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Orkan in Käferland. Laubsauger zerstören die Tierwelt am Boden

Wo lautloses Herabsegeln und sanftes Rascheln hingehören, da dröhnt und knattert es jetzt wieder unter herbstlich gefärbten Bäumen. Gartenbesitzer und Hausmeister blasen zum Sturm auf die Blätterflut und rücken dem bunten Unheil mit Laubsaugern zu Leibe. Die heißen Hurricane, Ultra Blower oder Multi Cleaner, können blasen, saugen oder beides -und viele häckseln das aufgesaugte Material gleich klein. Zwischen Haus und Hof werden vor allem elektrische Geräte benutzt, Stadtreinigungs- und Landschaftspflegebetriebe arbeiten meist mit leistungsstärkeren, trag- oder fahrbaren Geräten mit benzinbetriebenem Zweitakt- oder Viertaktmotor.Gesetzlicher Schutz vor LärmOb Privatmann oder Profi -beide tun mit der Nutzung eines Laubsaugers weder sich noch der Umwelt Gutes. Der entstehende Lärm ist ohrenbetäubend. Mehr als 110 Dezibel beträgt die maximale Geräuschentwicklung bei einigen Geräten -das entspricht der Lautstärke eines Presslufthammers. "Ein gesundheitsgefährdendes Problem ist das zwar allenfalls für den Bedienenden. Für die Nachbarschaft hat der Lärm aber ein erhebliches Belästigungspotenzial", erläutert Matthias Hintzsche, Lärmexperte beim Umweltbundesamt. Damit fällt der Einsatz solcher Geräte unter das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), dessen Ziel es ist, Menschen, Tiere und Pflanzen, aber auch den Boden vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen.Grenzwerte, die die Lautstärke beschränken, gibt es zwar nicht, doch dürfen die Geräte nur zu bestimmten Zeiten benutzt werden, in der Regel werktags (also einschließlich Sonnabend) zwischen 7 und 20 Uhr. In Wohngebieten sogar nur von 9 bis 13 und 15 bis 17 Uhr. So will es die 32. Bundesimmissionsschutzverordnung zur Durchführung des Gesetzes. "Aber Kommunen und Länder dürfen den Betrieb noch weiter einschränken", ergänzt Hintzsche.Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe BSR setzen bei ihrem "großen Laubangriff" zum Teil schon auf elektrobetriebene, leise "Stadtsauger", um die in der Hauptstadt anfallenden 95000 Kubikmeter Laub zu bewältigen. Dies ist eine Menge, die etwa 1900 Güterwaggons füllen würde.Doch nicht nur vor dem Lärmpegel sollten sich die Bediener schützen. Besonders die Zweitakter unter den Laubsaugern bringen Schadstoffe in Umlauf. Vor allem Kohlenwasserstoffe (KW), Stickoxide (NOx) und Kohlenmonoxid (CO) werden in nicht geringen Mengen verbreitet. Fast noch bedenklicher sind indes die Staubteilchen, die die Geräte mit der Blasfunktion aufwirbeln: Partikel in jeder Größe und daran anhaftende mikrobielle Verunreinigungen wie Bakterien, Schimmelpilze, Parasiten oder Viren. Auch Pollen und Pilzsporen, die Allergien auslösen können, werden so in Umlauf gebracht. In Parks und am Straßenrand befindet sich unter dem Laub oft Unrat und Hundekot. Hier kommen verstärkt Krankheitserreger zum Luft-Teilchen-Cocktail, der von den Geräten mit Windgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h, also in Orkanstärke, in die Luft gepustet wird. Nicht nur das Bedienungspersonal kann dieses gefährliche Gemisch einatmen, sondern auch Personen, die sich in der Nähe aufhalten.Trotz dieser Gefahren können Laubsauger und -bläser sinnvoll sein, vor allem wenn es darum geht, Blätter unter parkenden Autos hervor zu pusten, damit sie nicht die Gullys verstopfen, oder um gefährliche Rutschpartien für Fußgänger und Radfahrer zu vermeiden. Eine ökologische Katastrophe ist jedoch ihr Einsatz auf belebtem Boden, auf Rasen und Beeten, unter Sträuchern und Hecken. Mit dem Laub werden dort auch alle Tiere aufgesaugt und geschreddert, die sich auf dem Boden befinden. Sogar Frösche, Mäuse oder Igel, die sich in einem länger liegen gebliebenen Laubhaufen für den Winter einquartiert haben, sind bedroht.Vögel ohne Futter"Das ist eine fast klinische Reinigung des Bodens", sagt Julian Heiermann, Zoologe beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). "Käfer und andere Insekten, Spinnentiere, Regenwürmer, Tausendfüßler, Asseln und Springschwänze sind wichtige Bindeglieder im Nahrungsnetz", gibt er zu bedenken. "Jeder hört gerne die Vögel zwitschern. Aber was sollen die Vögel oder die Fledermäuse fressen, wenn die Insekten fehlen? Und auch das Laub selbst hat eine wichtige Funktion im Ökosystem." Vermeintlich überflüssig, dienen die abgeworfenen Blätter als Schutz der Pflanzen vor Frost und Austrocknung im Winter. Zudem sind sie Nahrung für Mikroorganismen und Kleintiere, die daraus neuen Humus bilden und die Bodenfruchtbarkeit verbessern.Was also tun? Gar nichts. Das rät die Stiftung Warentest, die dazu ermuntert, das Laub, wo immer möglich, auf den Beeten liegen zu lassen. Wo das nicht angebracht ist, beispielsweise auf Rasenflächen, sollten Naturfreunde zum guten alten Rechen oder zum Fächerbesen greifen. Das ist zwar anstrengender -aber auch billiger und viel leiser. Man kann ja mal eine Pause einlegen und den Blättern in aller Ruhe beim lautlosen Herabsegeln zuschauen.------------------------------Tipps für UmweltfreundeLiegen lassen: Verzichten Sie möglichst generell auf Laubsauger und Laubbläser. Lassen Sie Laub unter Sträuchern und Hecken einfach liegen. Eine entsprechend dicke Laubschicht auf den Beeten hilft sogar bei der Unkrautbekämpfung und erstickt die unliebsamen Wildpflanzen.Sammeln: Harken Sie das Laub zu großen Haufen zusammen -so geben sie ein warmes Winterquartier für Igel ab. Harke und Besen lassen Bodentiere unbehelligt, kommen dabei ganz ohne Lärm und Schadstoffemissionen aus -und schonen den Geldbeutel.Ausnahmen: Verwenden Sie Laubsauger und -bläser nur, wenn es wirklich unvermeidbar ist und nur auf versiegelten Flächen.Geräuschpegel: Falls Sie versiegelte Flächen vom Laub befreien müssen, wählen Sie auf jeden Fall ein geräuscharmes Gerät. Es gibt keine Grenzwerte, aber eine Kennzeichnungspflicht. Die maximale Lautstärke muss also angegeben sein. Achtung bei den Abstufungen: Bereits ein um 3 Dezibel kleinerer Wert bedeutet eine Halbierung der Schallleistung.------------------------------Foto: Laubreiniger im Einsatz: blasen, saugen und lärmen.

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