Die Schauspielerin Lilith Stangenberg ist genervt vom Konformismus ihrer Kolleginnen und Kollegen. Ein Gespräch über die Kunst, Ängste zu überwinden, cholerische Regisseure und das Drama des deutschen Kinos.
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ZEIT: Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben sich in der Beschäftigungslosigkeit politisch engagiert: für die Geflüchteten in Moria, für die Sichtbarkeit queerer Menschen im Film, oder mit #allesdichtmachen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Sie haben sich nirgendwo beteiligt.
Stangenberg: Ich kann einfach mit Realitätspolitik nicht so gut umgehen und halte mich aus der politischen Debatte eher raus. Das ist nicht mein Feld. Ich verarbeite das für mich in der Kunst. In einem abstrakten Raum wie dem Theater oder Kino kann ich mich politisch viel besser ausdrücken. Ich spiele lieber eine kapitalistische Vampirin, als zu einer Demo zu gehen. Ich war noch nie auf einer Demo.
ZEIT: Warum nicht?
Stangenberg: Ich habe so einen Urinstinkt: Wenn sich Menschen irgendwo anstellen und einen bestimmten Bubble-Tea wollen, dann kann ich mich da nicht auch noch anstellen. Gerade, wenn diese Menschen Schauspieler sind. Eine Haltung haben, das ist ja gut, aber die kann man auch für sich allein haben, im Leben oder in der Kunst. Ich will mich nicht zu einer Fackel machen lassen. Wozu soll ich jetzt auch noch auf "Die AfD ist scheiße" posten oder mit einem Impfpflaster fürs Gesundheitsministerium posen? Warum soll ich bei #allesdichtmachen mitspielen? Ich wurde sogar dringlich dafür angefragt, aber mir war von Anfang an klar, dass ich das nicht mache. Wenn ich schon nicht auftreten darf, dann erst recht nicht in einem merkwürdigen Werbespot. Ich fand aber auch die einheitlichen Reaktionen darauf hässlich. In einer demokratischen Welt sollte es eigentlich möglich sein, dass ein paar Schauspieler mal eine andere Meinung haben.
ZEIT: Sie haben sich schon öfter unzufrieden über Debatten im Kulturbetrieb geäußert, über "Selbstzensur" und "Überkorrektheit". Man kennt diese Klagen sonst eher von älteren Herren, Sie sind 33. Wie kommen Sie dazu?
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