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Die Flying Steps tanzen Breakdance in der Profi-Liga

Mitglieder der Breakdance Company "Flying Steps" zeigen, was sie drauf haben. Foto: Imago

Berlin. Von wegen auf der Straße und Freizeitspaß - es gibt auch den anderen Breakdance, hochprofessionell organisiert und durchchoreographiert, Geschäftsführer inklusive. Doch die Perfektion der Berliner "Flying Steps" lässt auch Kritik aufkommen, weil die Subkultur an Echtheit verliert.

Dass ihn sein Hobby einmal so weit bringt, hätten seine Eltern nicht für möglich gehalten. Lieber wäre ihnen gewesen, der Junge hätte etwas Anständiges gelernt, Lehrer vielleicht oder Bankkaufmann. Aber tanzen? Damit kann man doch kein Geld verdienen. Und ob man kann.

Es könnte kaum besser laufen für Vartan Bassil. Der 38-jährige Berliner sieht mit seinem Dreitagebart und der Baseballkappe vielleicht nicht nach Unternehmer aus, Geschäftsführer ist er trotzdem - der Flying Steps nämlich, einer der professionellsten Breakdance-Gruppen der Welt.

Längst als Kunstform anerkannt

Wurde Breakdance bis vor einigen Jahren in Kulturkreisen noch belächelt, gilt der Tanz heute als Kunstform. Das ist nicht zuletzt auch das Verdienst von Bassil, seit er die Flying Steps vor vier Jahren zur Musik von Johann Sebastian Bach breaken ließ. Jugendkultur traf Hochkultur, Breakdance traf Klassik und offenbar auch einen Nerv: Die Flying Steps tanzten plötzlich in Opernhäusern, als Halbzeit-Act beim Eurovision Songcontest 2011 in Düsseldorf und sogar im Bundestag. Noch heute tourt die Show „Flying Bach" um die Welt, dabei steht die zweite längst in den Startlöchern. In „Flying Illusion" bringen sie wieder zwei Sachen zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören: Breakdance und Magie. Vom 9. bis 11. Mai auch in der Arena in Oberhausen.

„Das ist eine Kombination, die es so noch nicht gegeben hat", sagt Bassil. Unglaubliches tänzerisches Können vermische sich mit optischen Täuschungen. Die Grenzen zwischen Tanz und Magie sollen verschwimmen. Fliegende Illusionen eben.

„Es gab Zeiten, in denen habe ich Teller gewaschen"

Nicht immer war es für Bassil so leicht mit Breakdance Geld zu verdienen. „Es gab auch Zeiten, in denen habe ich Teller gewaschen und Treppen geputzt. Alles, damit ich weiter tanzen kann." Bassil musste sich durchkämpfen. Etwas, das ihn gerade der Breakdance mit seiner Battle-Kultur, dem ständigen Wettstreit mit anderen Tänzern, gelehrt hat.

Faszinierender als den Wettkampf fand der Berliner aber den Tanzstil selbst. Filme wie „Beat Street" und „Breakin'" machten ihn 1984 auch in Deutschland bekannt. Bassil versuchte die Schritte nachzutanzen, fuhr von einer Hip-Hop-Party zur nächsten und rutschte so in die Szene. Sobald er eine freie Minute hatte, hieß es üben, üben, üben. In Jugendklubs, während der Schulpausen in der Turnhalle, mit Ghettoblaster und Pappkartons auf der Straße.

Redbull ist der gewichtige Werbepartner

Bassil erzählt all das in den hellen Räumen seines Tanzstudios in Berlin-Kreuzberg, der Flying Steps Academy. Alte Pappkartons sucht man hier vergebens. Stattdessen: Blaue Turnmatten, glattes Parkett, Profitänzer als Dozenten für den Nachwuchs. Durchsichtige Scheiben geben den Blick frei auf ein Dutzend Teenager, die Handstand, Drehung, Überschlag mal mehr, mal weniger gut hinbekommen. An der Wand prangt ein Tattoo des Werbepartners Red Bull. Auch die Flying Steps selbst sind mittlerweile eine Marke.

Glaubwürdigkeit und Geschäft

Es gibt Kritiker, die mit dieser Entwicklung wenig anfangen können, die den ursprünglichen Charakter des Breakdance als Subkultur in Gefahr sehen. Sind Leidenschaft und Profitdenken unvereinbar? „Wettbewerbe reichen irgendwann nicht mehr aus, um dich über Wasser zu halten", sagt Bassil. Und doch: „Breakdance ist mein ganzes Leben, etwas, worüber ich Tag und Nacht nachdenke, in dem ich aufgehe, ein Stück Freiheit."

Ein paar Meter weiter, hinter der Glasscheibe, tanzt Christoph, 17 Jahre. Auf seinem schwarzem T-Shirt steht in weißer Schrift „Flying Steps". Ob er sich vorstellen kann, später einmal mit Breakdance Geld zu verdienen? „Wenn's klappt, wär's cool", sagt Christoph, „wenn nicht, bleibt's trotzdem eine Leidenschaft."

Christine Holthoff

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