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Alltag, klimaneutral: Vermeiden ist besser als kompensieren

Das könnte uns so passen: Ein Leben frei von CO2? Wir sind dabei! Wir kaufen klimaneutrale Jeans und "Grüne Fahrkarten" der Bahn, gehen zu klimaneutralen Veranstaltungen und lassen uns zum Schluss gar noch CO2-neutral beerdigen. Ja, auch das ist möglich, zumindest in Australien. Vorher kompensieren wir aber noch schnell den Flug zum Christmas-Shopping nach New York, der 4 240 Kilogramm Kohlenstoffdioxid pro Person ab Berlin ausmacht, mit einem Zuschlag von 99 Euro und sorgen mit dem Kauf der richtigen Bio-Bratwurst dafür, dass endlich alles gut wird. "Superwurst rettet die Welt", so zumindest lautet der Werbeslogan des Herstellers Ökoland.Ausgleich der EmissionenAber ist das wirklich so einfach? Zur Zeit verursachen alleine wir Deutschen im Durchschnitt elf Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Kopf und Jahr. Bis 2050 muss Deutschland seine Treibhausgasemissionen um mindestens 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 senken. So lohnt es sich für jeden, sich seinen persönlichen CO2-Fußabdruck einmal anzuschauen.Was bedeutet Klimaneutralität eigentlich? "Den Begriff sollte man grundsätzlich hinterfragen", gibt Matthias Kopp, Klimaexperte des WWF, zu bedenken. Schließlich bedeute "CO2-neutral" keineswegs "ohne jeglichen CO2-Ausstoß", sondern vielmehr den Ausgleich von hier entstandenen Emissionen durch die Vermeidung von Kohlenstoffdioxid andernorts. "Was wir eigentlich bräuchten, ist aber insgesamt eine Reduktion, und die muss uns strukturell von unserem Emissionssockel runterbringen." Die Kompensation kann schließlich nur der letzte, dann aber durchaus sinnvolle, Schritt sein, nach einer wirklich guten CO2-Minderungsstrategie des Unternehmens und der Produkte.Wursthersteller Ökoland hält für seine klimaneutrale Superwurst diese Reihenfolge nach eigenen Angaben ein. Am Anfang steht eine umfassende Dokumentation der Treibhausgasemissionen vom Bauernhof bis zur Ladentheke. Dann wird zunächst an der Reduzierung der Emissionen gearbeitet. Unvermeidbare Treibhausgas-Emissionen werden durch den Kauf von Klimazertifikaten kompensiert.Auch der Kaffeeröster Tchibo, der Tiefkühllieferant Frosta, die Supermarktkette Rewe und eine Reihe anderer Unternehmen haben -in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung -damit begonnen, den CO2-Fußabdruck einzelner Produkte zu berechnen, den so genannten Product Carbon Footprint. Und das ist eine überaus komplexe Abgelegenheit. Beispiel Tiefkühlprodukte: Neben der Rohstoffgewinnung und der Produktion müssen auch die Emissionen bei Einkaufsfahrt, Transport und Lagerung auf Seiten des Unternehmens sowie die Lagerung, die Zubereitung und der Abwasch beim Verbraucher zu Hause mitberücksichtigt werden.Die Kompensation von CO2-Emissionen ist dann relativ einfach. Entsprechende Dienstleistungen werden von Agenturen wie Atmosfair oder Myclimate angeboten, auch für Privatpersonen. In Deutschland sind es vor allem Flugreisen und das Autofahren, die aus der privaten Kasse ausgeglichen werden. Das hat eine Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde gezeigt.Doch nur drei Anbieter von CO2-Kompensationen für Flugreisen sind laut Verbraucherallianz "Fürs Klima", einer Kampagne von Verbraucherzentralen und Verbraucherverbänden, wirklich empfehlenswert. Sie investieren allesamt in Klimaschutzprojekte nach dem so genannten Gold-Standard. Dieser stellt sicher, dass die Minderungsmaßnahmen tatsächlich zusätzlich erfolgen, also ohne die Kompensationszahlung nicht durchgeführt würden. Und er prüft sehr genau die mit den Projekten verbundenen sozialen Standards in den jeweiligen Ländern, meist Entwicklungsländer. Aufforstungsprojekte kommen hier nicht in Frage. Das durch die Pflanzen gespeicherte CO2 könnte später, zum Beispiel durch Verbrennung, wieder freigesetzt werden. Auch könnten sich Aufforstungen negativ auf Ökologie und lokale Ökonomie auswirken.Keine AusredenDoch auch im privaten Bereich gilt: Soll die Kompensation nicht zum bloßen Ablasshandel werden, steht die Vermeidung von Emissionen und ein Überdenken des eigenen Konsums an erster Stelle. Dass dafür jeder nach seiner Facon reichlich Möglichkeiten hat, will das Umweltbundesamt in seiner Broschüre "Klimaneutral leben" deutlich machen: Anhand fünf beispielhafter Lebensstile werden individuelle CO2-Minderungspotenziale gezeigt."Menschen leben in unterschiedlichen Kontexten, mit unterschiedlichen Möglichkeiten und unterschiedlicher Bereitschaft zum Klimaschutz", erklärt Michael Bilharz, Referent im Fachgebiet Nachhaltige Konsumstrukturen des Umweltbundesamtes. "Wir akzeptieren die Vielfalt der Lebensstile, aber nicht die Ausreden. Es gibt für jeden Maßnahmen, die tatsächlich wirksam sind."------------------------------SERVICEAusstoßHeizung und Strom: Die durchschnittliche Anteile am persönlichen CO2-Ausstoß liegen bei 25 Prozent.Mobilität: Sie verursacht 23 Prozent des gesamten Ausstoßes.Ernährung und Konsum: Essen produziert 14 Prozent CO2, auf den übrigen Konsum kommen 28 Prozent.Infrastruktur: Zehn Prozent stößt die öffentliche Infrastruktur aus.EinsparpotenzialMobilität: Sparen lässt sich bei Fernreisen, zurückgelegten Auto-Kilometern und beim Benzinverbrauch des Wagens.Wohnen: Die Wohnfläche und der Dämmstandard bestimmen den Heizenergieverbrauch eines Gebäudes und somit den CO2-AusstoßErnährung: Entscheidend sind die Höhe des Fleischkonsums und der Anteil an Bioprodukten.Broschüre"Klimaneutral leben -Verbraucher starten durch beim Klimaschutz"Download unter: www.umweltbundesamt.de/klimaschutz------------------------------Foto: So lebt man CO2-sparsam: Obst statt Fleisch und Rad statt Auto.

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