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Caffè Leccese: Ein Kaffee wie ein Sprung ins kalte Wasser

Ach, Italien! Es gibt kaum einen schöneren Seufzer, um unserer ewigen Sehnsucht nach mehr Lebensfreude und Genuss Ausdruck zu verleihen. Unsere Sommerkolumne nimmt Sie mit auf die Reise. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 29/22.

Es war Sommer und es war heiß. Also ging ich in die nächste Bar, stellte mich an den Tresen und rief dem Barista, der mich erwartungsvoll ansah, zu: "Un caffè in ghiaccio con latte di mandorla, per favore." Unzählige Male hatte ich das schon gesagt, genau so mein Lieblingssommergetränk bestellt. In Strandbars, mit Schweiß auf der Stirn, Sand an den Füßen und Salz auf den Lippen.

Ich war mir meiner Sache sicher, denn bisher war immer alles gut gegangen. Ich hatte bekommen, was ich wollte: eine kurze, süße Abkühlung, einen Kaffee gewordenen Sprung vom Felsen ins kalte Wasser. Platsch! Eine echte Erfrischung. Doch dieses Mal schien es Probleme zu geben. Was will der? Der Barista, ganz verdattert, fragte nach: Einen Caffè mit Eiswürfeln und dazu Mandelmilch, oder was? Er zuckte mit den Schultern: Boh!

Das war natürlich peinlich. Ich stand da, längst nicht mehr lässig an den Tresen gelehnt, sondern nach vorne gebeugt, Hilfe suchend, umständlich erklärend. Ich bekam ein Glas mit Eiswürfeln und dann noch ein Glas mit einem heißen Espresso. "Grazie, va bene così", sagte ich, bevor der Barista sich weiter bemüht, macht nix, schon gut. Nein, das war es nicht. Ich kippte den heißen Espresso auf das kalte Eis, das zerknackte und überlegte, bis mir endlich klar wurde, wo das Problem lag: Ich war in Norditalien! Bis hierhin war das süditalienische Sommergetränk noch nicht gekommen.

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Ist schon ein paar Jahre her. Heute gibt es den Caffè in ghiaccio con latte di mandorla, besser bekannt als Caffè Leccese oder Caffè Salentino, in vielen Bars, auch in Mailand, Turin und Venedig. Er gesellt sich zumCrema di Caffè, Caffè freddo, Caffè shakerato und was man sonst noch alles in italienischen Bars bestellen kann. Sein Siegeszug verlief parallel zu dem des Pasticciotto, ein mit Crema gefülltes, ovales und himmlisches Törtchen. Beides kommt aus Lecce, einer Stadt im Salento, der südlichsten Region an der Hacke des Stiefelabsatzes, wo es häufig zusammen bestellt wird. Etwa von mir.

Und auch wenn es die besten Pasticciotti und besten Caffè Leccesi natürlich in Lecce gibt, ist es doch schon mal erfreulich, dass es wieder die Köstlichkeiten sind, die den Nord-Süd-Graben des Landes auf wundersame Weise verschwinden lassen, wie einen Eiswürfel im Caffè. Wenn der norditalienische Respekt für Städte des Mezzogiorno dann noch allseits über Kaffee mit Mandelmilch und Cremetörtchen hinausginge, wäre insgesamt auch schon ein Stück weiter.

Die Mandelmilch im Caffè Leccese ist jedoch keine, sondern eher eine dickflüssiger, süßer Mandelsirup, aber ich rufe lieber einen Barista aus dem Caffè Alvino an, der besten Bar der Stadt, auf der Piazza Sant'Oronzo mitten in Lecce. Denn der muss es ja wissen:

Buongiorno, mit wem spreche ich?

" Buongiorno! Durso, Michele, Barista im Caffè Alvino." (Im Hintergrund klappert es, vielleicht Untertassen.)

Ich würde gerne mehr über den Caffè Leccese erfahren. Zunächst: Wie heißt das Getränk denn jetzt eigentlich?

"Der Caffè Leccese wurde von den Touristen so getauft. Es ist ja ein internationales Getränk geworden! Der ursprüngliche Name lautet aber Caffè in ghiaccio con latte di mandorla."

Und wie macht man den?

"Ganz einfach: Ich bereite einen normalen Espresso in einer Tasse vor. In ein anderes Glas fülle ich fünf oder sechs Eiswürfel und kippe 2 cl süße Mandelmilch dazu, die wir hier in der Pasticceria selbst machen. Darauf gieße ich den heißen Espresso. Das Ganze wird dann mit einem kleinen Löffel verrührt. Fertig! Es wird kein Zucker hinzugefügt. Allerdings kommt es schon sehr auf die Mandelmilch an, mit industrieller Milch schmeckt das natürlich anders."

Aber es gibt auch Versionen ohne Mandelmilch, oder?

" Caffè in ghiacco. Noch einfacher: Dafür nimmt man je nach Wahl einen ungezuckerten oder mit ein oder zwei Tütchen gezuckerten heißen Espresso. Rühren, auf die Eiswürfel und wieder rühren."

Wie viele echte Caffè Leccesi werden im Caffè Alvino am Tag verkauft?

"Ehhh ... viele. Tausend, vielleicht auch mehr. Kommt ganz drauf an.

Auf die Hitze?

"Zum Beispiel. Es ist ja ein Sommergetränk. Aber die Menschen hier in Lecce trinken ihn auch in kälteren Jahreszeiten. Und dazu gibts einen Pasticciotto."

Ist es denn heute heiß in Lecce?

" Tantissimo. Tantissimo. Tantissimo."

Dann buon Caffè Leccese.

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