX
Dorthin
und Rumkommen
Flüge
in die an der Südküste der Insel gelegene Stadt Larnaka dauern von
Frankfurt am Main aus etwas mehr als dreieinhalb Stunden. Auch nach
Paphos (neugriechisch: Páfos) im Westen kann von Deutschland aus
geflogen werden. Die geteilte Hauptstadt Nikosia, deren Nordteil
genauso wie der gesamte nördliche Teil der Insel seit 1974 von der
Türkei besetzt ist, bietet keinen aufgrunddessen intakten Flughafen.
Ein
Mietauto ist nötig für Touren in die Berge. Am besten eignet sich
ein kleiner und wendiger Wagen für die teils schmalen und
kurvenreichen Bergpisten. Linksverkehr herrscht auf der gesamten
Insel als Erbe der britischen Herrschaft, die vor 60 Jahren endete.