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Upcycling schont Ressourcen, hat aber auch Grenzen.

Kinder sind die perfekten Wiederverwerter. Schon Pippi Langstrumpf war als Sachensucherin unterwegs und hängte sich eine leere Garnrolle als Halskette um. Und welcher Haushalt mit Kindern ist noch ohne Schreib- tischutensilo aus leeren Klorollen? Erwachsener und stilvoller geht es so: Kronkorken in edlem Sterling-Silber-Schmuck, Couchtische aus alten Ölfässern, aus Autoreifen kunstvoll geschnitzte Spiegelrahmen, Gürtel und Taschen aus Fahrradschläuchen -Upcycling nennt sich dieser Trend, der aus scheinbar wertlosem Abfall Höherwertiges macht.Neue Werte aus alten SachenWie beim profanen Recycling -zuweilen auch Downcycling genannt, weil die neu entstehenden Produkte in aller Regel von niedrigerer Qualität als die Ausgangsmaterialien sind -geht es auch hier darum, die Abfallmengen zu verringern, Schadstoff- und Klimagasemissionen zu senken und wertvolle Ressourcen zu schonen. Was liegt also näher, als gebrauchte Rohstoffe für die Herstellung von Alltagsgegenständen, Möbeln oder Kunstobjekten zu nutzen?Doch neben der Wiederverwertung spielt auch das Design der neuen Dinge eine Hauptrolle. "Es reicht heute nicht mehr, wie in der Anfangszeit der Öko-Bewegung in den 80er-Jahren, dass die Produkte einfach nur ökologisch korrekt sind", sagt Jürgen Breiter, Architekt und Kopf des Projektes "Stadtfund" (www.stadtfund.de). "Das Objekt muss trotzdem auch schön aussehen, damit es überhaupt jemand haben will."Während bei ihm die Lampen ausgedienter Kühlschränke zur Wohnzimmerleuchte avancieren, aber immer noch Lampe bleiben, bringt Valentina Araújo ihre Materialien in eine komplett neue Form und Funktion. Aus leeren Verpackungen fertigt sie Schmuck an. Dazu fädelt Araújo zum Beispiel unzählige, centgroße Plättchen, die sie zuvor aus Getränkekartons ausgeschnitten hat, zu Ketten auf. Kleine Elemente aus Coladosen werden zu winzigen Würfeln geknickt und zu Ohrringen verbunden. Aus Shampooflaschen entstehen Fingerringe. "Ich habe schon immer aus alten Sachen neue gefertigt", erzählt die Brasilianerin. "Und ich habe auch schon immer Schmuck gemacht." Beides miteinander zu verbinden lag daher nahe. Leere Getränkedosen findet die Künstlerin auf der Straße, auch Freunde bringen ihr Materialien mit. Verkauft werden die Stücke -die sie alle in ihrem Atelier in Prenzlauer Berg fertigt -vor allem in Online-Shops wie DaWanda (www.dawanda.com).Auch die Norwegerin Anette K. Hansen und die Kanadierin Deidre Ritsche haben die Ästhetik gebrauchter Materialien für sich entdeckt. Unter dem Label Semi Domesticated (www.semidomesticated.com) bieten die Künstlerinnen bei ihren "Show- and Sell-Events" aufgewerte Möbel, Kleider und Wohnaccessoires zum Kauf an.Alte Bücher und Kassetten, abgelegte Pullis, leere Zahnpastatuben, Aluminiumverpackungen, Konservendosen -nichts scheint vor den kreativen Bastlern sicher. Doch die Wiederverwertungsleidenschaft hat auch Grenzen. Die sind erreicht, wenn die Materialien durch ihren nicht mehr bestimmungsgemäßen Gebrauch zum Gesundheitsrisiko werden. LKW-Planen aus PVC können so genannte Weichmacher abgeben, auch dann noch, wenn sie schon zu Taschen verarbeitet sind. Gummi-Fahrradschläuche enthalten eine ganze Reihe problematischer Stoffe, hier sollte man den Kontakt zur Haut oder zu Lebensmitteln vermeiden. Und ganz generell rät das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zur Vorsicht, wenn für den Außenbereich produzierte Materialien in größeren Mengen in Innenräumen verwendet werden, weil sich daraus Schadstoffe lösen könnten. Mit kleinen Kindern im Haushalt sollte man ganz besonders vorsichtig sein und darauf achten, dass sie solche Dinge keinesfalls in den Mund nehmen.Auch so manche Verarbeitungsmethode scheint wenig empfehlenswert. Das Verschmelzen von Plastiktüten durch Bügeln mag zwar interessante Werkstoffe ergeben. Die giftigen Dämpfe, die dabei entstehen können, wären ein guter Grund, sich auf andere Projekte zu beschränken.Eine Welt ohne Abfall?Ganz andere Dimensionen des Upcyclings jenseits jeglichen Do-it-yourself-Niveaus schweben Michael Braungart vor. Der international renommierte Wissenschaftler ist sicher, dass eine Welt ganz ohne Abfall möglich ist. Mit der Verwendung des Begriffes Upcycling für die Bastelwut der Recycling-Designer ist er ganz und gar nicht einverstanden. "Die Landschaft zur Deponie zu machen, indem ich Müll irgendwo anders hindrapiere, hat mit Upcycling nichts zu tun. Wenn ich das Falsche perfekt mache, wird es nur perfekt falsch", argumentiert der wissenschaftliche Leiter des Hamburger Umweltinstitutes. "Upcycling ist aus unserer Sicht, dass das Produkt von Anfang an so gestaltet wird, dass es später in einer höheren Qualität wieder eingesetzt werden kann."Zum Beispiel ein intelligentes, ungiftiges und unzerbrechliches Material als Verpackung für Babynahrung, aus dem später der Schreibtisch für's Kinderzimmer produziert werden kann. Solange das noch nach Zukunftsmusik klingt, kann es nicht schaden, den Dingen auch mit ihrer Wiederverwertung eine neue Form der Wertschätzung zu geben.------------------------------Foto: Ganz schön edel: Halskette aus Kabelbindern.Foto: Ganz schön komfortabel: postgelb lackierter Thron mit Sitzfläche und Lehne aus einem Sack der Deutschen Bundespost.

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