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Apostile

Der Teufel an der Wand - Teil 2

Kleinere Gegner, sogenannte Regionalmächte, glaubt man notfalls ohne größere Probleme militärischen besiegen zu können, wenn man sie schon nicht abschrecken kann. Dass man gegen hoch motivierte Akteure, die nicht staatlich organisiert sind und nicht von einem leicht identifizierbaren Standort aus operieren, mit der klassischen Abschreckung möglicherweise wenig bewirken kann, wird schlichtweg verdrängt.


Weil die Abschreckung um so leichter aufzubauen ist, je näher man sich geografisch an dem abzuschreckenden Staat befindet, wurde die Nato möglichst nahe an die russischen Grenzen ausgedehnt, wobei man 2008 eine Erweiterung in die Ukraine und Georgien noch als zu provokativ ansah. Um den Druck auf Russland zu erhöhen, würde man gerne die früheren Reforger-Übungen wieder aufleben lassen. Die Abschreckung Russlands will man von amerikanischer Seite gerne an die europäischen Staaten delegieren, die ja schon rein räumlich näher an Russland gelegen sind. Für China wollen die USA die Abschreckung selbst übernehmen, solange Japan noch nicht wieder soweit militärisch aufgerüstet ist. Über Taiwan will man weiterhin seine schützende Hand halten und reagiert derzeit ziemlich indigniert, wenn die dortige Regierung das Gespräch mit Mainland China sucht. Offensichtlich inszenierte Studentenproteste zur Destabilisierung der Regierung scheinen auch hier zum Abschreckungskonzept zu zählen.


Abschreckung stumpft jedoch zusehends ab, wenn der Bedrohte die Bedrohung nicht mehr als solche wahr nimmt. Daher muss als Zeichen für die Abschreckungsbereitschaft - zumindest gegenüber den Regionalmächten - von Zeit zu Zeit ein Exempel statuiert werden. Afghanistan und die Golfkriege zählen zu diesen Beispielen und der Fall Libyen durfte zeigen, dass die USA gar nicht selbst aktiv werden müssen, weil Europäer mit Freude das Stöckchen fassen.


Gegenüber Russland und China scheint die Abschreckung derzeit nicht mehr wirklich durchgängig zu funktionieren. China weitet derzeit seine maritimen Gebietsansprüche in Asien zunehmend weiter aus und Russland scheint auch wenig beeindruckt. Dass die Abschreckung offensichtlich nicht mehr funktioniert, zeigt sich derzeit nicht zuletzt auf der Krim. Und die Sanktionen gegen Russland erinnern eher an das Kind, das im Winter aus Trotz seine Jacke nicht anziehen will. Die Eltern würden ja schon sehen, was sie davon hätten, wenn es krank werde.


Nicht nur die militärische Abschreckung, sondern auch wirtschaftliche Strafmaßnahmen haben wohl inzwischen ihre Wirkung verloren. Praktisch jeder Schuss der Sanktionen schadet den Sanktionierern mehr, als dem Sanktionierten. Selbst die Aussage, dass die Moskauer Börse sich im Sturzflug nach unten bewege, hatte für den russischen Staat durchaus Vorteile. Nun konnten die Aktien ausländischer Investoren kostengünstig erwoben werden. Auch das Einfrieren russischer Guthaben auf westlichen Konten kann aus russischer Sicht den positiven Nebeneffekt haben, dass die heimischen Oligarchen ihr Geld nicht mehr im Westen anlegen. Auch Mastercard sowie Visa haben schnell begriffen, dass es wenig Sinn macht, wenn sie mehr als eine vergleichsweise kleine Bank in Russland aus ihrem Abrechnungssystem rauswerfen.


Bei den Mitarbeitern der Rand Corporation scheint es sich ganz offensichtlich um eine vergreiste Mannschaft aus dem Kalten Krieg zu handeln, die noch nicht in der Gegenwart angekommen ist. Umso schlimmer, wenn sich die europäische Politik von den alten Männern beraten lässt und auf die abschreckende Wirkung des bösen Teufels hofft.