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Lindt-Schokolade: Warum der Preis so hoch ist

Chocolatier von Lindt: Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Kilchberg am Zürichsee. (Foto: Imago)

Lindt ist der weltweit größte Hersteller von Edelschokolade. Im Supermarkt kostet eine Tafel etwa dreimal so viel wie die der Konkurrenz. Woran liegt das – und warum ist das Schweizer Unternehmen damit so erfolgreich? 


Meterhohe Regale gefüllt mit den süßesten Versuchungen, Kalorien so weit das Auge reicht: Willkommen in der Süßwarenabteilung im Supermarkt. Hier stehen Naschkatzen vor dem Regal und der Qual der Wahl. Vollmilch oder Zartbitter? Nuss, Karamell – oder doch mal Chili?


So vielfältig die Sorten, so unterschiedlich die Preise. Während es Produkte von Eigenmarken wie ja! oder Gut&Günstig meist schon für 49 Cent gibt, kostet die Lindt-Version mindestens 1,59 Euro – also mehr als das Dreifache.


Lindt & Sprüngli steigert Umsatz und Gewinn im Jahr 2018

Würde man den Jahresumsatz des Schweizer Herstellers auf solche Tafeln herunterbrechen, hätte Lindt & Sprüngli 76 von ihnen verkauft – pro Sekunde. Das zeigen die neuen Geschäftszahlen, die das Unternehmen an diesem Dienstag veröffentlicht hat.


2018 hat Lindt weltweit rund 4,3 Milliarden Schweizer Franken (rund 3,8 Milliarden Euro) eingenommen, das sind 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Gewinn (nach Steuern) stieg sogar um 7,6 Prozent auf 487 Millionen Franken (rund 430 Millionen Euro).


In Deutschland steigerte Lindt & Sprüngli den Umsatz um 5,4 Prozent. Die Hälfte seines Geschäfts macht das Unternehmen in Westeuropa. Zu den Bestsellern zählen Produkte wie der Goldhase, dunkle Schokolade und Lindor-Kugeln.

Andreas von Arx ist Analyst bei Baader Helvea – einer Schweizer Tochter der deutschen Investmentbank Baader Bank – und beobachtet seit Jahren das Geschäft von Lindt. „Das Wachstum 2018 liegt im Rahmen der Erwartungen“, sagt er.


Im wichtigsten Markt USA wächst der Schokoladenhersteller jedoch schwächer als geplant, weil vor allem jüngere Amerikaner gesündere Produkte mit weniger Zucker bevorzugen. Früher sei es das Erfolgsgeheimnis von Lindt gewesen, dass die junge Kundschaft mit zunehmendem Alter von Mars-Riegeln auf Lindt-Schokolade wechselte. „Jetzt kaufen sie statt Pralinen lieber Proteinriegel“, analysiert von Arx.


Lindor Schokoladen-Kugeln von Lindt kannst du zum Preis von 2,49 Euro pro 100 Gramm kaufen

In Deutschland, Lindts zweitgrößtem Abnehmerland, ist das Wachstum so ungebrochen wie eine frische Tafel Schokolade. Wenn die Menschen immer älter und wohlhabender werden, kaufen sie nicht mehr beim Massen-Marktführer Milka, sondern beim Premiumanbieter Lindt, erklärt der Analyst.


In Deutschland helfe Lindt speziell, dass Menschen gerne in Drogerien einkaufen, wo es auch Lebensmittel gibt – zum Beispiel den Lindt-Adventskalender in der Drogeriekette Müller. Und Einzelhändler verkaufen gerne teure Tafeln, weil sie pro verkauftes Produkt einen deutlich höheren Anteil des Verkaufspreises als Gewinn behalten können als bei billigerer Schokolade.


Aber warum kostet die Schokolade von Lindt eigentlich dreimal so viel wie die der Konkurrenz? Wir haben bei Konditormeister und Schokoladensommelier Tim Schwengel nachgefragt. Der 30-Jährige backt von morgens bis abends mehrstöckige Torten, kreiert bunte Pralinen und erfindet seine eigenen Schokoladenkombinationen. Seine persönliche Lieblingsschokolade: eine doppelfermentierte Maracuja-Schokolade.


Lindt Schokolade

Tim Schwengel: arbeitet für die Chocolaterie Müller in Königsbrunn bei Augsburg. (Foto: privat)


Doppel-was? Fermentation heißt im Klartext: Das Fleisch der Kakaofrucht vergammelt und der Geschmack zieht dabei in die Bohne. Bei der doppelfermentierten Maracuja-Schokolade vergammeln Maracuja und Kakaobohne gemeinsam. Später bekommt die Schokolade dann eine Maracuja-Note. Um sich inspirieren zu lassen, reist Tim auch schon mal zu den Plantagen, von denen er seinen Kakao bekommt.


Den Preis der Schokolade bestimmen die Inhaltsstoffe

Der Preis der Schokolade, sagt Tim, hängt von den Inhaltsstoffen ab. Reine Kakaobutter ist sehr teuer, daher mischen viele Hersteller andere Fette wie zum Beispiel Butterreinfett mit in die Schokolade. Mit diesem billig produzierten Industriefett strecken sie die Schokolade.

Auch Palmöl und Sheabutter zählen zu Fremdfetten. In der Kakaoverordnung ist festgelegt, dass Schokolade nur bis zu fünf Prozent dieser fremden Fette enthalten darf. Ob andere Fette in der Schokolade enthalten sind, lässt sich ganz einfach auf der Rückseite der Tafel ablesen.


In der Vollmilchtafel von Lindt steckt reine Kakaobutter – ein Qualitätsmerkmal, sagt Tim: „Gute Schokolade erkennt man daran, dass keine Fremdfette verarbeitet sind und dass sie wenig Zucker enthält.“ Denn: Zucker ist der billigste Rohstoff in der Schokolade.

Billiger ist es auch, mehrere Sorten Kakao zu mischen. Besonders intensiv sei der Geschmack dann, wenn nur eine Sorte Kakao verwendet wird – etwa aus demselben Land, bestenfalls aus derselben Plantage. „Bei Industrieschokolade wird eher ein Einheitsgeschmack aus verschiedenen Qualitäten an Kakaobohnen verwendet“, erklärt der Experte.


„Der Preis für Lindt-Schokolade ist angemessen“

Weil Produkte von Lindt sehr feinen Kakao enthalten, schmilzt die Schokolade schneller als bei der Konkurrenz. Daher muss eine Tafel beim Transport von der Fabrik bis ins Supermarktregal komplett gekühlt werden, sonst verformt sich die braune Masse. Das erhöht die Transportkosten und ist natürlich auch ein Grund für den Aufschlag. „Ob das den teils dreimal so hohen Preis rechtfertigt, ist eine andere Frage“, sagt Andreas von Arx. Entscheidend sei aber, ob der Kunde bereit ist, das zu zahlen.


Lindt Schokolade Preis 2019


Den Preis, den Lindt für eine Tafel verlangt, findet Tim angemessen. Eine gute Schokolade, sagt er, koste mindestens zwei bis drei Euro pro 100 Gramm. „Dass es Schokoladen unter 50 Cent im Supermarkt gibt, ist für mich ein Unding. Dabei können Menschen im Ursprungsland nur ausgebeutet worden sein. So etwas sollte nicht unterstützt werden.“

Dass günstig nicht gleich minderwertig heißen muss, beweist die Marke „Die gute Schokolade“. Der Testsieger von Stiftung Warentest kostet nur knapp einen Euro und ist dazu noch Fair-Trade. 25 verschiedene Milchschokoladensorten haben Tester auf Inhaltsstoffe, Verpackung, Geschmack, Aussehen und Schadstoffgehalt untersucht.

Lindt landete nur auf dem 16. Platz. Der Grund: Auf der Verpackung ist eine Vanilleblüte zu sehen, in der Tafel wird aber nur das Aroma verwendet. Das sei irreführend für den Kunden.


Lindt-Schokolade: etwa 20 Prozent des Preises fließen in Werbung

Sommelier Tim macht gerade dieses Aroma mit dafür verantwortlich, dass so viele Menschen zur Lindt-Schokolade greifen. „Das Vanillearoma, das die Schweizer zum Kakao mischen, macht die Schokolade viel süßer als die deutsche oder belgische Schokolade.“


Ein weiterer Grund sei die Marketingstrategie, die Lindt schon seit Jahren fährt. Auf der einen Seite verkörpert Lindt nach außen die traditionelle Seite des Unternehmens, auf der anderen Seite machten Produktserien wie “Hello“ die Schokolade auch jüngeren Generationen schmackhaft.


Ausgefallene Sorten in einer hippen Verpackung, ein bisschen englisch eingestreut und voilà: Die Marke wirkt gleich viel jünger. Die Werbeausgaben bei Lindt sind deutlich höher als bei den meisten anderen Schokoherstellern. „Sie können sich das nur leisten, weil der Preis so hoch ist,“ sagt Bankanalyst Andreas von Arx.


Egal, zu welcher Marke du am Ende greifst: nicht schlingen, sondern genießen, empfiehlt Schokoladensommelier Tim. „Die meisten essen Schokolade viel zu schnell und verpassen dabei die fruchtigen oder blumigen Noten, die Schokolade hat.“ Er empfiehlt daher, die Schokolade etwa 30 Sekunden lang auf der Zunge schmelzen zu lassen. Wohl bekomm’s!


Die Autoren: Charleen Florijn ist Autorin bei Orange, Maximilian Nowroth leitet die Redaktion. Beide essen gerne Schokolade.

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