Sport ist für die Entwicklung von Kindern elementar. Doch was, wenn die Eltern eher zur Sorte Sportmuffel gehören? Keine Panik!, sagen Experten. Damit der Nachwuchs genügend Bewegung hat, braucht es nicht viel.
Von Chantal Hebeisen, im März 2017
Einige Kinder, so scheint es, kommen schon mit einem ausgesprochenen Bewegungsdrang zur Welt. Andere hingegen gehen es schon im Krabbelalter eher gemütlich an und verharren lieber buddhagleich an Ort und Stelle und beobachten das Geschehen um sie herum. Während man erstere später selten auffordern muss, mal rauszugehen und Ball zu spielen, fragen sich Eltern von in sich ruhenden Kindern oft, wie sie ihre Kinder animieren können, sich zu bewegen.
Grundsätzlich gehen Experten davon aus, dass gesunden Kindern ein natürlicher Bewegungstrieb angeboren ist. Wie in mehreren Studien untersucht wurde, entdecken und begreifen Kinder die Welt durch krabbeln, tasten und Erkundungstouren durch ihre Umgebung.
Für Kinder zentral ist laut Experten, dass Eltern ein animierendes Umfeld schaffen, damit die Kinder sich gerne bewegen. "Kinder muss man nicht zum Sport motivieren, sie wollen sich von sich aus bewegen, wenn sich ihnen Gelegenheiten bieten", sagt Mentalcoach Robert Buchli. Der Sportpsychologe bereitet hauptberuflich Spitzensportler mental auf Wettkämpfe und Turniere vor. Er empfiehlt, zum Beispiel eine befreundete Familie einzuladen und gemeinsam eine sportliche Aktivität zu unternehmen.
Auch Erika Ruchti, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Sportpsychologie beim Bundesamt für Sport (Baspo), beschäftigt sich mit dem Thema Kinder und Sport. Sie sagt, es sei einerseits wichtig, dem Kind Erfolgserlebnisse möglich zu machen. Andererseits solle man den Sport fix in den Tages- und Wochenplan zu integrieren, sonst falle er oft anderen Aktivitäten und Plänen zum Opfer. "Animieren Sie die Kinder dazu, auszuprobieren, auf Spiel- und Sportplätzen, in der Turnhalle, im Wald, am und im Wasser, auf Schnee und Eis und mit allerlei Geräten zu experimentieren", sagt Ruchti. Weitere Tipps gibt das Baspo auch unter www.mobilesport.ch.
Als Motivationstipp gibt Ruchti Eltern mit auf den Weg, darauf zu achten, dass bei sportlichen Aktivitäten die drei Grundbedürfnisse befriedigt werden, damit die Kinder die Freude daran nicht verlieren:
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Bedürfnis nach Kompetenz: das Verlangen, sich als kompetent zu erleben, das heisst, dass das Kind merkt, dass es etwas gut kann
- Bedürfnis nach Autonomie: Das Kind kann gewisse Dinge (mit-) bestimmen
- Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit oder dem eingebunden sein: Das Kind fühlt sich in einer Gruppe akzeptiert und hat die Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen
Zentral sei zudem, dass man als Vater oder Mutter auf die Signale des Kindes achte und erkenne, wann man das Kind fordern und wann fördern müsse.
"Mütter und Väter haben eine wichtige Funktion für den Sport - nicht nur als Vorbilder", berichtet Buchli aus seiner Erfahrung. "Eltern sollten für ihre Kinder da sein und ihre Emotionen - sei dies nun Freude, Enttäuschung oder Wut - auffangen, wenn sie vom Training heimkommen", sagt der Mentalcoach. Auch Dienstleistungen wie der Taxidienst, die Verpflegung oder der Wäscheservice für die Sportkleidung werden je wichtiger, je älter das Kind wird. "Da sind Eltern in der Verantwortung, im Rahmen des Möglichen ihre Kinder zu unterstützen." Er unterstützt zwar die Idee, die Kinder zur Selbständigkeit zu erziehen. "Doch gerade der Transport zum Training oder zu auswärtigen Matchs ist für die Kinder oft schwierig zu bewältigen."
Was die Intensität anbelangt, so empfiehlt Sportpsychologe Buchli, dass Primarschulkinder in einem ersten Schritt maximal drei Trainingseinheiten pro Woche absolvieren. "Später, wenn das Kind älter ist, kann man dies auf vier Trainings pro Woche ausbauen - je nachdem, wie leicht dem Kind die Schule fällt." Erika Ruchti vom Baspo empfiehlt, dass sich Kinder täglich mindestens eine Stunde zusätzlich zu den Alltagsaktivitäten bewegen. "Dies lässt sich einfach durch Gartenarbeiten, mit dem Velo zur Schule fahren oder ähnlichem einbauen."
Doch was, wenn das Kind gerne eine Sportart ausüben möchte, die sehr kostenintensiv ist und das Familienbudget übersteigt? "Dies ist leider eine Realität, dass sich nicht jede Familie jede Sportart leisten kann", sagt Buchli. Er empfiehlt, das Thema offen mit dem Kind zu besprechen und nach Lösungen zu suchen. "Gibt es einen Götti, der das Hobby finanzieren möchte? Oder kann das Kind statt einer teuren Einzelstunde beim Tennisleherer auch eine Gruppenstunde belegen? Oder würde eine ähnliche Ballsportart wie etwa Beachvolleyball dem Kind auch Freude bereiten?", gibt er Denkanstösse. "Geben Sie nicht zu schnell auf - meist gibt es Mittel und Wege!"