Vor drei Jahren habe ich begonnen, mich für Klimagerechtigkeit zu engagieren. Jetzt möchte ich mich verhaften lassen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Die Geschichte meiner Radikalisierung.
DATUM Ausgabe Oktober 2020
Es wird kühl sein, so stelle ich es mir vor. Ich werde ein bisschen frieren, weil ich immer friere, wenn ich Angst habe, und weil es Anfang Oktober sein wird. In derselben Woche werde ich Prüfungen für die Uni schreiben, und ich werde vergessen, die letzten Texte dafür zu lesen. Vielleicht werde ich sie nicht schaffen, aber das wird mir egal sein. Ich werde das Richtige tun.
Ich bin Klimaaktivistin, je nachdem, wie man zählen will, seit vier, sieben oder seit 15 Jahren. In dieser Zeit habe ich immer wieder große Verzweiflung, Wut, Euphorie, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit erlebt. Ich bin von jemandem, der Veganismus und Second-hand cool findet, einem begeisterten Teil der Klimabewegung, zu einer wütenden Frau geworden, die Widerstand gegen die Gleichgültigkeit der Mächtigen leisten will. Jetzt ist es so weit gekommen, dass ich mich verhaften lassen möchte.
Am 26. 9. beginnt die › Rebellion Week ‹ von Extinction Rebellion (XR). In dieser Woche sollen fast täglich disruptive Aktionen stattfinden. Geplante Rebellion, systematischer gewaltfreier, ziviler Ungehorsam. Die Rebellinnen und Rebellen werden Straßen blockieren, vielleicht wichtige Verkehrsrouten oder fossile Fabriken. Sie werden mit allen gewaltfreien Mitteln auf die ökologische Krise, in der wir uns befinden, aufmerksam machen. Ich möchte eine von ihnen sein.
2018 wurde der IPCC-Bericht des Weltklimarates veröffentlicht und prognostizierte, dass die Erderwärmung in zwölf Jahren die 1,5-Grad-Marke überschreiten werde. Diese Marke ist zentral, weil sie ein sogenannter › tipping point ‹ ist : Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass sie eine Kettenreaktion auslöst, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Wir haben uns eigentlich verpflichtet, das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Faktisch steuern wir auf eine Drei- bis Vier-Grad-Welt zu. Das ist keine Welt, in der ich leben will.
Laut dem Bericht des Weltklimarats wird der Meeresspiegel bis 2100 im Durchschnitt um einen Meter steigen, riesige Gebiete, vor allem auf dem asiatischen und afrikanischen Kontinent, werden unbewohnbar werden, Wasser und Essen wird knapper, unzählige Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren. Laut einem neuen Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) sind eine Million Arten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht, wenn es nicht zu großen Änderungen kommt. Je mehr Grad dazu kommen, desto schwieriger ist es, zu prognostizieren, was passiert. Sicher ist aber : Es macht Angst.
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Florian Oder und Albert Winkler
Über die soziale Verantwortung von Unternehmen wird seit jeher diskutiert. Mit dem Begriff › Wokeness ‹ macht sich unter jungen Gründerinnen und Gründern eine neue Denkschule breit : das Unternehmen als aktiver Treiber für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz oder Inklusion. Während die einen darin die Keimzelle für einen neu ausgeformten, konstruktiven Kapitalismus und gar einen Ausweg aus der Klimakatastrophe sehen, wird die Bewegung von anderen als verspielte Mode einer postmateriellen Generation abgetan. Wo liegt die Wahrheit ? Versuch einer Einordnung und einer Versöhnung in fünf Schritten.