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Uruguay wird liberaler

Als drittes lateinamerikanische Land hat Uruguay den Schwangerschaftsabbruch gesetzlich erlaubt. Zudem ist die Legalisierung von Marihuana in der Diskussion.

Mit knapper Mehrheit verabschiedete der Senat Uruguays das Gesetz, das einen Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche legalisiert: Mit 17 zu 14 Stimmen wurde der umstrittene Gesetzesentwurf der Linksregierung von Präsident José Mujica angenommen. Bereits 2008 hatte es einen entsprechenden Vorstoß gegeben. Doch der damalige Präsident Tabaré Vázquez stoppte das Abtreibungsgesetz. Mujica muss die Reform noch absegnen, kündigte aber bereits an, kein Veto einzulegen. Damit gehört Uruguay neben Kuba und Französisch-Guayana zu den drei Ländern Lateinamerikas, in denen der Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist.

Für Christoph Wagner, Politikwissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ist Uruguay das demokratischste Land Lateinamerikas: "In Uruguay kann die Demokratie durchaus mithalten mit westeuropäischen Maßstäben. Freiheiten wie Meinungs- und Pressefreiheit sind garantiert. Sie bilden den Nährboden für solche Liberalisierungsmaßnahmen."

Bedingungen der Straffreiheit


In Uruguay waren Schwangerschaftsabbrüche bislang verboten

Das neue Gesetz regelt, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche straffrei sind. Daran sind allerdings Bedingungen geknüpft: Frauen, die abtreiben wollen, müssen sich ärztlich beraten lassen und ein Gutachten einer Expertengruppe abwarten, die sich aus einem Gynäkologen, einem Psychologen und einem Sozialarbeiter zusammensetzt. Außerdem muss die Schwangere ihre Entscheidung fünf Tage lang reflektieren. Ärzte dürfen die Operation aus Gewissensgründen ablehnen. Sollte eine Frau abtreiben, ohne vorher diesen Prozess zu durchlaufen, handelt sie nach wie vor illegal.

Nichtregierungsorganisationen schätzen, dass in Uruguay jährlich 30.000 Abtreibungen illegal durchgeführt werden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Durch die Legalisierung sollen vor allem Leben gerettet werden. Denn viele Frauen sterben bei den heimlichen Schwangerschaftsabbrüchen. Das neue Gesetz spaltet das knapp 3,5 Millionen Einwohner umfassende Land: Eine Umfrage der uruguayischen Consulting-Firma Cifra ergab, dass sich 52 Prozent der Bewohner für die Legalisierung aussprechen. 34 Prozent sind dagegen.

Gesetz spaltet Bevölkerung

Die Oppositionspartei "Partido Nacional" kündigte eine Unterschriftenaktion an, um das neue Gesetz mit einem Referendum zu kippen. Dafür muss sie innerhalb eines Jahres Unterschriften von 25 Prozent der Wahlberechtigten sammeln. Kein unmögliches Vorhaben, da die Kirche dieselbe Haltung vertritt und bereits mit Exkommunikation der Abgeordneten, die für das Gesetz stimmten, gedroht hat, wie die Katholische Nachrichtenagentur berichtet.

Wagner ist jedoch davon überzeugt, dass das konservative Land bereit ist für die umstrittenen Veränderungen: "Es ist zwar von der Bevölkerungsstruktur her ein katholisches Land, aber es gibt eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat - und das hat schon eine fast 100-jährige Tradition." George Galindo, Professor für internationales Recht an der Universität Brasília, ist anderer Meinung: "Die Legalisierung der Abtreibung wird nicht problemlos von der Bevölkerung angenommen, vor allem, wenn sich auch die Opposition gegen das Gesetz ausspricht."

Weitere liberale Gesetze


Uruguays Präsident José Mujica will dem Abtreibungs-Gesetz zustimmen

In Uruguay hat es bereits ähnlich umstrittene Entscheidungen in anderen Bereichen gegeben. Seit 2008 können in dem katholisch geprägten Land gleichgeschlechtliche Partner eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen und auch Kinder adoptieren. Nun ist die Genehmigung des Verkaufs von Marihuana in der Diskussion. Einen Gesetzesentwurf gibt es bereits, abgestimmt wurde darüber bisher noch nicht. Die Regelung sieht vor, dass nur die Regierung Marihuana verkaufen darf. In Uruguay sind Anbau und Handel mit Drogen strafbar, nicht aber der private Konsum. Durch die Legalisierung verspricht sich die Regierung, den Drogenhändlern die Profite zu entreißen und die Konsumenten von harten Drogen abzulenken. Sollte der Entwurf angenommen werden, wäre Uruguay der Nachrichtenagentur DAPD zufolge das weltweit erste Land, das Marihuana direkt an die Bürger verkauft.

Da Uruguay ein kleines Land ist, glaubt der Politikwissenschaftler Wagner nicht, dass die Legalisierungswelle sich auf andere südamerikanische Länder ausweiten wird: "Es wird durchaus wahrgenommen in der Region, aber Uruguay hat kein Gewicht wie Brasilien oder Argentinien. Ich denke, dass es schon Effekte gibt, aber die darf man nicht überschätzen." Galindo stimmt dem zu: "In anderen Ländern, beispielsweise in Brasilien, gibt es noch viele Streitfragen zu klären, bevor beispielsweise der Schwangerschaftsabbruch letztendlich erlaubt werden kann."


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