2 subscriptions and 4 subscribers
Article

Elektroautos - China nimmt neuen Anlauf

Bisher scheiterten Chinas ehrgeizige Elektroauto-Pläne an fehlenden Standards und fehlgeleiteten Subventionen. Nun nimmt das Land neuen Anlauf. Deutsche Hersteller sind für Chinas möglichen Elektroauto-Boom gerüstet - nur in einem Bereich hapert es noch. 


Erschienen 24.9.2014 auf manager magazin Online


Peking - Gibt es in China jetzt doch noch einen Elektroauto-Boom? Lange dümpelten die Verkaufszahlen; die Subventionspolitik versank in lokalem Protektionismus, es fehlte an Standards und Infrastruktur. Nicht alle Probleme sind gelöst - doch die Dynamik in dem Sektor ist deutlich gestiegen, sowohl bei Herstellern als auch in der Politik.

Die Regierung erwäge, bis zu 100 Milliarden Yuan (rund 13 Milliarden Euro) in den Aufbau von Ladestationen für Elektroautos zu investieren, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Quellen bei den Entscheidungsträgern.


Seit diesem Monat sind Elektroautos und Plug-in-Hybride von der Kaufsteuer in Höhe von zehn Prozent des Preises ausgenommen. Kürzlich verdonnerte Peking zudem Behörden und Kommunen zum Kauf von Elektroautos und Plug-in-Hybriden: Mindestens 30 Prozent aller ihrer neuen Taxis, Lieferwagen und Busse müssen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sein. Subventionen auf den Kauf von E-Fahrzeugen werden nun länger gezahlt als zunächst geplant, und die Städte dürfen dabei nicht mehr wie zuvor ihre einheimischen Hersteller bevorzugen.


Bis 2020 will China fünf Millionen Elektrovehikel auf der Straße haben. Ob die neuen Maßnahmen genug ziehen, um sich diesem Ziel zumindest zu nähern, ist noch offen. Aber sie werden zu einem günstigen Zeitpunkt gestartet. Der Markt gewinnt derzeit an Schwung. In den ersten acht Monaten 2014 produzierte China 25.946 Elektro- und Hybridmodelle, und damit mehr als dreimal soviele (plus 328 Prozent) wie im Vorjahreszeitraum. Im August liefen sogar elfmal soviele Elektroautos und Plug-in Hybride vom Band wie im August 2013.

Verkaufsdaten gibt es bisher nur fürs erste Halbjahr, doch auch diese Zahlen weisen steil bergauf: Von Januar bis Juni wurden nach Angaben des Verbands chinesischer Autohersteller 20.477 E-Autos und Plug-in Hybride verkauft. Das waren 220 Prozent mehr als ein Jahr zuvor und bereits deutlich mehr als im Gesamtjahr 2013. Natürlich sind die Ausgangszahlen gering, doch eine derartige Wachstumsbeschleunigung ist neu.


Die Hersteller sehen bereits konkrete Effekte der staatlichen Förderung


17 einheimische Hersteller fertigen in China Elektroautosdarunter neben ernsthaften Autos auch preiswerte, winzige Vehikel mit nur ein paar Dutzend Kilometern Reichweite, die in Autostatistiken gar nicht auftauchen. Erst zwei Firmen bauen Plug-in Hybride - eine Technik, die Peking erst kürzlich mit ins Visier nahm: Plug-ins werden wie Elektroautos an der Steckdose geladen, aber besitzen zusätzlich einen Verbrennungsmotor. Herkömmliche Hybride fördert Peking nicht.


Die Hersteller sehen bereits konkrete Effekte der staatlichen Förderung. So betonte der in Sachen Elektromobilität am weitesten fortgeschrittene Batterie- und Autohersteller BYD , dass diese geholfen haben, den Absatz der eigenen Elektromodelle im ersten Halbjahr 2014 auf das Sechsfache der Vorjahresverkäufe schnellen zu lassen. BYD vertreibt den e6, ein reines Elektroauto in VW Touran-Größe - der bislang vor allem als Taxi am Firmenstandort, der südchinesischen Millionenmetropole Shenzhen, unterwegs ist - sowie die kleineren Plug-in-Hybride Qin und Tang. Die Batterien dazu fertigt BYD selbst.


Gemeinsam mit Daimler entwickelte BYD zudem das Elektroauto Denza, das noch diesen Monat auf den Markt gebracht wird. In der modernen Kompaktlimousine steckt Daimler-Autotechnologie und ein BYD-Batteriepaket. Das Auto hat eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern und schafft eine Spitzengeschwindigkeit von gut 150 Stundenkilometern. Daimler hatte zuvor nur eine begrenzte Zahl Elektro-Smarts sowie die S-Klasse als Hybridversion aus Deutschland importiert.


"Plug-in Hybride sind dabei unser Hauptfokus"


Parallel steigt BMW diesen Monat in den Markt ein mit Importen des rein elektrischen i3 sowie dem Sportwagen i8 als Plug-in Hybrid. Bisher vermarktet BMW gemeinsam mit Partner Brilliance den gemeinsam entwickelten Zinoro 1E, der bisher aber nur auf Leasing-Basis vertrieben wird. Das Model S des reinen Elektroherstellers Tesla aus den USA surrt seit einigen Monaten durch die Straßen von Shanghai und Peking.


Auch weitere ausländische Hersteller wagen sich allmählich auf den Markt; Nissan launchte vergangene Woche den vom E-Mobil Leaf abgeleiteten Venucia e30, der in einem Werk des Joint Ventures mit Dongfeng Auto vom Band rollt. Anders als der importierte Leaf hat das neue Auto Anspruch auf die Subventionen, die nur für lokal gebaute Autos gelten.

Volkswagen will ab 2016 daher ebenfalls Plug-in Hybride und E-Autos lokal produzieren. "Plug-in Hybride sind dabei unser Hauptfokus", betonte kürzlich VW-China-Vorstand Jochem Heizmann. Audi will 2016 zum Beispiel eine Plug-in Hybrid-Version des Audi A6L auf den Markt bringen, die speziell für China entwickelt wird. Der Porsche Panamera rollt bereits als Plug-in durch China.


Ohne ausreichende Infrastruktur aber wird es nichts mit dem Elektroboom. Mehrere Hersteller sind daher mit Stromnetzbetreibern wie State Grid im Gespräch - oder nehmen die Sache gleich selbst in die Hand. BYD Daimler New Technology (BDNT) schloss mit dem Konzern ABB einen Vertrag über die Lieferung von Wand-Schnellladegeräten ab, die gemeinsam mit den Denza-Autos bei den Händlern vertrieben werden.


Wirrwarr bei den Ladestationen


ABB übernehme dabei unter anderem die Koordination mit den Netzbetreibern sowie mit den Verwaltungen großer Wohnanlagen, sagt Arno Röhringer, Chief Operating Officer (COO) von BDNT. Tesla tat sich mit dem Telekomkonzern China Unicom zusammen und wird Ladestationen in 400 China Unicom-Läden quer durchs Land installieren. Der Service ist kostenlos, exklusiv für Tesla-Fahrer und wird das Unternehmen laut Gründer Elon Musk Hunderte Millionen US-Dollar kosten.


Umso mehr würden die Hersteller ein groß angelegtes Engagement der Regierung begrüßen. Beim Aufbau einer landesweiten Ladeinfrastruktur geht es in China aber auch um Standards sowie Pläne zur effizienten Standortverteilung. "Landesweit einheitliche Standards für die Ladeinfrastruktur sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Entwicklung der E-Mobilität", sagt Ingo Deking, Leiter Strategie bei Audi China in Peking.


Gemeinsam mit anderen internationalen und lokalen Herstellern sowie Behörden und Universitäten arbeitet Audi daran, Standards und Prozesse für Installation und Betrieb privater und öffentlicher Ladestationen zu verbessern. Ergebnisse werden ab 2015 erwartet. Das Problem: Die existierenden Stationen sind nicht für alle Fahrzeuge kompatibel, da lokale Hersteller mit unterschiedlichen Steckersystemen arbeiten.


Dass sich Peking und Shanghai auf eine gemeinsame Linie für die landesspezifische Zulassung von E-Mobilen einigten, ist da schon ein Fortschritt. Um in den Genuss der lokalen Subventionen zu kommen, müssen Autobauer in beiden Städten zum Beispiel mindestens fünf Service-Stationen bereitstellen, erzählt Arno Röhringer. Denza hat diese Auflagen bereits erfüllt. Die Autos, die laut Listenpreis ab 369.000 Yuan (45.700 Euro) zu bekommen sind, kosten daher dank der Subventionen den Endkunden dort bis zu 120.000 Yuan weniger. Hinzu kommen die Ausnahme von der Kaufsteuer sowie kostenfreie Nummernschilder.


In Shanghai werden Nummernschilder versteigert und kosten derzeit umgerechnet knapp 10.000 Euro. E-Autos bekommen ihr Nummernschild gebührenfrei. In Peking wiederum sind sie von der monatlichen Nummernschild-Lotterie ausgenommen - bei der zurzeit etwa ein Los auf rund 90 Bewerber gezogen wird. "Da wird sich der eine oder andere vielleicht überlegen, auf ein Elektroauto auszuweichen", sagt Arno Röhringer.


Original