Der als "Satanistenmörder von Sondershausen" bekanntgewordene Neonazi Hendrik Möbus muss sich die Nennung seines vollen Namens und eine "identifizierbar machende Berichterstattung" gefallen lassen. Das hat der Deutsche Presserat auf eine Beschwerde Möbus' gegen mich entschieden. Der Beschluss fiel einstimmig aus, wie aus dem Schreiben des Presserats an die "Junge Welt" hervorgeht. Möbus hatte sich vergeblich gegen zwei Artikel von mir gewehrt. Den anderen hatte ich für die dpa geschrieben. Auch in diesem Fall setzte er sich nicht durch.
In beiden Artikeln ( hier und hier) ging es im Kern weniger um Möbus, sondern um den amerikanischen Neonazi-Anführer und Autor William Pierce. Der hatte einen Roman ("Die Turner-Tagebücher") geschrieben, der vergangenes Jahr als Beweismittel in den Münchner NSU-Prozess eingeführt wurde. Pierce beschreibt darin, wie kleine Zellen rassistischer Fanatiker einen mörderischen Rassenkrieg entfesseln und am Ende mit Atombombenschlägen gegen die "Zentren des Systems", New York und Tel Aviv, die vermeintliche jüdische Weltverschwörung beenden und die vermeintlich von den Juden geplante Vernichtung der "weißen Rasse" verhindern.
Möbus spielte in meinen Artikeln deshalb eine Rolle, weil er vorübergehend bei William Pierce Zuflucht fand. Ihm drohte nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe wegen des Mordes an einem 15-Jährigen eine erneute Festnahme. Er hatte sein Opfer mehrfach geschmäht und in einem Interview beispielsweise "linke Schwuchel" genannt, die den Tod verdient habe. Außerdem zeigte er bei einem Konzert mit seiner Band "Absurd" den Hitlergruß. Damit hatte er zum einen gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen und sich zum anderen erneut strafbar gemacht.
In den USA hielt sich zu dieser Zeit auch ein anderer deutscher Neonazi auf - Mirko Hesse, der Gründer der "Hammerskins" in Ostsachsen. Hesse war zudem V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz unter dem Decknamen "Strontium". Als Möbus von einem thüringischen Zielfahnder entdeckt und von US-Sheriffs in Abschiebehaft genommen wurde vermittelte Hesse einen Leumundszeugen, der zu Möbus' Asylprozess eingeflogen wurde - Tino Brandt, den inzwischen wegen Kindesmissbrauchs zu einer Gefängnisstrafe verurteilten früheren Anführer des "Thüringer Heimatschutzes" und bekanntlich ebenfalls ein V-Mann. Brandts Flugticket bezahlte nach Erkenntnis des Thüringer Verfassungsschutzes William Pierce.
In seiner Beschwerde beim Presserat klagte Möbus, ich hätte seinen vollen Namen nicht nennen dürfen. Außerdem warf er mir "spekulative Behauptungen" und Rufmord vor. Der Presserat merkt dazu an, eine "identifizierbar machende Berichterstattung" sei zulässig, "wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt". Das sei hier der Fall - aus folgenden Günden, zitiert aus der Antwort des Presserats:
"Für ein überwiegendes öffentliches Interesse spricht, dass der Beschwerdeführer 1993 eine schwere und aufgrund des satanistischen Hintergrunds in ihrer Art besondere Straftat verübt hat. An dem aufsehenerregenden Kriminalfall besteht ein fortwährendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Beschwerdeführer hat durch seine Tat und die von ihm mitbeeinflusste mediale Berichterstattung darüber bundesweit und im Ausland Bekanntheit erlangt. Er hat mehrfach selbst die mediale Öffentlichkeit gesucht. So hat er aus der Haft in den USA heraus SPIEGEL-TV ein Interview gegeben und sich nach der Haftentlassung zur Bewährung gegenüber der BERLINER ZEITUNG geäußert."
Soweit Möbus mir Rufmord vorwirft, sei seine Beschwerde "nicht hinreichend substantiiert". Meiner Darstellung,
"dass der Anführer des 'Thüringer Heimatschutzes', Tino Brandt, ihn nach seiner Flucht in den USA besucht habe, ist er nicht entgegengetreten".
Anzumerken ist auch, dass ich versucht hatte, Möbus Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, er aber nicht mir mir sprechen wollte. Ich habe ihn heute noch einmal angemailt und meine das übrigens auch ernst - journalistische Standards halte ich für ziemlich universell, und dazu gehört, auch unfreiwillige Protagonisten zu Wort kommen zu lassen. Dazu gehört allerdings nicht, auf Berichterstattung zu verzichten, weil sie einem schweigenden Protagonisten nicht gefallen könnte.
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