An den Börsen herrscht Panik, Autobauer stellen den Betrieb ein - die Weltwirtschaft steht Kopf. Einigen Firmen und Branchen aber spielt die Corona-Krise in die Karten. Doch welche genau sind das?
Ein Neologismus macht unter Börsianern die Runde: So genannte "Stay-at-home-Stocks" (zu Deutsch: "Bleib-zuhause-Aktien") sind unter Anlegern stark gefragt. Was steckt dahinter?
Der Ausverkauf an den Börsen im Zuge der Coronavirus-Pandemie hat in den vergangenen Wochen historische Züge angenommen. Der berufliche und private Alltag in Deutschland und der Welt wird zunehmend eingeschränkt.
Doch einige Unternehmen profitieren von der sozialen Distanz, von Mitarbeitern im Homeoffice und Corona-Isolierten. So gibt es einige Aktien, die seit der Eskalation der Corona-Krise an der deutschen Börse nach dem Dax-Hoch von 13.789 Punkten am 19. Februar deutlich weniger verloren oder sogar teils zugelegt haben als andere. Ein Überblick, gemessen am Schlusskurs der Aktien vom 21. Februar:
Zu Hause arbeiten und kommunizieren: Der Büro-Chatdienst Slack und Videotelefonieanbieter liegen im Trend. (Quelle: Fabian Sommer/dpa)
Zu den klassischen "Stay-at-home-Stocks" gehören Unternehmen, die von der sozialen Distanzierung profitierten. Das sind beispielsweise Softwareanbieter, die Programme für die dienstliche Kommunikation verkaufen. Zu ihnen zählen etwa der Videokonferenzanbieter Zoom, die Teamkommunikations-Apps Slack und Microsoft Teams oder der schwäbische Dienst Teamviewer, mit dessen Hilfe Kollegen die Desktop-Ansicht ihres Computers teilen können.
Die Zoom-Aktien stiegen seit dem 21. Februar um 7,3 Prozent, die Aktien von Teamviewer fielen zwar - allerdings blieben die Verluste mit 17 Prozent weit unter denen von Unternehmen anderer Branchen. Der Grund für den Hype: Weltweit bleiben wegen des Coronavirus immer mehr Menschen zu Hause und arbeiten im Homeoffice.
"Das Interesse an Teams ist gerade definitiv sehr hoch und zwar sowohl intern als auch bei unseren Kunden", kommentierte jüngst eine Microsoft-Sprecherin die gestiegene Nachfrage. Und trotzdem rechnet beispielsweise Slack nicht damit, dass dies ausreicht, um die durch die Corona-Krise mutmaßlich geringere Ausgabefreude von Unternehmen wettzumachen.
Ähnlich sieht es auch beim schwäbischen Softwareunternehmen Teamviewer aus, das trotz stärkerer Nachfrage an seiner Prognose festhält. "Wir merken, dass Großkunden-Beziehungen gerade schwierig zu pflegen sind", sagte Pressesprecherin Martina Dier. "Aber die andere Seite der Medaille ist, dass deutlich mehr Unternehmen proaktiv anrufen und nach unseren Homeoffice-Lösungen fragen."
Einsamer Urlaub statt Kreuzfahrtparty: Die Nachfrage nach Yachten und Segelbooten steigt. (Quelle: Cavan Images/imago images)
Ein weiterer Profiteur der Corona-Krise sind Veranstalter von Luxusreisen. In Zeiten von Grenzschließungen und Flugabsagen auf das Reisen zu verzichten, ist für reiche Menschen offenbar keine Option.
Statt in der ersten Klasse zu fliegen oder auf einem Kreuzfahrtschiff durch die Karibik zu schippern, scheinen die Wohlhabenden nun auf Luxusreisen und Yachten umzusteigen, wie eine Auswertung des Onlineportals Zizoo belegt, die t-online.de vorliegt.
Das Ergebnis der Auswertung des Unternehmens: Je stärker die Medienpräsenz von Corona wurde, desto mehr Motoryachten, Katamarane und Segelboote mit Skipper wurden gebucht. "Die Daten unserer internen Marktanalyse lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Nachfrage nach Segelbooten und kleinen Charter-Yachten mit Skipper fast im selben Maßstab steigt wie die Nachfrage nach klassischen Kreuzfahrten sinkt", sagte Zizoo-Gründerin Anna Banicevic. "Unsere Buchungsanfragen stiegen im Januar und Februar stark im Vergleich zum Vorjahr".
Dabei aber sei eine Verschiebung bei den Reisezielen zu beobachten. "Insbesondere deutsche Kunden buchen vermehrt im eigenen Korridor, der Ostsee und Nordsee-Region", so Banicevic.
Amazon-Halle im sächsischen Lampertswalde: Dort werden Pakete aus den europäischen Logistikzentren des Onlineversandhändlers entladen, sortiert und von hier verteilt. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa)
Zwar leiden auch viele Onlinehändler unter der durch Corona verursachten Konsumzurückhaltung, laut Handelsverband Deutschland (HDE) brach der Umsatz jüngst zwischen 20 und 30 Prozent ein. Im Vergleich zum Einzelhandel aber geht es dem Onlinehandel noch vergleichsweise gut, vor allem bei Unternehmensriesen wie Amazon.
Das zeigt sich auch am Börsenkurs des Unternehmens. Die Amazon-Aktie fiel in den vergangenen Wochen nur um 18,3 Prozent, damit ebenfalls deutlich weniger als die Anteile anderer Unternehmen. Der weltgrößte Onlinehändler ist deshalb auf Mitarbeiterjagd. In einem Firmenblog inszeniert das Unternehmen 100.000 Stellenausschreibungen als eine Art "Hilfsaktion" in der Coronavirus-Krise.
Während die Pandemie anhalte, helfe Amazon mit seinem Partnernetzwerk Gemeinden weltweit "wie wenige andere es können" - durch die Versorgung mit wichtigen Lieferungen bis an die Haustüren der Menschen. Dass die vielen Bestellungen Amazon gute Geschäfte bescheren dürften, wird in dem Blog nicht thematisiert.
Einzelne Händler verdienen an Corona-KriseDass einzelne Händler und Verkäufer online stark profitierten, ist ebenfalls absehbar. Über Amazon wurden Atemmasken und Desinfektionsmittel teilweise zu Wucherpreisen verkauft, einige Produkte auf Ebay gingen zwischenzeitlich innerhalb von 24 Stunden fast 800 Mal weg, wie eine Analyse von t-online.de zeigt. Einige Händler warben dabei speziell mit Begriffen wie "Coronavirus Outbreak" (Coronavirus-Ausbruch), um ihre Produkte in Verbindung mit dem Virus zu bringen.
Das Magazin "bento" berichtete jüngst gar von einem 24-Jährigen Onlinehändler aus einem kleinen Ort bei Heidelberg, der mit dem Verkauf von Atemmasken Millionen verdiente. Statt für 60 Cent verkaufte er die günstig in China eingekaufte Ware zwischenzeitlich für 20 Euro, wird berichtet.
Auch der Markt für Online-Essenslieferungen, wie sie etwa Delivery Hero anbietet, könnte kurzfristig etwas von Quarantänemaßnahmen wegen des Coronavirus profitieren. In vielen Bundesländern sollen Restaurants und Speisegaststätten zwar frühestens ab 6 Uhr öffnen dürfen - und müssen spätestens um 18 Uhr für den normalen Publikumsverkehr schließen, die Lieferung von Essen soll vielerorts jedoch vorerst erlaubt bleiben.
Abzuwarten bleibt allerdings, wie die Lieferdienste damit umgehen. "Die große Frage ist, ob die Logistik der Zulieferer die gestiegene Nachfrage bewältigen kann", so Thomas Scherer, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Atemmasken sind weiter gefragt: Gerade an Flughäfen setzen immer mehr Passanten auf den Mundschutz. Das ist gut für das Geschäft des Lübecker Atemmasken-Herstellers Drägerwerk. (Quelle: Leo Vogelzwang/imago images)
Weitere Profiteure der Corona-Krise sind Hersteller von Medikamenten, Hygienemitteln, Atemschutzmasken und medizinischen Geräten. Ein Auftrag der Bundesregierung über 10.000 Beatmungsgeräte sorgte jüngst bei der Firma Drägerwerk aus Lübeck dafür, dass die individuelle Fertigung der Geräte auf Massenproduktion umgestellt werden soll. Die Folge: Seit dem 21. Februar ist die Aktie des Unternehmens um mehr als 40 Prozent gestiegen. Drägerwerk ist damit einer der Börsengewinner der Corona-Krise schlechthin.
Auch das in den USA notierte Mainzer Biopharmaunternehmen Biontech zählt zu den Gewinnern an der Börse. Biontech betreibt mit einem chinesischen Partner die Entwicklung eines Impfstoffs gegen die vom Coronavirus verursachte Krankheit Covid-19. Wegen einer breit aufgestellten Entwicklungsplattform sei Biontech bestens positioniert im weltweiten Rennen um einen Impfstoff, schrieb jüngst die Analystin Shanshan Xu von der Berenberg Bank.
Auch die Aktien von Geratherm sind seit dem 21. Februar um satte 26 Prozent gestiegen. Das thüringische Medizintechnikunternehmen Geratherm ist eigenen Angaben zufolge der einzige Produzent von analogen Fieberthermometern in Europa. Außerdem stellt Geratherm Lungenfunktionsmessgeräte her. Da die Nachfrage im Zuge der Coronavirus-Pandemie das Angebot derzeit um ein Vielfaches übersteigt, will das Unternehmen die Produktion nun stufenweise erhöhen.
Der Effekt werde allerdings nur temporär sein, schrieben die Autoren von Berneckers Börsenbrief "AB Daily". Weitere Profiteure der Krise sind zudem Desinfektionsmittelhersteller wie Reckitt Benckiser (Sagrotan) und Paul Hartmann (Sterilium).
Supermärkte werben um Rücksicht und Verständnis: Wegen der Hamsterkäufe sind viele Produkte nicht mehr verfügbar. (Quelle: Tom Weller/dpa)
Vergriffene Lebensmittel, leere Supermarktregale und ein scheinbarer Run auf Klopapier - der augenscheinlichste Gewinner der "Hamsterkäufe" ist ganz klar der Lebensmitteleinzelhandel. Rewe, Aldi, Edeka und Co. machen dieser Tage viel Umsatz, wie auch eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung zeigt:
Die Verkaufsumsätze mit Fertigsuppen etwa seien im Lebensmitteleinzelhandel um 112 Prozent im Vergleich zur Vorwoche gestiegen, bei Fisch- und Obstkonserven um je 70 Prozent, bei Teigwaren um 73 Prozent. Der gesamte Lebensmitteleinzelhandel habe damit in dieser Zeit über alle Waren ein Plus von 14 Prozent verzeichnet.
Doch die Supermärkte in Deutschland haben zur Zeit auch Schwierigkeiten: Zwar mangelt es nicht an Waren, Lieferengpässe gibt es nicht. Dafür aber fehlt es an Mitarbeitern. "Wer in unseren Märkten jetzt als Aushilfe tätig werden möchte, kann sich unkompliziert bewerben", sagte unlängst Rewe-Chef Lionel Souque. Der Konzern hofft nicht zuletzt auf Studenten, die wegen der Schließung der Universitäten aktuell nichts zu tun haben.
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