Frankfurt (Oder) (MOZ) Der Fall der vermissten Rebecca aus Berlin bleibt mysteriös. Vorerst sei keine erneute Suche nach dem Mädchen geplant, sagte eine Sprecherin der Berliner Polizei am Montag. Man sei weiter mit der Auswertung der über 1200 Hinweise beschäftigt. Nun meldet sich ein "Seher" zu Wort.
Den Hörer legt er selten von selbst auf. Seine Mails sind lang und haben viele Absätze. Und wenn man ihm einmal seine Nummer gibt, dann ist es schwer, ihn wieder abzuwimmeln. Die Berechtigung dazu geben ihm seine übersinnlichen Fähigkeiten, meint er zumindest. Michael Schneider ist: der Seher. Man findet ihn - halblange Haare, Mittelscheitel und freundliches Gesicht - im Privatfernsehen und in Boulevardzeitungen. Immer dann, wenn es eine groß angelegte Suchaktion zu einer vermissten Person gibt. Manch einer hält ihn für einen Spinner, für einen Verrückten, für einen Aufschneider. Er könnte aber auch Recht haben, denkt man sich in einem schwachen Moment.
Jetzt meldet sich der Seher auch im Fall Rebecca zu Wort. Rebecca befindet sich in einem Waldstück bei Briesen (Oder-Spree), prophezeit er am Montag. Ein paar Tage zuvor hieß es noch Großziethen (Dahme-Spreewald). Wie auch immer, er schickt die Google-Koordinaten zum genauen Ort als Link per E-Mail. Dort finde Dienstag oder Mittwoch eine Suchaktion statt, kündigt er an. Dafür hat er gesorgt: Er alarmierte die Oberförsterei. Die hat den Revierpolizisten Klaus-Dieter Graß verständigt, geht aus einer weiteren Mail hervor.
"Ohne besserwisserisch sein zu wollen, ...", schrieb der Seher am vergangenen Donnerstag in einer Mail an die persönliche Adresse des Chefermittlers Michael Hoffmann, die auch dieser Zeitung vorliegt. "... prophezeie ich, dass man Rebecca im Raum Wolzig nicht finden wird. Hoffmann ist bekannt aus der Sendung "Aktenzeichen XY", nach der am vergangenen Mittwoch unzählige Hinweise eingingen.
Warum man ihn unbedingt ernst nehmen sollte, begründet Schneider in besagter Mail so: Er sei ein Radioempfänger für Gott und seine Helfer da oben, der Empfang sei aber nicht immer klar. Seine Tagesform könne ihn aber auch trügen. Das sei auch gut so, sonst hätte er "Angst vor sich selbst".
Schneider sucht die Öffentlichkeit, kontaktierte die Chefredaktion dieser Zeitung und diverse Lokalredaktionen. Nach abgeschlossenem Studium in Bonn arbeitete der heute 48-Jährige nach eigenen Angaben als TV-Redakteur und Polizeireporter. Seit 2006 arbeitet er hauptberuflich als Seher, schreibt er auf seiner Webseite einseher.de.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein sogenannter Seher in einem Kriminalfall einschaltet, der bundesweit so großes Aufsehen wie der Fall Rebecca erregt. Auch die 27-jährige Joggerin Carolin G. aus dem württembergischen Endingen weckte seine Sinne. Die junge Frau wurde Anfang November 2016 in einem Wald vergewaltigt und getötet. Ihre Leiche wurde in einer großen Suchaktion mit über 40 Ermittlern erst Tage nach der Tat entdeckt. Nicht durch einen Hinweis von Michael Schneider.
Im Fall des neunjährigen Elias aus Potsdam vor vier Jahren erhielt die Polizei ebenfalls Hinweise von vermeintlichen Hellsehern. Die Leiche des vermissten Jungen wurde 2015 gefunden - ohne Mithilfe von Schneider.
"Mir ist kein Fall in Westbrandenburg bekannt, in dem ein Hinweis eines Sehers sich bestätigt hat", sagt Heiko Schmidt, Polizeihauptkommissar in Brandenburg/Havel. Es sei immer eine Einzelfallentscheidung, ob die Ermittler dem nachgehen. Priorität hätten auf Fakten beruhende Hinweise oder konkrete Beobachtungen. "Das ist bei den Sehern nicht zu sehen, und auch nicht bei Pendlern, die ihre Pendel über die Karte kreisen lassen." Michael Schneider wird wohl wieder anrufen. Bei diesem Fall und beim nächsten.