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"Sehnsucht Ferne" auf der Schallaburg

Seit Jahrhunderten zieht es die Bewohnerinnen und Bewohner Europas in die Ferne: auf Abenteuerfahrt, Entdeckungsreise und Erkundungstour. Die heurige Ausstellung auf der Schallaburg in Niederösterreich fragt nach, was Rastlose und Reiselustige von damals mit dem Fernweh von heute zu tun haben.

 Von Niederösterreich aus direkt zum Nordpol aufbrechen: In Form eines Escape Rooms kann man die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition auf dem Segelforschungsschiff Admiral Tegethoff in den hohen Norden nachempfinden. 

Nordpolexpedition als Rätselaufgabe

 Während 1872 Käptn Karl Weyprecht und Expeditionsleiter Julius von Payer für ganze 26 Monate Eis und See getrotzt haben, gilt es heute fünf Räume hindurch spielerisch Rätsel zu lösen. "Wir haben uns bemüht, ein Abenteuer nicht nur klassisch museal umzusetzen", so Marcel Chahrour, verantwortlich für die inhaltliche Gestaltung der Ausstellung. "Der Escape Room ist ein Versuch ein neues Vermittlungsangebot zu machen, das auf andere Art und Weise Bewusstsein für das Thema schafft."

Streifzug durch die Geschichte des Aufbrechens

In der Ausstellung selbst geht es weniger darum, einzelne Abenteuer nachzuverfolgen oder Reisende als Helden oder Heldinnen hochzustilisieren, die Ausstellung versteht sich als Streifzug durch die Geschichte des Aufbrechens. Thematisiert wird, welche Motive hinter dem Aufbrechen historisch liegen, und welche davon sich auch heute noch finden. "Da gibt’s die Wissenschaften, die aufbrechen, vor allem im 18. Und 19. Jahrhundert, um die Welt zu erforschen und zu erkunden", erzählt Marcel Chahrour. "Da gibt’s die Missionare, die aufbrechen, um den christlichen Glauben hinaus in die Welt zu tragen. Da gibt’s die Händler und Kolonialisten, die versuchen, sich die Welt ökonomisch untertan zu machen. Es gibt aber auch, spätestens ab dem 19. Jahrhundert, das Motiv des aus Vergnügen Reisenden."

Abenteuer abseits der Geschichtsbücher

 Vergnügen beim Reisen hatten mit Sicherheit auch die Abenteurerinnen, denen in der Ausstellung Raum gegeben wird. Frauen, die in die Ferne zogen, hat allerdings oft der institutionelle Rückhalt gefehlt. „Das war für Frauen, auch im 19. Jahrhundert, viel schwieriger. Sie mussten ihre Reisen selbst bezahlen“, erklärt Marcel Chahrour. „Die bekannte österreichische Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer hat sich ihre Reisen zuerst durch ein Erbe und danach durch die Bücher, die sie von den Reisen schreiben konnte, finanziert.“

Das Fernweh des Massentourismus

 Die Faszination des Fremden und der Ferne zeigt sich nicht nur in den Reisebiografien vergangener Jahrhunderte, sondern auch im heutigen Reiseverhalten. Marcel Chahrour lokalisiert das Erbe und Weiterleben des Entdeckergeistes von damals in den Produkten des Massentourismus. „Die großen Themen, die uns heute betreffen, waren ja schon vor Covid und unserem Eingesperrtsein da ", so Chahrour. „Was stärker geworden ist, ist das Bewusstsein dafür, wie wichtig uns dieses Wegkönnen, und unsere Sehnsucht leben zu können für uns alle geworden ist. Wir können es uns kaum mehr vorstellen, in unserer Reisemobilität eingeschränkt zu sein.“

Kommt ein Umdenken nach der Pandemie oder machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben? Bis der Aufbruch in neue Welten tatsächlich wieder möglich ist, kann jedenfalls ein Ausflug auf die Schallaburg als Überbrückungshilfe dienen. Oder als Denkanstoß, wie das erste große Abenteuer nach der Pandemie ausschauen soll.

 „Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten“ 20.3. – 7.11.2021
 Escape Room „Gefangen im ewigen Eis – Aufbruch zum Nordpol“ ab 1.5.2021
Schallaburg 

Christine Mayrhofer, März 2021

Headerbild: © Klaus Pichler